(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 3/07, 8 ) < home RiV >

Hamburger Zeitgeschichte unter dem Brennglas:

 

Der Verein für Hamburgische Geschichte, Archivrat Detlev Möller und Das Letzte Kapitel

 

1.         Vermutlich war es eines der ersten nach dem Kriege in Hamburg (auf grau-faserigem Papier) gedruckten Bücher, das mir vor 60 Jahren als 14-jährigem Schüler aufregende Lesestunden verschafft hatte: Das Letzte Kapitel – Geschichte der Kapitulation Hamburgs - von Kurt Detlev Möller[1]. Hitlers Selbstmord am 30.04.1945 hatte den Krieg noch nicht beendet, sein Nachfolger Karl Dönitz hatte auch im Westen hoffnungslose Kämpfe fortsetzen lassen; und den Hamburgern haftete in lebhafter Erinnerung, wie sehr das Schicksal ihrer Stadt, die noch am 19.02.1945 durch Führerbefehl zur Festung erklärt worden war, auf des Messers Schneide gestanden hatte, bis sie am 02.05.1945 durch die Ansprache des Hamburger „Reichs­statthalters“ und Gauleiters Karl Kaufmann die Gewissheit bekamen, dass man die Stadt den Engländern kampflos übergeben werde[2]: unsagbare Erleichterung, gemischt mit Dankbarkeit ... Man wusste in der Bevölkerung, dass dieser Entscheidungsprozess vor seinem glücklichen Ende durch dramatische Untiefen gelaufen war, manches darüber war durchgesickert; aber was nur Gerücht war und was als einigermaßen gesichert gelten durfte: das wusste letztlich keiner. Angesichts von Presseberichten darüber, eines öffentlichen Wunsches nach Aufklärung und aus unterschiedlichen politischen Erwägungen hielten es Bürgerschaft und Senat für geboten, einen Wissenschaftler damit zu betrauen, alles erreichbare Material zu sichten und zu prüfen, Zeugen zu befragen und möglichst bald einen erhellenden Bericht über das verworrene Kapitel vorzulegen. Der Hamburger Archivrat Dr. Detlev Möller (schon seit 1928 im Staatsarchiv tätig), nach sechs Kriegsjahren gerade ins Zivilleben zurückgekehrt, schien für die Aufgabe qualifiziert und geeignet zu sein. Der indessen zögerte, den politisch offenbar brisanten Auftrag zu übernehmen; erst nachdem ihm der zuständige Senatssyndikus Dr. Kurt Sieveking (der spätere Erste Bürgermeister) wissenschaftliche Unabhängigkeit zugesichert hatte, übernahm er im Mai 1946 den Auftrag des Senats, den der damalige (von den Engländern eingesetzte) Bürgermeister Rudolf Petersen noch einmal bestätigte. Das eingangs genannte Buch war dann das intensiv und zügig erarbeitete Resultat. Das Manuskript ging im Spätherbst 1947 in einer mit dem Rathaus abgestimmten, dort kritisch überprüften (damit beauftragt: Percy Ernst Schramm) Fassung (nach Vorliegen einer Sonderbewilligung der Militärregierung für das entsprechende Quantum Papier!) für eine Auflage von 5000 Stück in Druck; und im Dezember wurde zunächst eine entsprechende Zahl von Exemplaren an die Senatoren und Abgeordneten versandt. Auszüge fanden sich in der „Hamburger Allgemeinen Zeitung“, schon ehe die übrigen Bücher an die Buchhandlungen gelangten, wo sie bald vergriffen waren. Das „Letzte Kapitel“ erfuhr Aufmerksamkeit und lebhafte Anerkennung. Bürgermeister Max Brauer, der Petersen im Amt gefolgt war, erklärte in der Bürgerschaftssitzung vom 18.08.1947: „... Als ich die Darstellung las – ich habe ja selbst diese Tage in Deutschland nicht miterlebt -, da ist mir erschütternd zum Bewusstsein gekommen, wie nahe auch Hamburg damals der völligen Vernichtung gewesen ist. Wenig hat gefehlt, und die Stadt wäre im Wahnsinn der allgemeinen Selbstzerstörung untergegangen ... In letzter Minute lenkten damals die führenden Nationalsozialisten, die zum Teil selbst Rebellen wurden, ein, und so ergaben sich Möglichkeiten zur schnellen Rettung, die von einigen beherzten Männern schnell ergriffen wurden“[3].

Ende 1947 endete die Dienstzeit des Hamburger Staatsarchivdirektors Dr. Heinrich Reincke. Detlev Möller gehörte schon seiner Fachkompetenz wegen an die Spitze möglicher Nachfolger, so dass es schwerlich seines Buchs und dessen öffentlicher Anerkennung bedurfte, um gerade ihn dem Rathaus zu empfehlen. Zunächst aber war der Spruch des Entnazifizierungsausschusses abzuwarten, dem Möller alle Informationen seiner vita aus der NS-Zeit unterbreitet hatte. Nachdem er für „unbelastet“ befunden worden war, bestellte ihn der Erste Bürgermeister zum 01.01.1948 als neuen Archivdirektor.

 

2. Themenwechsel: Im neuesten Band der „Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte“ (VfHG)[4] widmet sich dessen Vorsitzender Prof. Dr. Joist Grolle[5] dem „Ausschluss der jüdischen Mitglieder aus dem Verein für Hamburgische Geschichte – einem „lange beschwiegenen Kapitel der NS-Zeit“. Die sorgfältig recherchierte, quellengesättigte Studie zeigt, dass der Verein unter Vorsitz Prof. Hans Nirrnheims im Vergleich zu anderen Verbänden zunächst ausgesprochen günstig abschneidet. Geschah es sonst immer wieder, dass der sog. Arierparagraph[6] beflissen oder sogar im vorauseilenden Gehorsam exekutiert wurde[7], leistete der VfHG, der 1933 rund 650 Mitglieder zählte, von denen etwa 50 sog. „Nicht-Arier“ waren[8], immerhin noch ein paar Jahre zähen Widerstand[9]. Die Lage änderte sich, als 1937 der junge (35-jährige) Archivrat Detlev Möller dem (aus Altersgründen amtsmüden und selbst auf seine Ablösung drängenden) Vorsitzenden folgte. Er hatte seine Karriere noch vor sich, ihm gebrach es nicht an Ehrgeiz, und ihm war klar, dass, wer künftig etwas werden wolle, sich dem neuen Zeitgeist öffnen müsse und nicht – wie Nirrnheim - trotzig gegen ihn anrennen könne[10]. Am 25.10.1937 hielt Möller einen öffentlichen Vortrag, welcher den Einzug der modernen Gesinnung auch in den VfHG demonstrieren sollte, der mit einem Zitat aus Hitlers „Mein Kampf“ beginnt, eine Zuwendung des Vereins zur „sozialen und jüdischen Frage“ verspricht und der Beschämung darüber Ausdruck gibt, dass im deutschen Kulturleben tätige Juden nicht längst als Fremdkörper identifiziert worden seien. Diesen Vortrag ließ er als eine Art von Programmschrift des VfHG später drucken[11] und ging dann daran, sich der „nichtarischen“ Vereinsmitglieder zu entledigen: durch faktisches Hinausdrängen oder notfalls endlich durch deren Ausschluss (der noch 18 Mitglieder betraf), was Ende 1938 erledigt war. Am 13.03.1939 stand der „Arierparagraph“ auch offiziell in der Satzung des VfGH[12]. Im September 1939 kam Möller als Soldat an die Front; den vakanten Vorsitz übernahm auf heftiges Drängen des Vereins wieder der alte Professor Nirrnheim „kommissarisch“ - ohne seinerseits dann der NS-Propaganda Konzessionen zu machen.

 

„Am 3. Mai 1945 war für Hamburg der Krieg zu Ende. Die Stadt hatte kampflos kapituliert. Zwei Monate später, am 6. Juli, trat der Vorstand des VfHG zum ersten Male wieder zusammen. Dazu hatte der erste Vorsitzende, der in eben diesen Tagen aus dem Krieg zurückgekehrte Kurt Detlev Möller eingeladen. Von ihm wird der Text des Schreibens stammen, das damals vom Vorstand gebilligt und unter dem 7. Juli 1945 an alle Mitglieder verschickt wurde. Die Eingangssätze lauten: ‚Der Krieg ist aus. Er hat ein Ende genommen, das in der deutschen Geschichte seinesgleichen sucht. Die Augen vor der Tiefe unseres Falles zu schließen, hilft nichts. Uns bleibt keine Wahl. Wir können nur hoffen und arbeiten’[13].

 

3.         Hier schließt sich der Ring, freilich nicht in Harmonie, sondern mit einer Stichflamme: Möllers eingangs erwähntes Buch „Das Letzte Kapitel“ hatte ihm Anerkennung und in Hamburg auch eine Popularität verschafft, die einem Wissenschaftler sonst kaum zuteil wird. Damit war es plötzlich – sozusagen
über Nacht - vorbei:

Unter dem 04.02.1948 weist Max Brauer den für das Staatsarchiv zuständigen Senatssyndikus Dr. Kurt Sieveking (s.o.!) an, den gerade erst vier Wochen amtierenden Archivdirektor Möller unverzüglich vom Dienst zu beurlauben. Waren „Unregelmäßigkeiten“ (etwa der heute notorischen Art) ans Licht gekommen? Nein, ganz anderes war geschehen: Einige – einer allen voran: der Bürgerschaftsabgeordnete Hellmut Kalbitzer – hatten Möllers Buch mit ganz anderen Augen gelesen als die Senatoren, Abgeordneten, Journalisten – oder als die Öffentlichkeit, soweit sie dazu überhaupt die Chance bekommen hatte. Kalbitzer hatte den Nazis aktiven Widerstand geleistet und war für zwei üble Jahre ins KZ Fuhlsbüttel geworfen worden. Was sich für ihn mit dem Namen Karl Kaufmann verband und verbinden musste, liegt auf der Hand. Wer zu Kaufmann sich äußern wolle, der müsse erst einmal von dessen Verantwortung für die politische Justiz in Hamburg, der Verantwortung für Neuengamme und Fuhlsbüttel, für den Abtransport der Hamburger Juden, für unzählige Nazi-Schandtaten sonst und über Schuld und Schande reden. Statt dessen winde der Autor Kränze für Karl Kaufmann und mache ihn zum Volkshelden ... Die Anfang Januar 1948 ausbrechende Debatte des „Falles Möller“ förderte etwa vier Wochen später auch dessen Rede und Schrift von 1937 zutage[14], deren Lektüre Brauers Entschluss bestärkte, Möller fallen zu lassen. Denn die öffentlichen Angriffe auf den Autor trafen zugleich auch den Senat; und sie wurden heftiger und polemischer[15]. In der Bürgerschaft gab es „kleine Anfragen“ – danach etwa, ob der Senat das Buch in Auftrag gegeben habe, ob er vor Drucklegung den Inhalt gekannt habe (was beides klarerweise zutraf, aber auf Anweisung Brauers bestritten, also verneint wurde), ob er das Buch „wegen seiner NS-Tendenz“ verbieten und einen Neudruck verhindern wolle (was ausweichend beantwortet wurde).

 

Die Deutung, die Grolle für den Rauswurf Möllers gibt, dürfte einleuchten: Max Brauer sei ein „Tatmensch“ gewesen, der sich ungern auf „Komplikationen“ eingelassen habe[16]. „... In diesem Sinne war der „Fall Möller“ für ihn eine Belästigung. Er drohte den Senat in Vergangenheitsdiskussionen zu verwickeln, die angesichts bedrängender Tagesnöte unerwünscht waren. Um es so weit nicht kommen zu lassen, handelte Brauer. Er entfernte Möller aus dem Amt und schnitt Nachfragen kurzerhand ab – wobei er in Kauf nahm, dass dies um den Preis wahrheitswidriger Unterrichtung des Parlaments geschah. Für die Stadt, so die Überzeugung Brauers, gab es Wichtigeres als unerquickliche Erörterungen um Modalitäten von ‚Vergangenheitsbewältigung’“[17].

 

Um die Suspendierung Möllers, der dann im März 1949 förmlich entlassen worden war, gab es Streit: Brauer hatte zunächst die Anordnung der Engländer zu erwirken versucht, das Spruchkammerverfahren gegen Möller wieder zu eröffnen, was Gouverneur Berry unter Hinweis auf die „natürliche Gerechtigkeit“ und das Fehlen neuer Beweismittel (die ihn belastende Schrift von 1938 hatte Möller weder dem Ausschuss noch dem Senat verschwiegen) ziemlich barsch abgelehnt hatte[18]. Dann hatte die Behörde fiskalische Vorschriften zur Begründung herangezogen, was das Landesverwaltungsgericht nicht gelten ließ: Mit Urteil vom 05.10.1950 entschied es „mit auffälliger Eindeutigkeit“ für Möller, gegen den Senat; die angeführte Rechtsgrundlage sei offenkundig vorgeschoben[19]. Juristische Nachhutgefechte verzögerten Möllers rechtliche Rehabilitierung dann weiter; erst der Bürgermeister Kurt Sieveking berief ihn am 01.01.1956 auch förmlich wieder ins alte Amt zurück - zum Archivdirektor. Dessen konnte Möller sich freilich kaum noch erfreuen: „Gebrochen durch die Erfahrung des zurückliegenden Konflikts ist er zwei Jahre später am 21. November 1957 an Herzversagen gestorben[20].

 

4.      War Möllers Buch der Sache nach - also in seiner Substanz - ein Skandal, eine Entlastung, gar Verherrlichung des früheren Gauleiters Kaufmann, eine „Reinwaschung“ alter Nazis? Diese Frage ist vom Problem der Behandlung des Falles durch Senat und Bürgermeister zu unterscheiden; die war freilich, wie oben nur skizziert[21], gröblich fehlerhaft gewesen.

 

Liest man „Das Letzte Kapitel“ noch einmal - nicht lediglich als erregende und spannende Geschichte, sondern kritisch, tunlichst mit aufmerksamem Argwohn und der späteren Debatte eingedenk -, dann lässt sich substanziell dennoch kein anderes Fazit als das ziehen, zu dem auch Grolle gelangt:

 

„... Wer seine Kenntnis vom „Letzten Kapitel“ nur aus der zeitgenössischen Kritik bezieht, der muss noch heute annehmen, es habe sich bei Möllers Buch um ein Produkt mehr oder minder offen neonazistischer Gesinnung gehandelt; zumindest ist man auf einen Text gefasst, der Reste von Sympathie für das NS-Regime bekundet. Beugt man sich als unbefangener Leser über das auf holzig-brüchigem Nachkriegspapier gedruckte Buch Möllers, so möchte man im ersten Augenblick glauben, ein anderes Buch als die Kritiker von damals in der Hand zu haben. Auch bei sorgfältiger Lektüre sind darin keine Sätze zu finden, die auf „Führertreue“ des Autors schließen ließen ... “.[22] Die sorgfältigen, alle nahe und ferner liegenden Einwände mit Verständnis und Einfühlungsvermögen wägenden Argumente Grolles sind hier nicht reproduzierbar; ich muss mich auf die Lektüreempfehlung beschränken – leider; aber anders ließe es sich nur auf vielen weiteren Seiten abmachen.

 

5.         All’ dies ist ein erinnerungswertes Stück Hamburger Stadtgeschichte. Beiläufig rückt es auch einen problematischen Zug eines unserer wirklich Großen ins Licht: Max Brauers, des neben Herbert Weichmann sicherlich bedeutendsten der Hamburger Nachkriegsbürgermeister. Hier hatte er, als Kehrseite seiner vitalen, unbändigen, gelegentlich hemdsärmeligen Tatkraft – zum guten Zweck, aber jenseits des Rechts -, ruppige Methoden gegen einen „Störer“ seines Hamburger Aufbauwerks praktiziert. Aber wo viel Licht ist, ist (eben auch) viel Schatten ...

 

Der „Fall Möller“ zeigt freilich zugleich, und auch deshalb bleibt er bemerkenswert, wie typischerweise Kampagnen ablaufen. Hier konnte es zunächst allerdings schon verwundern, einen Nazi wie Karl Kaufmann - als alter Kämpfer in der Wolle gefärbt, als Gauleiter mit seinem dicken Dreck am Stecken – literarisch positiv bewertet zu finden (nur situativ zwar und konkret, aber immerhin ...!). Dann wird aus (unhinterfragter!) Verwunderung Befremden, aus Befremden harsche Kritik, daraus helle - die Stadt ergreifende - Empörung; die tritt über ihre Ufer, überschwemmt das Land; und schließlich rast der See, und will sein Opfer haben ... Das Original (hier das Buch selbst oder – in einem späteren Falle - eine Rede[23] usw.), interessiert nicht mehr; die Debatte füttert sich selbst mit ihren eigenen, im Kreis herumgereichten, ständig überbotenen Schlagworten. Wenn der Fall durch ständige Wiederholung ausgekaut, langweilig und medial unergiebig geworden ist, suchen die objektlos gewordenen Empörungsenergien ihr nächstes Opfer[24].

 

Um nun aber an den Ausgangspunkt zurückzukehren – den „Ausschluss der jüdischen Mitglieder aus dem VHG “: Hier hatte Detlev Möller seinerzeit eine trübe Rolle gespielt, wie so viele Verbandsfunktionäre nebst ihren Gesellschaften auch sonst im Dritten Reich. Dass er dabei im Rahmen der üblichen Unterwerfung, der geschmeidigen Anpassung an den Zeitgeist geblieben ist, ohne sich durch schärfere Aggressionen hervorzutun, zeigen Grolles Recherchen. Aber Schuld bleibt Schuld: Ein deutsches Thema, das freilich auf einem anderen Blatt steht. Ein anderes also, aber nicht „Das Letzte Kapitel“!

 

Günter Bertram


 


[1] Hamburg 1947 (Hoffmann und Campe, 154 Seiten Text, 8 Anlagen, 9 Seiten Quellenbelege und Anmerkungen), Preis: 8,50 der fast wertlosen Reichsmark (Die DM folgte kraft „Währungsreform“ vom Juni 1948 erst im Jahre darauf).

[2] „... Der Feind schickt sich an, Hamburg auf der Erde und aus der Luft mit seiner ungeheuren Übermacht anzugreifen. Für die Stadt und ihre Menschen, für Hunderttausende von Frauen und Kinder bedeutet dies Tod und Zerstörung der letzten Existenzmöglichkeiten. Das Schicksal des Krieges kann nicht mehr gewendet werden; der Kampf aber um die Stadt bedeutet ihre sinnlose restlose Vernichtung. Wem soldatische Ehre gebietet, weiterzukämpfen, hat hierzu Gelegenheit außerhalb der Stadt. Mir aber gebieten Herz und Gewissen ... unser Hamburg, seine Frauen und Kinder vor sinn- und verantwortungsloser Vernichtung zu bewahren ...“, vollständig zit. bei Möller aaO. (Anm. 1), S. 140

[3] vgl. Joist Grolle (zu seiner Person vgl. Fn. 5): Schwierigkeiten mit der Vergangenheit. Anfänge der zeitgeschichtlichen Forschung im Hamburg der Nachkriegszeit, Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte (ZHG) Band 78 (1992), S. 1 ff. (hier insb.14, 16, 29 mit zahlreichen Quellenangaben)

[4] ZHG Band 93 (2007), S. 1–84, mit 60 Seiten Anhang

[5] Historiker (Professor) und SPD-Politiker, von 1978 – 1987 Hamburger Schulsenator

[6] „Arier- Paragraphen“: Bestimmungen, die § 3 aus dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 07.04.1933 (RGBl. I S. 175: „Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, sind in den Ruhestand ... zu versetzen; ...“) auf je spezifische Vereinigungen zuschneiden. Später - so 1939 auch der VfHG in seinem § 8 - bezog man sich dafür auf eine VO zum sog. Reichsbürgergesetz vom 15.09.1935.

[7] vgl. dazu auch Bertram in MHR 2/2006, 14 ff., Fn. 24 und 26; Grolle aaO. (Fn. 4), S. 3 f, 16:; Jochmann in Büttner/Jochmann: Hamburg auf dem Weg ins Dritte Reich, Hamburg 1983: Die Gleichschaltung gesellschaftlicher Gruppen und Organisationen, S. 65 ff.

[8] vgl. Grolle aaO. (Fn. 4), S. 16

[9] belegt und beschrieben in den Kapiteln „Abwehr des „Arierparagraphen“ und „vorläufige Nichtanwendung der Nürnberger Gesetze (scil. vom 15.09.1935), Grolle aaO. (Fn. 4), S. 15 ff., 19 ff.; auch 23 - 25. Betrachten wir unsere eigenen – d.h. die juristischen - Verbände, dabei zuvörderst den DRiB, so ist der Befund bekanntlich deprimierend (vgl. nur Heft 10 der DRiZ 1933 (S. 265 ff.). Leuchtende Ausnahme: der DJT, dessen ständige Deputation am 11.06.1933 – mit den Worten Prof. Graf zu Dohnas – entschied: „lieber in Ehren tot als in Schande weiterbestehen“ (vgl. z.B. Conrad/ Dilcher/Kurland: „Der Deutsche Juristentag 1860-1994“, München 1997, S 19 f.)

[10] vgl. näher Grolle aaO. (Fn. 4), S. 25: „Der Verein geht auf NS-Kurs“

[11] vgl. Grolle aaO. (Fn. 4), S. 30 – 34; Möller ZHG 38 (1939), S. 1 ff.

[12] näher Grolle aaO. (Fn. 3), S. 34 – 42.

[13] Grolle aaO. (Fn. 4), S. 50. Der Vorstand beeilte sich natürlich, den Arierparagraphen aus der Satzung zu streichen.

[14] ZHG 38, 1 ff., vgl. oben Fn. 11

[15] Im Hamburger Echo stand zu lesen: „Die Gloriole ist – trotz aller Vorbehalte – um Kaufmann gewunden! Wenn dann am Ende dargetan wird, wie Kaufmann in den letzten Wochen des Krieges sich bemüht habe, Hamburg vor der völligen Vernichtung zu bewahren, ist das Bild fertig, wie es kein Nazi besser und schöner ausmalen könnte: Kaufmann, der deutsche Aktivist, Kaufmann, der fähige Verwaltungsmann, Kaufmann, der Retter Hamburgs“, zur Quelle vgl. Grolle aaO. (Fn. 3), S. 23, dort Fn. 39. Der SPIEGEL am 14.02.1948: „Dr. Möllers letztes Kapitel - Gloriole um Kaufmann“.

[16] vgl. dazu Grolle aaO. (Fn. 3), S. 37

[17] Grolle aaO. (F. 3), S. 37 f

[18] Grolle aaO. (Fn. 3), S.31

[19] Akten IV b VG 3220/49, zit. bei Grolle aaO. (Fn. 3), Fn. 53

[20] näher zu diesem Kapitel Grolle aaO. (Fn. 4), S. 31 f

[21] Das Nähere auch hierzu – u.a. die Beteiligten, ihre Rollen, Loyalitäten und Konflikte - wird von Grolle in beiden Aufsätzen, insb. in ZHG 78, 1 ff., sorgfältig entwickelt. Die Frage nach dem Charakter des Buchs sollte auch nicht vermischt werden mit der Beurteilung seiner Schrift von 1938 oder seinem Wirken im Vorsitz des VHG: die Schrift kommt - als Zusatzargument! - erst ins Spiel, als die Debatte schon vier Wochen lief, das andere taucht in ihr gar nicht auf.

[22] Grolle aaO. (Fn. 3), S. 33. Er führt zahlreiche Möller-Passagen an, die zeigen, dass dem Autor jede NS-Verherrlichung fern gelegen hat, ihm die Einsicht in Schuld, Terror und Hybris der NS-Mächtigen hingegen keineswegs fehlte (Grolle aaO. Fn. 4, S. 33 f mit Hinw. auf Möllers Buch S. 11, 21, 32, 35, 43, 46, 48 und 60). Das 1938 von ihm im Sinne des Zeitgeists deklamierte Hitlerzitat wendet Möller, es wiederholend, jetzt kritisch – auch im Sinne eigenen Versagens - gegen sich selbst; vgl. Grolle aaO. (Fn. 3), S. 43: „ Adolf Hitler – 1937 und 1947 zitiert“.

[23] ... wie im „Fall Jenninger“, der das Muster besonders grell ausleuchtet: Eine rhetorisch unglückliche, inhaltlich aber tadelfreie Rede vor dem Bundestag am 10.11.1988 zieht ein hysterisches Medienspektakel („Hitler im Bundestag!“) nach sich und kostet den Parlamentspräsidenten Amt und Ansehen. Das schildert Werner Hill später - im März/November 1989 - im NDR: die Tatbeiträge der mitlaufenden Medien- und Politstars werden schonungslos vorgeführt; vgl. Bertram MHR 4/2003, 38 ff. (S. 41 mit Fn. 21).

[24] Die „Fälle“ selbst geraten dann mehr oder weniger rasch in Vergessenheit, nur Stichworte bleiben haften („semper aliquid haeret“!) und erlauben auch dem Dilettanten ein augurenhaftes „name-dropping“. Wer kennt denn heute noch den „Fall Waldheim“? Vielleicht hat sein Tod am 14.06.2007 letzte Erinnerungen geweckt: Der frühere österreichische Bundespräsident und spätere UN-Generalsekretär (1971 bis 1981) war im 2. Weltkrieg deutscher Offizier gewesen – nicht mehr als das. Trotzdem wurde er – verleumderisch, jedenfalls fälschlich, wie inzwischen (qua „Historikerkommission“!) unstreitig geworden ist - international als Kriegsverbrecher angeprangert und geächtet. Statt aber später jedenfalls für öffentliche Richtigstellung zu sorgen oder das Opfer zu rehabilitieren, zog und zieht die Karawane dann weiter – zur nächsten Inszenierung. Vom „Fall Sebnitz“ (Sachsen, Herbst 2000) stehen immerhin ein paar bemerkenswerte Details in der NJW (vgl. Ingo v. Münch: Der „Aufstand der Anständigen“, NJW 2001, 728, S. 731), sonst wäre auch dieser Medienskandal, dieses publizistische Waterloo der Springerpresse, vom Reißwolf der Zeit längst völlig verschluckt worden ...

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