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Ein Praxisfall oder
Der Leidensweg des
RA FORSCH

Ingo Nies, der Leiter der Verwaltungsstelle für Gerichtsvollzieherangelegenheiten bei dem AG Hamburg, ist oft mit Problemen befaßt, die ihm richterliche Urteilstenöre bescheren. Die Redaktion hat ihn gebeten, hierüber doch in MHR gelegentlich zu berichten. Sein erster Beitrag betrifft die "beliebte" Sequestration:

RA FORSCH beantragt eine einstweilige Verfügung des Inhalts, daß bei der SCHULD GmbH in der XStraße 42 Bürotische und 120 Stühle (Wert: 14.400,-- DM) wegzunehmen und an den zuständigen Gerichtsvollzieher als Sequester herauszugeben sind.

Die Verfügung ergeht wie beantragt.

Damit beginnt der Leidensweg des RA FORSCH:

Phase 1:

FORSCH begibt sich zum diensthabenden Eil-Gerichtsvollzieher. Dieser erklärt ihm, selbstverständlich sei er sofort bereit, die Vollstreckung der Verfügung durchzuführen. Der Antragsteller müsse ihm nur vorher sagen, an welchen Sequester er anschließend die Möbel übergeben solle, da sonst der Beginn der Vollstreckung keinen Sinn mache.

"Ich habe gedacht, daß Sie das übernehmen", sagt FORSCH. Dies lehnt der Eil-GV ab, weil er (wie auch die meisten seiner Kollegen) dazu keine Lust habe. Er darf auch "keine Lust" haben, weil das Amt des Sequesters eine freiwillige (und genehmigungspflichtige) Nebentätigkeit darstellt.

Bei der GV-Verteilerstelle fragt F. nach dem örtlich zuständigen Bezirksgerichtsvollzieher für die XStraße. Er hat Glück, denn zufällig hat dieser GV gerade Sprechzeit und ist telefonisch erreichbar. Leider lehnt auch dieser GV die Übernahme der Sequestration ab.

Da der Beschluß nun wertlos geworden ist, begibt sich F. zurück zum Gericht. Obwohl es inzwischen Mittag geworden ist, hat F. wiederum Glück und erwirkt in relativ kurzer Zeit eine neue Verfügung, die statt der Worte "an den zuständigen GV" die Wendung "an einen GV" enthält.

Zurück zur GV-Verteilerstelle versucht F., mehrere postabholende GV zu überreden, für ihn das Sequesteramt zu übernehmen. Angesichts des geringen Geschäftswertes hat er dabei keine verlockende Gebühr anzubieten.

Bemerkt von den Mitarbeiterinnen und GV-Verteilerstelle, erhält er von diesen schließlich ein paar Namen von GV, von denen man weiß, daß sie öfter Sequestrationen übernehmen. F. erreicht auch einen von ihnen und kann am Nachmittag endlich die Wegnahme durchführen lassen.

Phase 2:

Der Sequester hat die Möbel bei dem Spediteur eingelagert, der auch für den Abtransport sorgte. Der Rechtsstreit schleppt sich 4 Monate dahin. An Kosten sind entstanden:

Lagerkosten
(100 cbm x 8,-- DM x 4 Mon.) 3.200,-- DM

Sequestrationsgebühr
(hier 2,5 % v. Wert) 360,-- DM

3.560,-- DM

zuzüglich Transportkosten und Versicherung.

Der Mandant des F. ist empört. Nach Begleichung der Kosten verlangt er von F. Schadenersatz in Höhe von 1.832,-- DM wegen Schlechterfüllung. Zu Recht: Eine Sequestration beinhaltet nicht nur die bloße Verwahrung, sondern erfordert darüber hinaus eine Verwaltungstätigkeit. Am ehesten läßt sich das Amt des Sequesters mit dem des Zwangsverwalters vergleichen.

F. hätte vorliegend zwischen 2 Varianten wählen können:

a) Amtliche Verwahrung (in der behördeneigenen Pfandkammer)

Vorteile:

aa) Der GV kann nicht ablehnen

bb) Es besteht keine Sequestrationsgebühr

cc) An Lagerkosten wären nur entstanden:

1.728,-- DM ( 2‰ v. Wert pro Tag) = Differenz zur Sequestration: die geforderten 1.832,-- DM.

b) Veräußerungsverbot mit Siegelung (§§ 13 bis 20 HamErgBest zum GVGA) Vorteile:

aa) Der GV kann nicht ablehnen

bb) Es entsteht keine Sequestrationsgebühr (nur 1/2 Gebühr gem. § 32 KostO, hier also 45,-- DM)

cc) es entstehen keine Lagerkosten.

Wenn keine besonderen Hindernisse vorliegen, wäre dies im vorliegenden Fall die richtige Maßnahme gewesen.

RA FORSCH meinte zum Schluß, er wäre damals bei Antragstellung dem Richter für einen klärenden Hinweis im Hinblick auf § 139 ZPO dankbar gewesen.

Für Interessierte: Nähere Hinweise zu diesem Thema gibt ein Merkblatt, das in diesen Tagen verteilt wird.

Ingo Nies