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Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

 

es gibt mal wieder Sparmaßnahmen. Es beginnt mit der Bundesbesoldung, die für uns zwar nicht direkt maßgeblich ist, indirekt aber doch Einfluss auch auf die Hamburger Besoldung haben wird. Sie sieht im Entwurf noch eine Erhöhung um 1,2 % in 2010 und um 0,9 % in 2011 vor. Die Erhöhung bleibt hinter den ohnehin schon schmalen Tariferhöhungen zurück, weil ab August 2011 die Abführung eines Anteils von 0,2 Prozentpunkten an die Versorgungsrücklage des Bundes wieder auflebt (zu den Entwicklungen des Versorgungsrechts vergleiche Kopp in diesem Heft S. 8).

Kurz nach dem Entwurf der Besoldungserhöhung hat die Bundesregierung die Absicht bekundet, die Gehälter um 2,5 % zu kürzen durch Verzicht auf die geplante Erhöhung des Weihnachtsgeldes im Jahr 2011. Das ist Teil der Maßnahmen, um das durch die Wirtschaftskrise entstandene Haushaltsloch zu stopfen. Übrigens erhalten die Mitarbeiter derjenigen Branche, die uns den konjunkturbedingten Anteil der schlechten Haushaltslage mit eingebrockt hat, ihre im Juni beschlossene Tariferhöhung, ohne dass dies sogleich durch eine Kürzung wieder weggenommen wird.

Und auch in Hamburg steht eine Haushaltsklausur an. Bei Drucklegung dieser MHR waren die Beratungen der Hamburger Regierungsfraktionen zur Sanierung des u.a. durch U4 und Elbphilharmonie gebeutelten Haushalts, der auch noch die Stadtbahn hergeben soll, noch nicht durchgeführt. Aber dass 556 Mio. Euro (pro Jahr!)  eingespart werden sollen (also jedes Jahr fast 2 Elbphilharmonien!), das weiß die Presse schon; ebenso dass der Bürgermeister keine Senkung der Bezüge im öffentlichen Dienst anstrebt, dass es aber eine Verlängerung der Arbeitszeit geben könnte. Für die nicht dienstzeitgebundenen Richter wird sich dies über hochgesetzte Pensenzahlen bemerkbar machen; härter als bislang ausgefallene Stellenstreichungen in der Hamburger Justiz sind bereits avisiert.

Und die Zusatzbelastungen durch die Ausdehnung des Bereitschaftsdienstes sollen nach den Vorstellungen der Sparkommissare noch oben drauf kommen (vgl. hiergegen Tully und Elsner, in diesem Heft S. 3 - 8).

Besonders kurios ist die Argumentation mancher, die Richter könnten aufgrund ihrer Unabhängigkeit ihre Arbeitszeit selbst regulieren. Wir sollen also Akten liegen lassen, um andere Belastungen wie den zusätzlichen Bereitschaftsdienst auszugleichen?! Im Haftbereich drohen dann verstärkt Haftentlassungen. Und im Zivilbereich können wir dann künftig mit Regressforderungen unseres Dienstherren rechnen, weil dieser mit „Schmerzensgeld“-Forderungen durch das im BMJ-Entwurf vorliegende „Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren“ belastet werden soll. Darüber hinaus sieht dieser Entwurf vor, langsam arbeitende Spruchkörper im Bundesanzeiger zu veröffentlichen (die ablehnende Stellungnahme des DRB zu diesem öffentlichen Pranger hat der Richterverein über den dienstlichen Verteiler den Kollegen bekanntgegeben; sie ist aber auch über www.drb.de abrufbar).

Und damit uns auch auf Dauer nicht langweilig wird und damit die Spareffekte „nachhaltig“ sind, soll auch die Lebensarbeitszeit noch weiter verlängert werden. Gerade erst ist die Heraufsetzung des Pensionierungsalters von 65 auf 67 Jahre in trockenen Tüchern, da empfiehlt nun die EU-Kommission die Heraufsetzung auf 70 Jahre. Die Bundesregierung hat dies zwar vorerst abgelehnt. Aber bis zum 67. Lebensjahr ist es für viele von uns ja noch eine Weile hin; bis dahin kann die Regierung es sich noch einmal überlegen – wie sie es bei anderen Gräuslichkeiten ja auch wiederholt getan hat.

Um unsere Zukunftsaussichten noch einmal zusammenzufassen:

·        noch mehr Lebensjahre arbeiten

·        bei noch weiter erhöhter Arbeitsverdichtung

·        zu vergleichsweise reduzierten Bezügen und Pensionen

·        mit der Chance auf öffentliche Entehrung durch den eigenen Dienstherrn.

Der Richterverein lehnt dies ab und wird sich entsprechend einsetzen.

Auch gegen die Entehrungen seitens der Presse („Saustall Justiz“) wegen der durch die Vulkanaschewolke mitbedingte (Flugverbot für eine Richterin) Freilassung zweier Angeklagten ist der Richterverein eingetreten. Seine dies betreffende Presseerklärung (in diesem Heft S. 12) wurde von der Presse allerdings  öffentlich  ignoriert  (der  Vorstand erhielt lediglich einen unergiebigen Brief der MoPo). Der Justizsenator hat den Vorfall übrigens zum Anlass genommen, höhere Gewalt als Unterbrechungsgrund in Hauptverhandlungen im Bundesrat durchbringen zu wollen.

 

Ihr Wolfgang Hirth