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Ein Brief aus Frankfurt

Kollegin Heidemarie Renk zu MHR 2/97

Sehr geehrte Redaktionsmitglieder,

einiges sachlich Falsche an diesem Artikel möchte ich (Mitglied des Bezirksrichterrats in Hessen) doch nicht so stehen lassen, weil es ein wenig darauf hinausläuft, die Aktivitäten der hessischen Richterschaft als recht unsinnig erscheinen zu lassen. Dort hat man sich aber doch bei der Verfolgung des Mitbestimmungsrechts hinsichtlich der Personalbedarfsbemessung etwas mehr gedacht als der Artikel suggeriert.

Der damalige Bezirksrichterrat wollte nicht etwa die "Pensenzahlen" vom Tisch haben, sondern strebte in Einzelpunkten eine andere Bewertung der Personalbedarfsbemessungszahlen an als das Ministerium. Dieses wollte seinerseits darauf nicht eingehen, so daß die Sache zur Einigungsstelle kam. Nachdem die Mitglieder der Einigungsstelle (3 Richter, 3 Vertreter des Ministeriums) sich nicht auf die Person eines unabhängigen Vorsitzenden - der als weiteres Mitglied hinzutreten muß - einigen konnten, wurde ein solcher durch die dafür zuständige Stelle (den Vorsitzenden der Landespersonalkommission, § 71 HPVG) bestimmt. Keineswegs war dieser so bestimmte Vorsitzende ein "Ministerialbeamter", wie es in dem Artikel heißt. Es handelte sich vielmehr um den damaligen Regierungspräsidenten von Darmstadt, Dr. Daum.

Ein gravierender Fehler in dem Artikel besteht darin, daß mehrfach von den Gründen die Rede ist, mit denen "die Einigungsstelle" den entsprechenden Beschluß gefaßt hat. Das ist irreführend, denn es legt den Schluß nahe, als hätten die richterlichen Mitglieder am Zustandekommen und Inhalt dieser Gründe, wie sie einzig und allein von Dr. Daum niedergelegt wurden, mitgewirkt. Selbstverständlich hätte der Beschluß, der nur in seinem Tenor ein gemeinsam getragener war, niemals diese Begründung erhalten, hätten die richterlichen Mitglieder der Einigungsstelle daran mitzuwirken gehabt.

Die hessische Richterschaft, der Bezirksrichterrat, hat nach wie vor nichts gegen Personalbedarfsbemessungszahlen. Indes hat sich das Justizministerium in der Vergangenheit geweigert, sich hinsichtlich der einzelnen Zahlen zu bewegen, und tut es dies heute noch, weil es sich strikt - trotz mehrfachen Angebots - nach Erlaß des Beschlusses der Einigungsstelle geweigert hat, mit dem Bezirksrichterrat nachzuverhandeln und gemeinsame Zahlen zu finden. Der Pyrrhussieg ist deshalb wohl kaum dem Umstand anzulasten, daß die hessische Richterschaft von ihrem Mitbestimmungsrecht Gebrauch machte.

Merke: Nicht immer, wenn die Hessen dumm dastehen, sind sie selbst daran schuld!

Mit freundlichen Grüßen

 

Heidemarie Renk

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Entgegnung zum Leserbrief von
Frau Dr. Renk vom 12.06.1997:

Daß "die Einigungsstelle" den Beschluß gefaßt hat, "suggeriert" nicht eine Zustimmung der richterlichen Mitglieder der Einigungsstelle auch hinsichtlich der Beschlußbegründung; gerade deshalb war in meinem Artikel erwähnt, daß nur 3 der 7 - nach außen zur Verschwiegenheit hinsichtlich ihres Abstimmungsverhaltens verpflichteten - Mitglieder Richter waren.

Daß der Beschluß aus der Feder des Regierungspräsidenten stammte und der zuständige Bezirksrichterrat mit den Gründen nicht vollen Umfangs einverstanden war, ist bereits seit langem bekannt (vgl. die in meinem Artikel angegebene Fundstelle DRiZ 1996, 283, 285).

Das ändert nichts daran, daß der Beschluß - nur, aber vollen Umfangs einschließlich der Begründung - der Einigungsstelle als solcher zugerechnet wird (vgl. BVerwG ZBR 1989, 15; HessVGH ZBR 1984, 284).

Da Frau Dr. Renk sich in ihrem Leserbrief nicht gegen meine Kritik am Inhalt des Beschlusses der Einigungsstelle wendet , besteht insoweit offenbar Übereinstimmung.

Unbeschadet des Vorstehenden wird das bekannte Engagement der hessischen Richterkollegen um den Pensenschlüssel in Hamburg nach wie vor mit Dank begrüßt, und zwar selbstverständlich auch, soweit es im Einzelfall einmal nicht von Erfolg gekrönt ist oder soweit einzelne Argumente diskussionsfähig sind.

Wolfgang Hirth