(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/94) < home RiV >
Das Mahnmal zum Gedenken an die Untaten der NS-Justiz

Laut Mitteilung von Frau Wiedemann (MHR 3/94 und Schreiben an die Mitglieder der Arbeitsgruppe vom 9.8.94) haben die Mitglieder der interbehördlichen Arbeitsgruppe beschlossen, daß das Mahnmal "in Form einer gärtnerischen Lösung entstehen" soll. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe sind sich einig, daß dies eine "würdige und zurückhaltende" und eine "dem Etat der Stadt angemessene" Lösung ist.

Das klingt nach Beerdigung und nach der Planung des Grabschmucks. Was heißt hier "gärtnerische Lösung"? Pflanzen statt steinerer oder metallener Mahnung?

Wie kann durch Rasen, Blumen, Büsche oder Bäume das notwendige Erinnern ausgelöst werden, das Erinnern an die Einschüchterung und Unterdrückung durch unsere Amtsvorgänger, an ihre willkürlichen Verhaftungen, die von ihnen geduldete oder sogar geförderte Folter, an ihre menschenverachtenden Gerichtsverhandlungen und das Erinnern an die justizförmige Ermordung der Täter von Bagatell-Delikten und der politischen Gegner?

Wie können Pflanzen uns zum Nachdenken darüber bringen, in welchen Situationen heute StaatsanwältInnen und RichterInnen in Gefahr sind, ihr Amt zu mißbrauchen? Bequemlichkeit und Dummheit, Ignoranz und Intoleranz, Bösartigkeit und Zynismus sind auch in der Justiz der Bundesrepublik nicht völlig verschwunden und letztlich wohl eine Versuchung für jeden von uns.

Eine gärtnerische Lösung würde zwar der Entspannung, der Erholung und Regeneration und damit auch unserer richterlichen Ausgeglichenheit und der Qualität der Rechtsprechung dienen, es fällt jedoch die Vorstellung schwer, ein Garten könnte uns an den auch von Juristen mitgetragenen NS-Unrechtsstaat mahnen. Das könnten vielleicht die Gärten von Neuengamme oder Birkenau, wenn es sie denn gegeben hat. Dem Sievekingplatz fehlt die Schmerz und Trauer auslösende historische Dimension.

Eine gärtnerische Lösung, preiswert und mit der gebotenen Zurückhaltung - das bedeutet das Vermeiden jeder Betroffenheit auslösenden bildnerischen Aussage, es bedeutet ein klein wenig Erinnern, bloß nicht zu viel, um unsere Selbstgefälltigkeit nicht zu erschüttern.

Das war's dann wohl. Nach jahrelanger Diskussion und Planung Punkt und Streusand drüber, mit hanseatischer Zurückhaltung ein paar Blumen aufs Grab und Friede der Asche der Opfer.

Bernd Hahnfeld