Nicht jeder steht sie durch, die Exkursionen im wissenschaftlichen Besuchsprogramm des Oberlandesgerichts. Die Zeiten, in denen man es sich in der Holstenbrauerei wohl sein ließ, sind vorbei. Es ist nur an die kleine, aber um so verschworenere Schar zu erinnern, die sich bei anheimelndem heimischen Landregen im Botanischen Garten um Professor Weber versammelte - bei bester Stimmung übrigens. Seitdem wissen wir, daß man das beliebte standortgerechte Kraut "Giersch" am besten durch Aufessen vernichtet. So machte sich denn in diesem Juni eine entschlossene Mann/Frauschaft auf - diesmal in den Duvenstedter Brook.
Unter der Führung zweier sachkundiger Vertreter des Naturschutzbundes (NABU), der Herren Spitzenberger und Otto, geplagt von gierigen Mücken, vor allem aber entschlossen, dem Regen zu trotzen, erlebten die wetterfesten Wissensdurstigen einen spannenden Spaziergang im Frühlingsregen.
Der Duvenstedter Brook ist mit 780 ha das zweitgrößte Naturschutzgebiet Hamburgs. Durch die Verlandung eines eiszeitlichen Stausees entwickelte sich eine Tundra, die anschließend verwaldete. Durch die Ausbreitung von Hochmoorflächen wurde die in Mitteleuropa sonst zu erwartende vollständige Entwicklung zum Wald gestoppt. Der Name Brook (= Bruch) leitet sich von den Birken- und Erlenbruchwäldern her.
Das für den Torfabbau und Forst-und Landwirtschaft genutzte Gelände wurde 1958 unter Naturschutz gestellt. Rückstaumaßnahmen in den Moorsenken und die Renaturierung der Bachläufe bewirkten eine großflächige Wiedervernässung und ließen eine Naturlandschaft wiedererstehen, in der Dachs, Kranich, Moorfrosch und eine Vielfalt von Vögeln zu Hause sind. Und nicht nur diese, wie wir später sahen.
Mit leichten Meinungsverschiedenheiten bei der Bestimmung der Art machten uns die beiden Naturschützer auf die singende Vogelwelt aufmerksam - und tatsächlich hörten wir auch, wie versprochen, den Pirol. Am Waldrand, einige hundert Meter vor uns, tauchten plötzlich zwei massige, dunkle Tiergestalten auf - wir konnten es kaum glauben: Durch die Ferngläser sahen wir zwei gewaltig große Keiler, Wildschweine von Gestalt und Größe weit jenseits der zarten Bachen mit den kleinen gestreiften Tierchen, die man in Wildgehegen sehen kann. Safarigefühl in Hamburg.
Sehr animiert von diesem Glücksfall erreichten wir das Informationshaus des NABU, vor dem ein kunstgerechter Teich angelegt ist. Zur Begrüßung quakte unermüdlich ein Wasserfrosch. Das Informationshaus Duvenstedter Brook wurde 1983 eröffnet. Bilder und Vitrinen mit Tier- und Pflanzenpräparaten veranschaulichen die verschiedenen Lebensräume mit ihren typischen Tieren und Pflanzen. In einem Aquaterrarium werden lebende Ufer- und Teichorganismen gezeigt. Der NABU hält eine Fülle von Informationsmaterial und Büchern bereit. Sie wollen wissen, was Sie für den Igel in ihrem Garten tun können, warum wir Streuobstwiesen schützen und anlegen sollten, wie man Dächer begrünt, wie Baumschutzsatzungen beschaffen sein sollten, welche einheimischen Sträucher Ihre Gartenvögel zu schätzen wissen? Bitte, alles das und noch mehr erfahren Sie ohne Mühe.
Die Neugier auf die Kraniche lenkte nun unsere Schritte in Richtung auf die Kranich-Beobachtungsstation. Aber welch' rücksichtsvolle und verständige Tiere diese Kraniche doch sind! Unzweifelhaft wegen des Wetters kamen uns Kranicheltern bis auf eine kurze Distanz entgegen und zeigten ihren fünf Wochen alten Jungkranich, dessen flaumweicher Kopf auf langem Hals aus dem hohen Gras ragte. Die Vögel nahmen uns wahr, waren aber nicht beunruhigt. In Reservaten weiß man die Beschränkung der Gaffer auf die Wege zu schätzen.
So konnten wir uns nach ausgiebiger Beobachtung auf den Rückweg machen. Und dann überkam uns doch ein leichtes Gruseln: Wieder am Waldrand tauchten die beiden Wildschweineber erneut auf. Sie waren diesmal in Begleitung von vier kleineren Tieren und bildeten ein eindrucksvolles Bild, das wir als Erinnerung an eine vergangene Zeit nehmen können, in der es um Hamburg herum überall noch Platz genug gab für Mensch und Tier.................
P.S. Gegen die Mücken empfiehlt der NABU in Notfällen (Keine Apotheke, Autan vergessen, kein Nelkenoel zur Hand, Lavendeloel ausgegangen) zerriebene Goldraute vom Wegesrand.
Karin Wiedemann