(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/93) < home RiV >
Robenwandern

Im vorigen Mitteilungsblatt stand die Gratis-Auslobung einer Robe, zu der unser pensionierter Kollege Otto Vogt sich entschlossen hatte. Sie war in Hamburg zunächst ohne Resonanz geblieben. Vielleicht hätte mancher sie gern gehabt. Auch wenn man das (früher einmal geradezu geflügelte) Wort von der richterlichen "Kümmerexistenz am Rande der Gesellschaft" nicht für bare Münze nimmt: ein fühlbarer Teil der Familienhabe muß für den Erwerb einer angemessenen Amtstracht immerhin eingesetzt werden! Aber es dürfte ein hemmendes Gegenmotiv gegeben haben: die Sorge, bei der angekündigten unkalkulierbaren (der Spender war immerhin in straf- und zivilistischen Sätteln geritten!) Prüfung eine schwache, zu schwache Figur abzugeben. Dann aber trat einer hervor (man vgl. die Eingangszeilen des Schiller'schen Tauchers, sei sich aber doch gewisser Grenzen der Analogie bewußt!) und schellte in Großhansdorf an der Haustür: der Landgerichtspräsident von Stendal/Sachsen-Anhalt! Wer denkt jetzt nicht: Donnerwetter, der "Ossi" hatte Schneid! Zum ersten: der "Ossi" war, wie das einstweilen "drüben" aus guten Gründen noch die Regel ist, in Wirklichkeit kein sächsisch-anhaltinischer Ureinwohner, was alsbald zum zweiten überleitet: der Petent brauchte nicht gar so viel Mut aufzubringen, weil die Befragung schwerlich schiefgehen konnte. Es war unser Kollege Remus aus Hamburg, der sich, ohne es zu ahnen, durch langjährige Tätigkeit im Prüfungsamt auf diesen entscheidenden Augenblick präpariert hatte. Dem Vernehmen nach hat es keine größere Prüfung gegeben (vielleicht haben die Beteiligten die Sache binnen Sekunden entsprechend §§ 387 ff. BGB durch geistige Aufrechnung erledigt); und der Präsident - das muß vielleicht hinzugefügt werden - erbat die Robe auch keineswegs für die eigene Person:

Es gibt in den ostdeutschen Bundesländern viele Richter (hier sei angefügt, ein für alle Male: "...Innen"), denen man wirklich hilft, indem man ihnen eine Robe verschafft. Während die Berufsrichter inzwischen ihre Amtskostüme längst angeschafft haben (die DDR kannte dergleichen nicht), sieht es bei den Handelsrichtern schlecht aus. Ihnen kann man eine solche Anschaffung nicht zumuten, und auch der arme Staat tut sich dort schwer, die einschlägigen Textilien "vorzuhalten".

Hier führt der Exkurs zu unserer Eingangsgeschichte zurück: Herr Präsident Remus, als engagiert-fürsorglicher Sorgenverwalter des neuen Landgerichts Stendal, bemüht sich um den Aufbau eines Robenfundus und hat auch schon einige zusammengebracht. Aber es hapert noch, nicht zuletzt auch bei der Größe; da las er in unseren Mitteilungen ("MHR-Leser wissen mehr!"), daß in der fernen Heimat eine "im Gardemaß" angeboten werde ... zum Rest der Story: s.o.!

Zum Schluß die Moral oder Nutzanwendung des Berichts: Bei manchen unserer pensionierten Kollegen hängen die guten alten Roben vermutlich noch im Schrank herum; die anfängliche Nostalgie hat sich mit der Zeit verloren; vielleicht muß die Ehefrau ihr Augenmerk zunehmend auf die Fernhaltung von Motten richten. Dann löst man eigene Probleme und leistet, damit ideal konkurrierend, willkommene Hilfe, indem man... s.o.! Es muß nicht Sachsen-Anhalt sein; Mecklenburg-Vorpommern liegt uns ja vor der Nase!

Günter Bertram