(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/93) < home RiV >
Entlarvte Hasen

Der Kollege Wolfgang Landsberg schreibt uns:

"Betr.: Schneider "Frauen in der Justiz" MHR 3-93

Schneider scheint der Meinung zu sein, es sei für die Gleichstellung der Frauen inzwischen doch eine ganze Menge geschehen. Eindrucksvoll widerlegt ihn da seine eigene Fußnote 4. "Weihnachtsmänner im Sinne der Verordnung", so lese ich da, "sind auch Oberhasen". Da sieht man es doch wieder. Während also die Weihnachtsfrauen - ohnehin eine verschwindende Minderheit - anscheinend mit den simplen Hasen auf eine Stufe gestellt sind, werden die Weihnachtsmänner ohne weiteres den Hasen im Beförderungsamt, den sog. Oberhasen, gleichgestellt. Und da spricht man von Gleichberechtigung. ...

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Landsberg"

Das Pilzwurzelgeflecht

Als ich diese Zuschrift in Händen hatte, habe ich mir erst einmal das letzte Mitteilungsblatt gegriffen, kopfschüttelnd und ungläubig: aber da stand's geschrieben, wirklich - schwarz auf weiß! Eine peinliche, ja schlimme Sache. Um die Betroffenheit in schickliche Worte zu bringen: "Wie gehen wir nun damit um ?!"

Wir sind so kühn, darauf zu bauen, daß man (und frau) uns die Versicherung abnimmt, die Tat sei keine vorsätzliche gewesen. Aber damit ist erst wenig gewonnen. Vielleicht nicht die schlimmsten, aber gewiß die interessantesten Sünden sind die unbewußten, deren tieferer Sinn sich oft erst, dann aber geradezu dramatisch, offenbart, wenn der Delinquent ein Weilchen auf der Couch gelagert war. Wer hat hier in Wirklichkeit und im Grunde was gedacht und gewollt? Als Kavalier geniere ich mich, mit dem Hinweis zu beginnen, daß man mich nicht angucken möge, jedenfalls nicht als ersten. Denn ich habe hier gar nichts geschrieben. Zugeschrieben hatte Herr Schneider; aber der muß jetzt außen vor bleiben, denn bei ihm stand ja ganz richtig ein "s". Wer hat daraus das fatale "b" gemacht?! Ich mag es kaum sagen, es klingt so denunziatorisch und für mich bequem: eine Frau! Unsere allseits hoch geschätzte "Chefsekretärin" Frau Hamann. Wer nun aber meint, dann gäbe es ja gar keine Probleme, und der Verdacht des "Chauvinismus" sei klärlich ausgeräumt, der verkennt die trickreiche Verschlungenheit des psychischen Myzels (=Pilzwurzelgeflechts), das hier möglicherweise der Analyse harrt. Es ist ja gerade das Verdienst des Artikels (MHR 2/93 S. 23), der am Anfang aller Kalamität gestanden hat, uns die Augen dafür geöffnet zu haben, daß die bedenklichsten Antifeministinnen in rein objektiver Hinsicht in den eigenen Reihen zu suchen sein könnten. Ihre innere Disposition, sich der Männerwelt zu unterwerfen, war sein Thema, sein Dreh- und Angelpunkt. Ich getraue mich nicht, die Sache zu vertiefen; denn bei folgerichtiger Prüfung stieße man über kurz oder lang auf die Frage, ob es nicht etwa die geistig-ideologische Ausstrahlung des Chefs gewesen sein sollte - sozusagen sein "Fluidum" -, das den schreibenden Damenfinger so unglücklich auf die falsche Taste hat niedersinken lassen. Nein: der Chef hat genug Sorgen - nach allem, was war; da sollten wir in solchen Subtilitäten lieber nicht weiter herumbohren.

Ich muß nun zu mir selbst kommen und streue Asche auf mein Haupt: Ich bekenne, flüchtig, zu flüchtig Korrektur gelesen zu haben. Natürlich kann nun die Frage nicht ausbleiben: "Mein lieber Freund, warum warst du so flusig, wo du es doch nicht sein wolltest? Unter die Schwelle - auf die Couch!"

Ich eile also, den schwarzen Peter weiterzuschieben, und zwar wiederum an ein weibliches Wesen, unsere wegen mancherlei Aktivitäten so verdiente Kollegin Karin Wiedemann. Bei der von ihr besorgten Fertigstellung des Heftes hätte sie bei gehöriger Sorgfalt den Fehler entdecken können und müssen....

Welchen Vers ergibt das? Ich will keinen Streit in unserer kleinen Redaktion entfachen, indem ich mein psychoanalytisches Dilettieren in sie hineintrage. Wir erteilen statt dessen reihum einander Generalquittung und machen weiter - nicht ohne Dank an unser aufmerksames Publikum, dessen Einwürfe - wie man sieht -von ungeahnter Fruchtbarkeit sein können.

Günter Bertram

Von Obermännern und Weihnachtshasen.

Um die vorstehende, erregende gesellschaftspolitische Debatte um die zu Oberhasen beförderten Weihnachtsmänner - das psychische Myzel der Männerwelt am Sievekingplatz tangierend, wie wir bei Bertram lernen - nicht ganz den davon so begeisterten Männern zu überlassen, möchte ich die Debatte um einen kleinen Hinweis auf ein bekanntes Wettrennen in einer Kleinstadt nahe Hamburg zwischen einem (Ober)hasen, einem kleinen wehrhaften Säugetier und dessen hilfreicher Ehefrau bereichern. Sie ahnen es: Die Geschichte ist schon etwas älter.

Die Rolle, die unser Hase darin spielt, ist nicht dazu angetan, seiner klammheimlichen Beförderung durch Frau Hamann Gedanken an weibliche Unterwerfungswünsche zu unterlegen, wie sie sich den sonst so verdienstvollen Herren Bertram und Landsberg völlig ohne Grund aufdrängen. Im Gegenteil. Vorsatz liegt nahe. Der Hase sah "alt" aus in der Geschichte. Landsbergs und Bertrams Vermutungen entbehren deswegen jeder Grundlage: Frau Hamann als bedenkliche Antifeministin? Bertram nur als flusiger Lektor? Wiedemann mit fehlender Sorgfalt des Layouters? Nein: Die Beförderung des ausgestricksten Hasen zum Oberhasen ist subtile Ironie, von Hamann feinsinnig in der Fußnote versteckt, von Bertram natürlich entdeckt, von Wiedemann mit Vergnügen in die Druck gegeben.

Doch nun zur besagten Geschichte. Einzelheiten zum ökologischen Umfeld, wie die Tatsache, daß sie sich an einem sonnigen Herbstsonntagmorgen ereignete, just als der Buchweizen blühte, will ich nicht weiter ausschmücken.

Nicht versäumen wollen wir jedoch die Vorgeschichte, ein Kabinettstück der Darstellung verhängnisvoller Eitelkeit und Geltungssucht der Oberhasen und anderer Säugetiere.

Man macht einen Morgenspaziergang, der Hase - welchen Dienstgrades auch immer - und ebenso der Igel. Dann passiert das Folgende:

"Als der Swinegel des Hasen ansichtig wurde, bot er ihm einen freundlichen guten Morgen. Der Hase aber, der nach seiner Meinung ein vornehmer Herr war und grausam hochfahrig dazu, antwortete nichts auf des Swinegels Gruß, sondern sagte zum Swinegel, wobei er eine gewaltig höhnische Miene annahm: "Wie kommt es denn, daß du schon bei so frühem Morgen im Felde rumläufst?" - "Ich gehe spazieren," sagte der Swinegel. - "Spazieren?" lachte der Hase, "mich deucht, du könntest deine Beine auch wohl zu besseren Dingen gebrauchen." Diese Antwort verdroß den Swinegel ungeheuer, denn alles kann er vertragen, aber auf seine Beine läßt er nichts kommen, eben weil sie von Natur aus schief sind. "Du bildest dir wohl ein, " sagte nun der Swinegel zum Hasen, "daß du mit deinen Beinen mehr ausrichten kannst?" - "Das denke ich", sagte der Hase.- "Das kommt auf einen Versuch an", meinte der Swinegel, "ich wette, wenn wir wettlaufen, ich laufe an dir vorbei." - "Das ist zum Lachen, du mit deinen schiefen Beinen!" sagte der Hase, "aber meinetwegen mag es sein, wenn du so übergroße Lust hast. Was gilt die Wette?" - "Einen goldenen Lujedor und eine Buttelje Schnaps", sagte der Swinegel. - "Angenommen," sprach der Hase, "schlag ein, dann kann es gleich losgehen." - "Nein, so große Eile hat es nicht," meinte der Swinegel, "ich bin noch ganz nüchtern; erst will ich nach Hause gehen und ein bißchen frühstücken. In einer halben Stunde bin ich wieder hier auf dem Platze."

Wir bleiben sprachlos neben dem blühenden Buchweizen stehen. Ja, faßt man es: Die beiden spreizen sich, sie renommieren, sie schließen auftrumpfend eine höchst alberne Wette ab. Welche Lächerlichkeiten, bedenken wir das Ende!

Der Fortgang ist besser bekannt als diese hübsche, realitätsnahe Vorgeschichte: Der Igel trickst den Hasen aus. Wen braucht er dazu? Natürlich seine Frau. Der eitle Hase - kurz vor seiner Beförderung durch Frau Hamann zum nächstösterlichen Oberhasen oder gerade zum Oberhasen ernannt - läuft sich sinnlos zu Tode.

Wahr ist diese Geschichte natürlich - könnte man sie sonst erzählen? Dies alles geschieht auch noch kurz vor Weihnachten, wo das langbeinige Großohr doch als Weihnachtshase gebraucht würde. So wird nichts anderes übrigbleiben, als sich auf die stets mit beiden Füßen im Leben stehenden Frauen zu besinnen, bedarf es doch angesichts des hingeschiedenen Hasen einer Weihnachtsfrau, die dann im Wege der beispielhaften Fiktion auch gleich als Osterigel Verwendung finden kann - oder was schlug Kollege Landsberg doch gleich vor?

Karin Wiedemann