(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 3/92) < home RiV >
Dr. Jens Rausche gestorben

Am 27. Juni 1992 ist unser Kollege Dr. Jens Rausche gestorben. Im Alter von 52 Jahren, an einer trotz Vorsorgeuntersuchungen nicht rechtzeitig erkannten Krankheit.

Wer mit ihm zusammengearbeitet hat, wird sich zuerst an sein ausgeprägtes Pflichtgefühl erinnern. Das fing damit an, daß er jeden Morgen zu den Ersten am Sievekingplatz gehörte und jeden Nachmittag zu den Letzten. Es zeigte sich weiter in seiner gründlichen Arbeitsweise und nicht zuletzt in seiner Bereitschaft, unangenehme Aufgaben zu Übernehmen. So war er viele Jahre in Staatsschutzverfahren tätig und den damit verbundenen besonderen Belastungen ausgesetzt. Nur als kleines Beispiel sei erwähnt, daß während der Baader-Meinhof-Zeit seine Hochzeitsfeier unter polizeilichem Begleitschutz stattfinden mußte. All das hat ihn nicht davon abgehalten, nachdem er 1985 zum Hanseatischen Oberlandesgericht gekommen war, auch wieder Staatsschutzsachen zu bearbeiten. Nur einmal konnte er sich nicht entschließen, eine neue Aufgabe zu Übernehmen: Als er nach jahrelanger Tätigkeit im Strafverfahren in einen Zivilsenat wechseln sollte. Aber da trug er wohl schon die Krankheit in sich und spürte, daß er die Umstellung nicht mehr verkraften würde.

Dr. Rausche war in Schlesien geboren. Er kam aber als Kind nach Holstein und das hat ihn offenbar geprägt. Dazu kann ich mich nur den Worten von Dr. Plambeck auf der Trauerfeier anschließen: Er gehörte zu denen, die erst überlegten und dann sprachen. Seine Ruhe verließ ihn auch nicht, wenn mal wieder sein ganzes Zimmer voller Leitzordner eines Mammutverfahrens stand. Mit der ihm eigenen Sorgfalt - er hatte nicht nur stets die neueste Rechtsprechung präsent, sondern entwickelte auch immer eigene Gedanken - arbeitete er jeden Fall durch und kam alsbald zu fundierten Ergebnissen. Hatte er sich seine Meinung gebildet, vertrat er sie mit Nachdruck, auch und gerade dann, wenn der Vorsitzende mal wieder anders dachte. Auch sonst scheute er ein offenes Wort nicht, beispielsweise wenn er es für geboten hielt, Mißstände oder Fehlentwicklungen zu kritisieren.

Sein scharfer Verstand, seine sichere Urteilskraft, seine große Erfahrung und seine Zurückhaltung in persönlichen Angelegenheiten hatten Dr. Rausche zu einer anerkannten Richterpersönlichkeit werden lassen, die wir nicht vergessen werden. Unser Mitgefühl gilt seiner Frau, der hoffentlich die Arbeit beim Landgericht es etwas erleichtern wird, mit ihrer schweren Situation fertig zu werden.

Geert Ziegler