(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 3/98) < home RiV >
Der Richterverein votiert gegen "Gerichtsmanager"

Unter dem 13. Mai 1998 brachte die SPD-Fraktion der Bürgerschaft dort das petitum (Drucksache 16/834) ein, den Senat um Prüfung zu ersuchen, ob nicht die Einführung des Neuen Steuerungsmodells für die Gerichte (Justiz 2000) dazu nötige, das GVG entsprechend anzupassen, also zu ändern: durch die Legalisierung eines Verwaltungsdirektors "mit eigener – nicht abgeleiteter – Verantwortung und Zuständigkeit für ein professionelles Justizmanagement" ..., "um den durch die Einführung neuer Steuerungsformen ausgelösten Motivations- und Reformschub im Interesse einer dauerhaft funktionsfähigen Justiz nicht zu bremsen."

Der Vorsitzende des Rechtsaus-schusses bat unter dem 14.07.1998 insgesamt 28 Adressaten um Stellungnahmen – auch den Hamburgischen Richterverein.
Der ließ sich dazu – im Ergebnis wie die Präsidentin des Landgerichts und alle Gerichtspräsidenten – wie folgt ein:

"Die Forderung nach der Erprobung eines professionellen Gerichtsmanagements intendiert den Vorwurf, Gerichte und Staatsanwaltschaft seien reform- bzw. innovationsunfähig und überfordert mit der Übernahme neuer und veränderter Aufgaben wie z.B. einer dezentralen Budget- und Organisationsverantwortung. Der Hamburgische Richterverein ist diesem Vorwurf stets entgegengetreten. Der Vorwurf entbehrt – wenn man sich die Entwicklung der vergangenen Jahre vor Augen hält – jeglicher Grundlage.

Die Gerichte und Staatsanwaltschaften haben sich immer wieder erfolgreich um die Optimierung ihrer Organisation und der Arbeitsabläufe bemüht. So erinnere ich an die Einrichtung der Gruppen-geschäftsstellen am Amtsgericht Hamburg Ende der 70er Jahre und – in der Folgezeit – der Tandemgeschäftsstellen am Landgericht. Dort sind Organisationsformen entwickelt worden, die das Beratungsunternehmen Kienbaum und die vom Senat eingesetzte sogenannte Haas-Kommission als vorbildlich und beispielgebend bezeichnet haben. Ich verweise auf den Technikeinsatz am Verwaltungsgericht, organisch eingebunden in eine passende Organisationsstruktur – vom Rechnungshof hochgelobt. Ich verweise ferner auf überzeugende Organisationsverbesserungen mit Technikeinsatz am Finanzgericht, auf das automatisierte Grundbuch, Handelsregister und Mahnverfahren am Amtsgericht und – aus jüngster Zeit – auf das äußerst anspruchsvolle Reformprojekt "Staatsanwaltschaft". Dies sind lediglich Beispiele für Reformen, die in erster Linie von den Gerichten und Staatsanwaltschaften entwickelt, getragen und umgesetzt worden sind. Dabei haben sie durchaus Professionalität unter Beweis gestellt. Entsprechendes gilt für die Umsetzung der Sparmaßnahmen in den letzten Jahren. Diese wäre ohne ein erhebliches Maß an Organisations- und Verwaltungsgeschick nicht möglich gewesen.

Es kann überhaupt keinem Zweifel unterliegen, daß mit derselben Aufgeschlossenheit und einem hohen Engagement die neuen Aufgaben im Rahmen des neuen Steuerungsmodells übernommen werden, soweit denn diese sich als auf die Justiz übertragbar erweisen. Den damit einhergehenden zusätzlichen Anforderungen wird die bisherige Struktur mit der "Gesamtverantwortung in einer Hand" am besten gerecht. Sie steht im Einklang mit dem AKV-Prinzip, verhindert eine Verwässerung der Verantwortlichkeiten und trägt der Besonderheit der Gerichte (Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter, gerichtliche Selbstverwaltung) Rechnung. Daher sollte diese Struktur, die sich grundsätzlich bewährt hat, nicht aufgegeben werden.

Während es einer Änderung der Struktur der Gerichtsverwaltung nicht bedarf, ist eine bessere und vertiefte Qualifizierung des Führungspersonals unabweisbar. Kenntnisse in Fragen der Organisationsentwicklung, des Rechnungs- und Haushaltswesens, des Projektmanagements, des Controllings und der Personalführung sollten in den Leitungsebenen aller Gerichte vorhanden sein. Auf diese Bereiche werden daher in Zukunft in Aus- und Fortbildung deutliche Schwerpunkte zu setzen sein. So ist es z.B. erforderlich, daß bereits im Rahmen der Rechtspflegerausbildung Qualifizierungen für Verwaltungstätigkeiten erworben werden können. Denkbar für die Rechtspflegerausbildung wäre auch eine Basisausbildung mit einer anschließenden Spezialisierungs- und Vertiefungsphase. Entsprechende Schulungen und Fortbildungsmöglichkeiten müssen auch für Richter, die Verwaltungsaufgaben übernehmen wollen, angeboten werden. Eine erfolgreiche und umfassende Schulung sollte Voraussetzung für die Übernahme einer Leitungsposition in der Verwaltung sein. Bei künftigen Auswahlentscheidungen muß der "Verwaltungsqualifikation" eine maßgebliche Bedeutung beigemessen werden.

Im übrigen soll auf folgendes hingewiesen werden:

Die Erfahrungen mit dem Einsatz von Mitarbeitern, die nicht aus dem Bereich der Justiz stammen, sind durchaus nicht nur erfolgversprechend gewesen. Ich verweise insoweit z.B. auf Berichte der Vizepräsidentin des Landgerichts Assen, Frau Tragter-Schubert. Es erweist sich immer wieder, daß die Einarbeitung in die Besonderheiten der Justiz, die eben nicht mit der klassischen Verwaltung zu vergleichen ist, sich schwierig gestaltet. Hier kommt es zu Reibungsverlusten, die bei dem oben skizzierten "Qualifizierungsmodell" vermieden werden können.

So manche Reform wird verhindert- jedenfalls aber deutlich erschwert - durch Rahmenbedingungen, auf die die Gerichte keinen Einfluß haben. Ich nenne hier als Beispiele nur das Tarif- und Besoldungsrecht und die analytische Dienstpostenbewertung. Wenn also ein Reformprozeß innerhalb der Justiz politisch wirklich gewollt ist, müssen die Rahmenbedingungen in die Gesamtbetrachtung mit einbezogen werden.

Der Hamburgische Richterverein steht selbstverständlich für eine mündliche Anhörung vor dem Rechtsausschuß gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Raabe"

Hinweis:

Möglicherweise wird der Rechtsausschuß dazu im Herbst eine mündliche Anhörung abhalten. Es dürfte lohnen, dem Austausch der Argumente aufmerksam zu lauschen.

Günter Bertram