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Richtervereinsbrief an den Bürgermeister

 Hamburg, 30. August 2010

Sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister Ahlhaus,

der Vorstand des Hamburgischen Richtervereins gratuliert Ihnen zu Ihrem Amtsantritt als Erster Bürgermeister und Präsident des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg sehr herzlich! Wir wünschen Ihnen nicht zuletzt im Interesse der Stadt und ihrer Bürger viel Fortune, aber auch Freude bei der Bewältigung der vor Ihnen liegenden Aufgaben.

Zu der Gesamtverantwortung für die Stadt, die Sie mit Ihrem neuen Amt übernommen haben, gehört auch die Verantwortung für eine funktionierende Rechtspflege und damit für die Hamburgische Justiz und ihre Staatsanwälte und Richter.

Es mag für viele Bereiche zutreffen, dass „Hamburg jahrelang über seine Verhältnisse“ gelebt hat. Die Hamburgische Justiz hat dies ganz sicher nicht getan. Vielmehr hat sie bereits in den letzten Jahren schmerzhafte Einschnitte in sachlicher und personeller Hinsicht hinnehmen müssen, die sie an die Grenze ihrer Fähigkeit gebracht haben, ihrer verfassungsrechtlichen Rechtsgewährungspflicht angemessen nachkommen zu können. Die zum Teil emotionale Presseberichterstattung über unglückliche Vorkommnisse in einzelnen Strafverfahren im Sommer diesen Jahres legt – jenseits der Ursachen im Einzelfall – beredtes Zeugnis darüber ab, dass es im Gebälk der Justiz schon heute bedenklich knirscht.

Die Hamburgische Justiz kann – anders als fast alle anderen Staatsbereiche – keine eigene Aufgabenkritik betreiben. Sie erhält ihre Aufgaben vom Gesetzgeber zugewiesen.

Den Menschen – und auch dem Wirtschaftsstandort Hamburg – gerecht werden kann die Hamburgische Justiz nur, wenn sie sachlich und personell angemessen von den für sie verantwortlichen Staatsgewalten ausgestattet wird.

Dazu gehört auch eine amtsangemessene Besoldung, mit der eine weitere Absenkung etwa durch die Streichung der jährlichen Sonderzuwendung gänzlich unvereinbar wäre.

Gerade die - entgegen vorhergehender Unantastbarkeitsversprechen Ihres Herrn Amtsvorgängers - angekündigte effektive Besoldungskürzung um annähernd 5% ist als erste, mit leichter Hand verkündete Einsparung bei vielen Staatsanwälten und Richtern als Ausdruck besonderer Missachtung und Geringschätzung empfunden worden. Der drohende Schaden steht zu dem erzielbaren Einsparvolumen in keinerlei vernünftiger Relation.

Lassen Sie es nicht zu, dass die bislang von allen Staatsanwälten und Richtern unter dem Eindruck bisheriger Einsparverpflichtungen erbrachte und dem Amtsverständnis geschuldete Bereitschaft zu überobligatorischer Leistung für den Rechtstaat Resignation und Frustration weicht.

Dies gilt umso mehr, als die Tätigkeit der Justiz auch ein wesentlicher Faktor der inneren Sicherheit ist, deren gesellschaftliche und politische Bedeutung unumstritten sein sollte.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Marc Tully