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Dr. Walter Reimers
80 Jahre alt

Am 17. August 1993 beging Dr. Walter Reimers, Vizepräsident a. D. des Hanseatischen Oberlandesgerichts und des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts, seinen 80. Geburtstag.

Walter Reimers zählt zum Urgestein der Hamburger Nachkriegsjustiz. Nach siebenmonatiger Tätigkeit als Assessor am Amtsgericht Hamburg brach der Zweite Weltkrieg aus, an dem er von Anfang bis Ende bei der Kriegsmarine teilnahm. Ab Oktober 1946 war er wieder am Amtsgericht tätig, und er gehört zu den letzten noch lebenden Kollegen, die im bombengeschädigten Ziviljustizgebäude in noch nicht wieder verglasten Sitzungssälen judizierten, sich mit Wintermänteln und Handschuhen gegen die Kälte des garstigen Winters 1946/47 schützend.

Walter Reimers Tätigkeiten für das Rechtsleben können hier nur bruchstückhaft geschildert werden. Wer mit ihm zusammengearbeitet hat, kann aber davon berichten, was er selbst zu den Eckdaten seines beruflichen Lebens zählt. Im Jahre 1948 wurde Reimers - vom Richterdienst beurlaubt - auf Vorschlag des OLG-Präsidenten Dr. Herbert Ruscheweyh Sekretär eines von der britischen Militärregierung eingesetzten Studienausschusses für Hochschulreform. Diese Tätigkeit wiederum führte ihn 1950 in den Vorstand des vom Hamburger Senat gebildeten Hochschulbeirats, dessen Vorsitz er 1954 übernahm. Reimers bewirkte hier die Gründung einer Theologischen Fakultät an der Hamburger Universität.

Noch als Amtsrichter wurde Walter Reimers 1952 Mitglied der Deputation des Deutschen Juristentages - nie hatte es Derartiges gegeben - und wurde 1966 für eine weitere Amtszeit berufen. Er folgte Ruscheweyh von 1965 bis 1974 im Vorsitz der Gesellschaft Hamburger Juristen und leitete von 1970 bis 1973 die Staatshaftungskommission. Mit 42 Jahren war er Senatspräsident geworden, mit 51 Jahren Vizepräsident des Hanseatischen Oberlandesgerichts und zugleich Vorsitzender des Justizprüfungsamtes.

Beim Empfang aus Anlaß des 80. Geburtstages Walter Reimers' schilderte dessen Wegbegleiter Dr. Jan Albers die vielen beruflichen Stationen des Jubilars, in Albers' unnachahmlicher Art gespickt mit Anekdoten aus dem gemeinsamen Juristenleben. Davon eine: Das OVG veranstaltete regelmäßig als "Rose" bezeichnete Treffen, bei denen die Veröffentlichungsgelder des Gerichts verfuttert wurden; der Name Rose geht auf den Veranstaltungsraum im Ratsweinkeller zurück. Alle Richter mußten dichten - nur Walter Reimers nicht. Der legendäre Helmuth Brauer ("Der Zivilrechtsfall in Prüfung und Praxis") schloß einmal seinen dichterischen Beitrag mit den Zeilen:

"während nie die Muse rief
den Poet im Genitiv."

Nach Jan Albers' stimmungsvoller Laudatio würdigte Prof. Dr. Karl August Bettermann den Jubilar und schloß mit den Worten an, eigentlich sei man ja von ihm ein "Anderer Meinung Bettermann" gewohnt - heute jedoch nicht.

Ende 1978 ging Walter Reimers in Pension, und wieder sorgte seine Person für Einzigartiges: 25 Hamburger Hochschullehrer, Rechtsanwälte und Richter ehrten ihn mit einer Festschrift "Aus dem Hamburger Rechtsleben", herausgegeben von einem Anwalt, einem Richter und einem Professor, nämlich Heinrich Ackermann, Jan Albers und Karl August Bettermann. Im Jahre 1983 verlieh der Hamburgische Anwaltverein Dr. Reimers - als 11. Preisträger - die Emil-von-Sauer-Medaille.

Walter Reimers hat vom Tage seines Ruhestandes an allem Juristischen Ade gesagt, und zwar ohne jede Ausnahme. Noch mehr als zuvor galt und gilt sein Interesse den schönen Künsten, namentlich der Baukunst. Alle diese Kunstreisen bereiten er und seine liebe Frau auf das Sorgfältigste vor. Im Jahre 1969 war Walter Reimers bei der Wahl des OLG-Präsidenten seinem Konkurrenten Dr. Walter Stiebeler knapp unterlegen. So behielt er seine OLG- und OVG-Senate und fand in einer Hilfsrichterin seine zweite Frau. Niederlagen können eben auch Gutes wirken.

Eine große Schar von Gratulanten sah am 17. August 1993 einen Jubilar in vermeintlich nie versiegender Frische; aber Walter Reimers sorgt sich um seine Augen. Ohne jede Einbuße geblieben sind seine liebenswürdige Grandezza, seine warmherzige Zuwendung, seine Heiterkeit und Lebensfreude. So wollen wir Walter Reimers noch lange haben. "Haben" ist zu wenig. Wir wollen ihn weiterhin so erleben. Denn Walter Reimers ist ein Erlebnis.

Horst-Diether Hensen