(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 2/06, 23) < home RiV >

Ein Reim auf das Handelsregister und seine Notare

Unser Kollege Lux aus dem Handelsregister machte sich so seinen Reim auf die Notare. Er hielt den folgenden Vortrag am 22.03.06 vor fachkundigem Publikum auf einer Veranstaltung der Hamburgischen Notarkammer. Während große Teile des Vortrags einen ernsten Hintergrund haben - z.B. die Eilanträge, schludrige Sacheinlagen und die Schwierigkeiten internationaler Bezüge (Apostillen, ausländisches Gesellschafts- und Notarrecht) – überwiegt bei anderen Aspekten der Humoranteil. Das betrifft insbesondere die Anwesenheit "bis Viertelvier". Gerade vom Autor des Gedichts ist bekannt, dass die Arbeit ihn gelegentlich bis in die späten Abendstunden an seinen dienstlichen Schreibtisch fesselt.

Wolfgang Hirth

 

GGGmbH

Gedicht betreffend die

Gründung einer GmbH

 

Der Notar X (noch ohne Sorgen),

der sitzt an einem Freitagmorgen

am Schreibtisch. Es ist Ultimo.

Da zirpt sein Handy durch’s Büro.

 

Der Müller ist’s, ein guter Kunde.

Braucht ’nen Termin, so in ’ner Stunde,

für ein Geschäft, betont dabei,

wie eilig es und wichtig sei.

 

Nach dem Gespräch, zwecks Vorbereiten,

sieht man den X zum Ordner schreiten

mit Mustertexten, seiner Quelle

von Sachverstand für alle Fälle.

Kaum greift er den, da ruft ihn schon

die Dame aus der Rezeption:

„Der Müller und zehn Herren warten

und drängen sehr, sogleich zu starten!“

Da Kunden König sind und heilig,

schluckt X den Ärger und sehr eilig,

doch würdevoll, mit großen Schritten

eilt er, sie herzlichst ’reinzubitten.

 

Und im Salon mit Panorama

nimmt es den Anfang unser Drama,

denn schon sehr schnell ist zu erseh’n,

dass die zehn Herrn kein Deutsch versteh’n.

Der Müller meint, dass dies nichts mache,

schließlich sei die ganze Sache

schon längst im Voraus abgeklärt.

Doch unser X weiß, was sich gehört,

besorgt Dolmetscher für Afghanisch,

Zulu, Türkisch und Nordghanaisch

und sogar aus Liberia.

Nach einer Stunde sind sie da.

 

Die Sprachbarrieren sind genommen.

Jetzt könnte man zur Sache kommen.

Indessen scheitert dies daran,

dass jeder endlich sagen kann,

was lang schon unter’m Nagel brannte,

man nur nicht die Vokabel kannte,

die auszudrücken möglich machte,

wie sehr den and’ren man verachte.

Gedolmetscht kommt nun die Bagage

verbalinjurisch sehr in Rage.

Schon droht Gewalt, Eskalation!

Zum Glück kann X auch Mediation.

Macht ein auf Wir, betont indessen,

es sei o.k. und die Interessen,

die alle Herrn doch sicher einen.

Grad wie im Lehrbuch, will man meinen.

Und bald schon haben sich die Herrn

ganz schrecklich lieb und furchtbar gern.

 

Notarius ergreift die Chance,

verhandlungsklug mit Elegance,

und fragt, was denn der Anlass sei

der heutigen Versammlerei.

 

Die Herren sehen Müller an,

der daraufhin erläutern kann:

„Wir möchten gern Geschäfte machen,

ganz allgemein mit Dienst und Sachen.

Doch ist Konsens: Nur größte Kälber

haften persönlich oder selber.

D’rum ist Gesellschaft wunderbar

allein in Form der m.b.H.

Leicht heikel ist die Bargeldfrage.

Wir gründen d’rum auf Sacheinlage.

Und Gegenstand des Kapitals

sind aus der Gegend des Urals,

aus Tonga und der Mongolei,

zwar nicht verbrieft, doch lastenfrei,

Geschäftsanteile, ganz apart,

von Limiteds nach Länderart.

Hinzu kommt, was noch ungewohnt,

Großgrundbesitz auf Mars und Mond.

Zu guter Letzt: Es ist zwar hässlich,

doch steuerrechtlich unerlässlich,

dass der Vertrag das Recht nicht bricht,

so wie man es in Tibet spricht.

Sie sehen schon wie trivial

heut meine Bitte und banal.

Wär’ nett wenn Sie die nöt’gen Sachen

fix für’s Register fertig machen.

Und falls Nachweise Sie vermissen:

Es ist halt so, dass wir nie wissen,

was Sie so woll’n, so dass heut morgen

Sie bitte alles selbst besorgen.

Das war es schon, Sie können starten.

Die Herr’n und ich, wir werden warten.

Denn, wie gesagt, es wäre fein,

noch heut im HRB zu sein.“

 

Der X bedankt sich für’s Vertrauen,

zieht sich zurück zum Nägelkauen.

Er brütet kurz voll konzentriert.

Schnell ist sein Schaffen konzipiert.

Zunächst lässt er Getränke ordern,

beim Feinkostimbiss Platten fordern,

weil dies zum Service zugehört

und voller Mund nur selten stört.

Sodann erstellt er eine Liste

der Dinge, die man bringen müsste,

um alle relevanten Sachen

glaubhaft und möglichst klar zu machen.

Per Boten, Fax, Mail und so weiter

beginnen Notars Mitarbeiter

Bescheinigungen zu beschaffen,

Nachweise schnell herbei zu raffen.

 

Der Richter R wird kontaktiert

und telefonisch instruiert,

dass heute noch, so gegen zwei,

ein Antrag zu erwarten sei.

Geschickt führt Notar X gleich aus,

die Eile sei auch ihm ein Graus,

doch sei die Sache sehr von Not,

um’s Leben gehe es – und Tod!

Der Richter knurrt, er werde warten

und noch nicht in die Freizeit starten.

Man fände ihn in seinem Raum

bis Viertelvier – doch länger kaum.

Jetzt endlich kann der X beginnen,

die ganzen Texte zu ersinnen:

Vertrag, Anmeldung, Protokoll

Entstehen müh’- und inhaltsvoll

aus Recht, Gesetz – es ist ein Drama –

und allen Lehr’n des Dalai Lama.

Zwei Stunden muss der Notar knobeln,

Urkunden zur Vollendung hobeln.

 

Nun fehlt nur noch um zu vollenden,

dem Anschreiben sich zuzuwenden,

in welchem X klug und didaktisch

die Gründe nennt, rechtlich und faktisch,

weshalb sofort und ohne Frist

hier Eintragung geboten ist.

Dass er’s so macht, ist nicht verkehrt,

Erfahrung hat ihn doch gelehrt:

Notarbrillianz an Glanz verliert,

wenn sie der Richter nicht kapiert.

 

Zu Müller und der Herrenschar

begibt sich eiligst der Notar,

verliest sein Werk in großer Eile

und deutet dann auf die Blattteile,

wo nun die Herren – wenn sie wollen –

gefälligst unterschreiben sollen.

Elf Blicke folgen seiner Hand,

nicht einer leistet Widerstand.

Und endlich schickt man viel Papier

ganz fest verschnürt, mit dem Kurier,

der schleunigst zu dem Richter flitzt,

der wartend unter Akten sitzt.

 

Mit Finsternis in seinem Blick,

liest Richter R nun Stück für Stück,

liest jede Seite, jedes Blatt,

die Notar X geliefert hat.

Er kritzelt, schaut in Bücher ’rein,

brütet versonnen – und trägt ein.

 

Es wirken so mit Sachverstand

Notar und Richter Hand in Hand

und zeugen so, wie Ma und Pa,

wie süß, ’ne kleine GmbH.

Da steht sie nun in sieben Spalten.

Lang mög’ sie sich am Markte halten

und stets erfolgreich und in Ehren,

der Eigner Kapital vermehren,

bevor ihr einst, finanzverroht,

der Richter mit der Löschung droht.

 

Matthias Lux