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Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

 

schon die letzten MHR berichteten über Änderungen des Einstellungs- und Beförderungsverfahrens, wie sie die Justizbehörde beabsichtigte. Eine sodann erfolgte Einigung zwischen Präsidenten und Justizbehörde war von kurzer Dauer, woraufhin der Richterverein die Veranstaltung durchführte, über die auf Seite 3 berichtet wird. Auch seither ist der Versuch der Justizbehörde, ihren ohnehin schon großen Einfluss auf die Einstellung und Beförderung von Richtern noch weiter auszubauen, noch nicht abgeschlossen.

Die Änderung des Verfahrensablaufs ist lediglich einer von mehreren unbefriedigenden Punkten der Personalpolitik; man denke nur z.B. an die sich häufenden Tagesordnungstricks der Justizbehörde im Richterwahlausschuss und an die Förderung von Parteimitgliedern. Die Frustration einer nach einem Regierungswechsel an die Macht gekommenen Partei über die Schwierigkeit, am während der Regierung der Gegenpartei sich entwickelten Personalkörper etwas zu ändern, mag nicht unverständlich sein. Jedoch dürfen Änderungen nur über die dafür vorgesehenen ordentliche Wege vorgenommen werden. Jeglicher bloße Anschein einer Manipulation ist zu vermeiden. Personalentwicklung ist eine langfristige Angelegenheit und bedarf viel Geduld und Fingerspitzengefühl.

Vorsicht ist auch bei schematischen Lösungen angebracht (Qualifizierung durch Herumschicken). Ein Maßschneidern auf den konkreten Menschen (was kann gerade er? was kann/will/soll gerade er erreichen?) ist schwieriger, aber effektiver. Spezialisierung bedeutet Erhöhung der Professionalität. Dass ein Kollege weiß, wie in anderen Bereichen gearbeitet wird, ist sinnvoller, wenn diese anderen Bereiche irgendetwas mit dem langfristig angestrebten Verwendungszweck des Kollegen zu tun haben.   

Und die Verbürokratisierung und Verlängerung des Einstellungsverfahrens hat schon dazu geführt, dass in letzter Zeit hochqualifizierte Bewerber abspringen, weil sie in der Zwischenzeit von woandersher eine Zusage erhalten.

Die Gerichte wissen selber besser über die bei Ihnen beschäftigten Menschen Bescheid. Auch deshalb ist es wenig sinnvoll, den Einfluss der Justizbehörde auszubauen. Vielmehr sollte die Selbständigkeit der Gerichte gestärkt werden. Das gleiche gilt für die Staatsanwaltschaft, zumal diese sich auch noch verstärkt Weisungen aus der Justizbehörde ausgesetzt sieht (insbesondere: Rechtsmittel in bestimmten Sachen einzulegen).

Die Selbstverwaltung steht wieder stärker als Thema an. Der Deutsche Richterbund treibt es voran und seine Landesverbände werden daran mitarbeiten. Der Hamburgische Richterverein hat dafür eine neue Arbeitsgruppe unter der Leitung unseres Vorstandsmitglieds Dr. Augner eingesetzt.

Desweiteren aktuell ist das Stichwort „Gerichtsfusion“ und zwar in doppelter Hinsicht: länderübergreifend und zwischen den Gerichtsbarkeiten.

Der Justizsenator macht gemeinsame Gerichte für Hamburg und Schleswig-Holstein nur davon abhängig, ob das etwas kostet; bei der Idee eines gemeinsamen Verfassungsgerichts macht er nicht einmal diese Einschränkung; das liege am „hohen Symbolwert“.

Zur Zusammenlegung der Fachobergerichte ist im Veranstaltungskalender ein Termin notiert.

Im Zeitpunkt des Erscheinens dieser MHR müsste schon über den Beugehaftantrag der Opposition gegen den Jusizsenator entschieden sein. Möge der Ausgang jenes Antrags keine weitere Nahrung für die auf den Rathausfluren angeblich geführten Überlegungen sein, den Bürgermeister zum Justizsenator zu machen. Dem Vernehmen nach soll diese Zeitungsmeldung (BM als JM) allerdings eine Ente sein; der Richterverein behält das im Auge.

 

Ihr 

Wolfgang Hirth