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Justiz 2000

Die Hamburger Justizreform unter dem medienwirksamen, zeitlich etwas kurz greifenden Titel "Justiz 2000" sorgt weiterhin für Kontroversen. Am Dienstag, den 17.11.1998 fand auf Einladung der Justizsenatorin eine Diskussion zum Thema "Ökonomisch gesteuerte Justiz - noch unabhängig?" statt. Die Justizbehörde nahm damit anhaltende Kritik aus der Richterschaft am Projekt "Justiz 2000" auf und informierte über den Stand des Vorhabens. In der Einladung hieß es:

"Begriffe wie "Budgetierung"," Controlling" oder "Kosten- und Leistungsrechnung" prägen zuneh- mend die gegenwärtige Diskussion um die Einführung neuer Planungs- und Steuerungsinstrumente in der Hamburger Justiz im Rahmen des Reformprojekts "Justiz 2000". Was heißt das insbesondere für Sie als Richterin oder Richter, als Staatsanwältin oder Staatsanwalt?

Klar ist: Die Justiz muß sich verändern und ein ausgeprägteres Kostenbewußtsein entwickeln. Die Krise der öffentliclen Haushalte geht auch an der Hamburger Justiz nicht spurlos vorbei. Aber in den geschützten Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit darf nicht eingegriffen werden. "

Die Veranstaltung begann mit dem einführenden Referat des Vorsitzenden des deutschen Richterbundes, Rainer Voss. Er sagte: "Es darf nicht dazu kommen, daß Rechtsprechung nur noch nach betriebswirtschaftlichen Erwägungen betrieben wird". Die Budgetierung begrüßte er grundsätzlich, sie dürfe aber nicht dazu führen, daß Richter nach Wirtschaftlichkeitserwägungen überprüft würden. Dann sei die richterliche Unabhängigkeit in Gefahr.

Die Äußerungen der mit dem Projekt Befaßten zur Unantastbarkeit der richterlichen Arbeit bei der Installation des neuen Steuerungsmodells in der Justiz waren so beschwichtigend, daß man sich fragte, ob wir alle des Kaisers neuen Kleidern aufsitzen. Ist es vielleicht nackt, das Projekt, außer dezentraler Mittelverwaltung, Flexibilisierung des Haushaltsrechts und Kostentransparenz nichts dahinter? "Ökonomisch gesteuerte Justiz" - was soll man sich darunter vorstellen, wenn es keinen Eingriff in die Richterliche Unabhängigkeit meint? "Mitarbeiter-gespräche" soll es geben mit dem Ziel, die kostengünstige Art des Verfahrens zu besprechen - auch mit Richtern? Die Ökonomische Vor- und Nachschau? Was heißt es, wenn das Organisationshandbuch der Behörde davon spricht, die Fallzahlsteigerung müsse durch eine veränderte Art der Erledigung aufgefangen werden. Dies mag ja sein - hat aber in einem Verwaltungshandbuch nichts zu suchen. Ob und wie ein Richter auf eine steigende Fallzahl reagiert, ist allein seine Angelegenheit und "Mitarbeitergesprächen" seitens der Exekutive nicht zugänglich. Das Gruseln, das den Zuhörer dabei befällt, es sei gänzlich unnötig, sagten die Protagonisten. Den Satz, es müßten Normstrategien entwickelt werden, die darauf abzielten, daß Verfahrensarten von geringerer Bedeutung seltener anfallen, bezeichnete der OLG-Präsident als verunglückt. Hoffen wir, daß es die für das Projekt Verantwortlichen auch so sehen und es nur als Hinweis an den Gesetzgeber gemeint haben. Nehmen wir an, daß alles nur Mißverständnisse sind, weil eine Volkswirtin - in der Behörde mit dem Projekt befaßt - die Begriffe anders versteht als Juristen.......

Kurzum, nehmen wir die Sache ohne Emotionen, wie der Oberlandesgerichtspräsident forderte: Wir sollten aufgeschlossen sein für eine Modernisierung der Justiz, an deren Prozeß unsere Mitarbeit geboten ist. Daß die Justizsenatorin uns einen Dialog anbietet dem sie "hört" und "lernt", wie sie sagte, ist zu begrüßen. Dies ist nicht in allen Bundesländern so.

Festzuhalten ist:

Das für die Kommunalverwaltungen entwickelte neue Steuerungsmodell wird in der Justiz in wesentlichen Teilen nicht angewandt werden können, weil eine vollständige Umsetzung mit dem Grundgesetz kollidierte. Alles ist aber möglich, wenn und soweit die im Interesse der Rechtssuchenden gewährte Unabhängigkeit der Richter, der Grundsatz der Gewaltenteilung und die richterliche Selbstverwaltung nicht angetastet werden. Es ist Aufgabe des Richterbundes und des Richtervereins, dies anzumahnen.

Seine Aufgabe ist es jedoch auch, an dem Modernisierungsprozeß konstruktiv mitzuarbeiten. Hierzu hätte es längst einer aktiven Arbeitsgruppe des Richtervereins bedurft, die den Reformprozeß begleitet und auch die Erfahrungen aus anderen Bundesländern den Kollegen zugänglich macht. Hier liegt ein weites Feld für die zukünftige Arbeit des Richtervereins.

Karin Wiedemann