(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 1/94) < home RiV >
Selbstzitat

Vor just zwei Jahren stand hier (MHR 1/92 S. 19 ff.) zu lesen, was Hamburger "Leihbeamte" in Dresden aus der sächsischen Justiz zu berichten wußten. Daß diese "Städteverbindung" später (zum Jahresende 1993) für die Hamburger Rechtspflege eine seinerzeit schlechterdings unvorhersehbare Aktualität gewinnen sollte, steht auf einem Blatt für sich; davon jetzt nichts.

Aber auch ein anderes verdient, dem Orkus des Vergessens entrissen zu werden: dort findet sich eine Bemerkung, die - im Zusammenhang mit dem psychologisch und moralisch so außerordentlich delikaten Problem der früheren "Ostrichter" (wer kann, muß und will sich selbst zum Richter aufschwingen über sie !?) - eher beiläufig gemacht wird:

"...., hat sich der Minister Steffen Heitmann, selbst Ostjurist und ehemaliger Oberkirchenrat (anders als - wie man sagt - andere Minister in den neuen Bundesländern) mit sehr viel Fingerspitzengefühl und menschlichem Ver-ständnis bemüht, die Verunsicherung der zu "prüfenden" Richter und Staatsanwälte auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Überhaupt hat er, selbst Dresdener und niemals in der Partei gewesen, vor allem durch seine Tätigkeit als anwaltlicher Berater der "Gruppe 20" kurz vor der Wende, große Resonanz in der Bevölkerung. Seine Gesprächspartner in der politischen Führung dürfte er durch seine stets treffenden Bibelzitate erheblich verunsichert haben."

Non multa sed multum: nur wenige Worte, aber von Substanz! Inhaltsvoller jedenfalls, erhellender und wichtiger als all' die Sturzbäche publizistischer Wichtigtuerei und wiederkäuender Geschwätzigkeit - von purer Bösartigkeit, dreister Anmaßung und augenzwinkernder Selbstbeweihräucherung zu schweigen - , die sich über den sächsischen Justizminiser Steffen Heitmann monatelang ergossen haben. Um Wiedergutmachung, soweit überhaupt menschenmöglich, müssen die publizistischen Schmäher und "Spaßmacher" (denen der Begriff "Schreibtischtäter" geradezu auf den Leib geschneidert ist) sich selbst bemühen. Aber auch die schlichte geschichtliche Wahrheit ist ein eigener Wert, sorgsam zu pflegen und entschlossen zu verteidigen. Deshalb das Zitat aus eigener Chronik, ein Aufrufen solcher, die man heute "Zeitzeugen" zu nennen pflegt. Zwar ist die schiere Quantität verflossener Jahre hier nur lächerlich gering. Aber nicht sie, sondern die offenbare Unbefangenheit gibt den Ausschlag und macht den Zeugen tauglich. Kein "Parteivortrag" also, denn damals (1991/92) ahnte kein Mensch etwas von dem makabren Theater, das dann im nächstfolgenden Jahr auf der Bühne "Deutsche Einheit" aufgeführt werden sollte.

Günter Bertram