(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/95) < home RiV >
"Umzug der Bundesgeschäftsstelle nach Berlin"
Ein Plädoyer

Der Umzug des Bundestages und der Bundesregierung von Bonn nach Berlin ist beschlossene Sache. Auch der Zeitpunkt ist bereits konkreter bestimmbar, für das Bundesministerium der Justiz wohl spätestens das Jahr 2000, eher früher. Wie Ihnen bekannt ist, befindet sich die Geschäftsstelle des DRB noch in Bonn. Es gibt aber m.E. keinen Zweifel an der Notwendigkeit, mit dieser ebenfalls nach Berlin umzuziehen.

So bequem der Gedanke ist, doch alles beim Alten zu lassen, so falsch ist er auch. Dahinter steht bei manchem die Meinung, der DRB tue sowieso kaum etwas, und das wenige, was getan werde, könne genausogut von Bonn aus geschehen. Im übrigen lebe der Dachverband "großmannssüchtig" nur auf Kosten der Mitglieder. Hinter solchen Ansichten steckt nicht mehr und nicht weniger als Ignoranz, zumindest aber tiefste Unwissenheit über die wahren Verhältnisse. Als Mitglied des Bundesvorstandes habe ich einen guten Einblick in die Arbeit der Bundesorgane, insbesondere des Präsidiums und der Bundesgeschäftsstelle. Auch in meiner täglichen Verbandsarbeit für den BRV bin ich in erheblichem Maße auf die gute Arbeit in Bonn angewiesen. Mögen die Landesverbände noch so viel leisten, sehr wesentliche Themen, die für uns Richter und Staatsanwälte von Gewicht sind, werden letztlich auf Bundesebene entschieden. So konnten wir u.a. als BRV zwar bei der bayerischen Staatsregierung Vorschläge zu Prozeßrechtsreformen aus unserer Sicht zur Diskussion bringen, angesichts der bundesrechtlichen Natur dieser Reformen kommt es aber - wie bei fast allen Gesetzesvorhaben - letztlich auf die gute Arbeit des DRB und seiner Organe an, die allein es sind, die uns gegenüber der Bundesregierung und gegenüber dem Bundestag vertreten. Die gleiche Problematik gilt übrigens für den so wichtigen Bereich der Besoldung und Versorgung.

Ich kann Ihnen zu meiner vollen Überzeugung nur versichern, daß vom DRB und insbesondere seinem Vorsitzenden hervorragende Arbeit geleistet wird. Die Berichte in der Deutschen Richterzeitung können hierüber nur unzureichend Aufschluß geben. Diese Arbeit ist aber nur möglich, wenn insbesondere die Mitglieder des Präsidiums und der Bundesgeschäftsführer im wahrsten Sinne des Wortes "präsent" sind, wenn sie die alles entscheidenden persönlichen Kontakte herstellen und erhalten, ohne die nichts, aber auch gar nichts läuft. Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß mit schönen Briefen letztlich nichts erreicht wird. Auch unser Erfolg hinsichtlich der Stellenhebungen, die manchem Kollegen wohl Freude gebracht haben, wäre ohne diese persönlichen Gespräche schlechterdings nicht möglich gewesen. Ich halte deshalb einen Umzug nach Berlin für absolut unverzichtbar. Auch unsere bayerischen Mitglieder im Präsidium teilen diese Ansicht voll. Es war in der Vergangenheit schwierig genug, unserem Richterbund angesichts der relativ kleinen "Klientel", die er repräsentiert, in Bonn ein ganz beachtliches Gewicht zu schaffen. Es wäre töricht, das Erreichte mit provinziellen Bedenken wieder aufs Spiel zu setzen. Die Bundesvertreterversammlung hat auch am 24. März 1995 in Hamburg mit erdrückender Mehrheit (284 : 8 : 3) den Tendenzbeschluß gefaßt, den Verbandssitz nach Berlin zu verlegen. Eine endgültige Entscheidung muß jedoch die nächste Bundesvertreterversammlung treffen.

Wenn Sie mir - was ich hoffe - bis hierher gefolgt sind, dann muß konsequenterweise auch der zweite Schritt gemacht werden. Es versteht sich von selbst, daß ein solcher Umzug nicht zum Nulltarif möglich sein wird. Hier spielen zum einen die relativ hohen Grundstückspreise in Berlin eine Rolle, zum anderen die wohl nicht zu vermeidende Zwischenfinanzierung. Das bisherige Haus in Bonn kann erst nach Erwerb eines Anwesens in Berlin verkauft werden. Der Kauf in Berlin muß außerdem wohl früher erfolgen als im Jahre 2000, dann nämlich, wenn sich bereits vorher eine günstige Gelegenheit bieten sollte, zumal die Immobilienkosten zeitnah mit dem Umzug der Bundesregierung erheblich steigen werden. Eine Kommission des DRB hat einen Kostenaufwand bis 300 qm Bürofläche (die wirklich gebraucht wird!) von ca. 2 Mio DM geschätzt, wovon ca. 1 Mio DM durch den Verkauf des Bonner Hauses gedeckt wäre. Berücksichtigt man noch Zwischenfinanzierungskosten, Grunderwerbsteuer, Notar u.a., so wären ca. 1,5 Mio DM zu finanzieren. Bei rund 14.000 Mitgliedern wären dies pro Kopf ca. 110,-- DM, unter Einbeziehung eines Sicherheitszuschlages 120,-- DM. Diesen Betrag pro Mitglied hätte jeder Landesverband an den Bund - zweckbestimmt - abzuführen, und zwar in vier Jahresraten, so daß jährlich pro Mitglied 30,-- DM anfielen. Einem solchen Umlageverfahren haben Bundesvorstand und Bundesvertreterversammlung in einem Tendenzbeschluß ebenfalls ausdrücklich zugestimmt. Auch hier steht aus Satzungsgründen die endgültige Entscheidung noch aus. Nur am Rande möchte ich erwähnen, daß sowohl ein langfristiges Finanzierungsmodell wegen des zu hohen und zu ungewissen Zinsaufwandes als auch eine bloße Anmietung als auf längere Zeit unwirtschaftlich abgelehnt wurden.

Die Bundesvertreterversammlung wird 1996 abschließend hierüber entscheiden, wobei es aber im Falle eines Umzugs Ländersache bleiben wird, wie jeweils die dem einzelnen Landesverband auferlegte Jahresrate finanziert wird. So kann durchaus darüber diskutiert werden, ob und inwieweit z.B. Pensionisten ausgenommen werden können. Die Landesvertreterversammlung im März 1996 in Bamberg muß hierüber entsprechend § 11 Nr. 6 der Satzung beschließen. Die einzelnen Bezirke und später der Landesvorstand werden im Vorfeld darüber zu beraten haben, auch wenn die Delegierten keinem imperativen Mandat unterliegen.

Lassen Sie mich zum Schluß wieder ein persönliches Plädoyer aufnehmen und herzlich an Sie appellieren:

Stimmen Sie einem Umzug nach Berlin zu und damit notwendigerweise auch einer Umlagefinanzierung. Man kann nicht nach dem Motto "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß" für den Wechsel nach Berlin stimmen, aber Kostenbeteiligung ablehnen. Mit der letzten Beitragserhöhung kurz nach der "Wende" mußten schon die erheblichen und so nicht erwarteten Mehrkosten im Zusammenhang mit dem Beitritt der neuen Länder finanziert werden. Es lag und liegt auf der Hand, daß mit dem vorhandenen Beitragsaufkommen nicht auch noch der damals noch gar nicht konkretisierte Umzug nach Berlin aufgefangen werden kann. Ich weiß, daß der Spaß aufhört, wenn es um Geld geht. Manche im Landesvorstand fürchten zahlreiche Austritte von Kolleginnen und Kollegen, wenn Ihnen die 30,-- DM jährlich auf die Dauer von vier Jahren abgefordert werden. Ich kann es aber einfach nicht glauben, daß man seinen einzigen Berufsinteressenverband wegen eines solchen Betrages verläßt, der gerade zwei guten Bocksbeuteln oder nicht einmal einer halben Tankfüllung entspricht. Denken sie bitte auch daran, daß einige für den Verein und damit die Interessen der Mitglieder viel mehr geben als Geld, nämlich fast ihre ganze ohnehin knapp bemessene Freizeit. Es muß doch möglich sein, daß man dann wenigstens für eine notwendige Sache auch ein paar Mark - viel mehr ist es doch nicht - "springen läßt" (monatlich 2,50 DM, täglich ca. 8 Pfennige). Sie werden ohnehin in Deutschland kaum einen Berufsverband finden, der seinen Mitgliedern so wenig abverlangt. Und wenn einer sagt, der DRB oder der BRV täte sowieso nichts, dann ist dies eine leichtfertige Unterstellung. Mag auch viele Mühe umsonst sein, wo ständen wir aber ohne sie?

Ich hoffe, sie verzeihen mir mein offenes Wort, aber ich kann meine Überzeugung in den nächsten Monaten nicht in allen Bezirken persönlich vortragen und es hängt sehr viel von einer verantwortungsvollen Entscheidung ab. Ich bitte Sie herzlich, uns deswegen nicht den Rücken zuzukehren, sondern im Gegenteil die Arbeit des Vorstandes zu unterstützen. Im Gegenzug verspreche ich Ihnen, auf Bundesebene alles, aber auch alles zu tun, daß die Kosten eines Umzuges so gering wie möglich gehalten werden;

die 2 Mio Immobilienkosten sind für mich nach unten noch nicht das letzte wort. Im übrigen bin auch ich der Ansicht, daß hier angemessene Bescheidenheit gefordert ist, um die Mitglieder so gering wie möglich zu belasten. Ich rechne fest mit Ihrer Unterstützung.

Manfred Kleinknecht"

 

Eine Rückfrage bei der Bonner Geschäftsstelle hat jetzt ergeben, daß auch nach dem neuesten Stand der Erwägungen und Berechnungen die Verlegung nach Berlin im Falle des Grunderwerbs, unter Abzug eines geschätzten Erlöses für das Haus in Bonn, alles in allem, Zwischenfinanzierung eingeschlossen, im Ergebnis noch ca. 1,5 Mio DM kosten würde. Dann entfielen, wie von Kleinknecht vorgetragen, bei einer undifferenzierten Umlage im "Einmalverfahren", auf jedes Mitglied ca. 120,-- DM.

Was ist zu tun? Darüber wird in den Landesverbänden sehr bald zu debattieren sein. Fest steht aber, daß umgezogen werden muß und dies - übrigens auch im Falle einer Miete - die den Deutschen Richterbund auf die Dauer sicherlich sogar teurer zu stehen käme - mit erheblichen Aufwendungen verknüpft ist.

Der Hamburger Vorstand hat sich am 23. November d.J. mit dem Thema beschäftigt und es auf die Tagesordnung der kommenden Mitgliederversammlung im Februar 1996 gesetzt. Jan Grotheer, der an der Meinungsbildung im Präsidium des Deutschen Richterbundes teilgenommen hat und das Terrain gut kennt, wird berichten.

Der Hamburger Vorstand ist letztlich zu der Auffassung gelangt, daß die Erwerbslösung den Vorzug vor einer Anmietung verdient, weil dafür die größere wirtschaftliche Vernunft spricht, so daß wir - so unangenehm das Beschreiten dieses Weges im Augenblick ist - doch wohl "in diesen schmerzlichen Apfel beißen müssen", um einen hübschen Versprecher Inga Schmidt-Syaßens aus der Vorstandssitzung zu zitieren. Dort neigte man dazu, der Mitgliederversammlung (aus Gründen, die i.e. zu erläutern sein werden) das "Einmalverfahren" (also den Versuch, den auf Hamburg umgelegten Betrag "in einem Stück" aufzubringen) zu empfehlen. Natürlich sind Alternativen, Varianten und viele Einzelheiten diskutabel: Darüber also dann im Februar 1996!

Günter Bertram