(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 3/94) < home RiV >
Das Mahnmal auf dem
Sievekingplatz

Wie berichtet, fand im vorigen Oktober unter der Leitung des damaligen Amtsleiters Raben ein Behördengespräch über die Errichtung des Mahnmals für die Opfer nationalsozialisticher Justiz und die Umgestaltung des Sievekingplatzes statt. Auch Herr Raben, wohl der fünfte Amtsleiter seit Gründung der Initiative, verließ die Allgemeine Verwaltung der Justizbehörde und wandte sich anderen Aufgaben zu. Als in der Folgezeit keinerlei Rückmeldungen erfolgten, trat im Mai die Projektgruppe Mahnmal erneut an die Behörde heran. Das Ergebnis war nun ein weiteres Gespräch mit Behördenvertretern im Juli 1994. Diesmal erschienen außerordentlich engagierte Mitarbeiter der beteiligten Behörden - man muß es sich noch einmal auf der Zunge zergehen lassen, es wirken mit: Justizbehörde, Kulturbehörde, Stadtentwickungsbehörde, Baubehörde, Umweltbehörde, Bezirksamt Hamburg-Mitte, Parkverwaltung Planten und Blomen. In dieser Besprechung gelangt es endlich, auch die Notwendigkeit der Umgestaltung des Platzes in das Bewußtsein der Beteiligten zu bringen. Die Stadtentwicklungsbehörde hat nunmehr bemerkt, daß es hier etwas zu entwickeln gibt - wenn man historische Bilder des Platzes betrachtet, war dies schon immer offenkundig. Als erste Maßnahme wird der Zaun am Weg zwischen Straf- und Ziviljustizgebäude versetzt werden, sodaß überhaupt Raum für eine Gestaltung geschaffen wird. Hierfür hat sich jetzt die von der Projektgruppe favoritisierte sogenannte botanische Lösung durchgesetzt. Wir werden kein bauliches Denkmal auf dem Sievekingplatz erleben, vielmehr soll angeknüpft werden an uralte Gerichtstraditionen. Ein Baum oder ein anderes, von einem Künstler gestaltetes Grünobjekt und seine Umgebung werden das Gedenken an die Opfer nationalsozialistischer Justiz tragen. Diese/r Künstler/in wird die Aufgabe erhalten, auf dem Sievekingplatz eine kleine, abgegrenzte Fläche zu schaffen, auf der mit pflanzlichen Mitteln ein "Mahn-Mal" entsteht. Als sinnvolles Datum der Bestimmungsübergabe bietet sich der 50. Jahrestag der Beendigung nationalsozialistischer Herrschaft an, der 8. Mai 1995. Mit einer botanischen Lösung ist dieser Termin einzuhalten. Die Mitglieder der Projektgruppe - und nun hoffentlich auch Sie - sehen der Verwirklichung mit Spannung entgegen. Eine leise Skepsis bleibt angesichts des bisherigen Ablaufs durchaus angebracht.

Angesichts der nunmehr klaren Planung wäre es allerdings kaum verständlich, wenn es nicht gelänge. Die Notwendigkeit, sich immer wieder neu der moralischen und rechtlichen Maßstäbe für unser Tun zu besinnen, wurde jüngst mit der zumindest befremdlichen Urteilsbegründung im Mannheimer Prozeß gegen den Neo-Nazi Deckert deutlich. Wenn aus Gesinnung oder Instinktlosigkeit in den Gründen eines Urteils ein verblendeter Rechtsfanatiker als "charakterstarke Persönlichkeit" bezeichnet wird und bierselige Stammtischparolen eine Strafmaßbegründung prägen, darf sich niemand in Sicherheit wähnen. Aufklären und Besinnen sind aktuelle Aufgaben.

Karin Wiedemann