(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 2/04, 27) < home RiV >

Makowka auf dem Holzweg

Zu Makowka: „Recht und Ethik“

 - MHR 1/2004, S. 26 ff.

Makowka ist dem Wunsche Bertrams, „Letzte Instanz – Wohltat oder Plage“, MHR 3/2003, S. 10 ff., gefolgt und hat eine Stellungnahme zu der Problematik abgegeben, die üblicherweise unter dem Begriff „Sterbehilfe“ abgehandelt wird und mit der sich die Entscheidung des BGH vom 17.03.2003 (u.a. NJW 2003, 1588) befasst.

Unerfindlich ist zunächst, warum Makowka in Bertram einen „Verteidiger“ der genannten Entscheidung des BGH sieht. Das Gegenteil ist der Fall, wie jetzt auch in dem Beitrag „Beweislastfragen am Lebensende“, NJW 2004, 988, nachzulesen ist, in welchem Bertram u.a. ausführt, der BGH habe mit seiner Entscheidung „die Rechtslage bis zur Unkenntlichkeit getrübt“; die Praxis suche „mit den gesetzten Prämissen zurechtzukommen oder sie zu umschiffen“.

Bertram befürwortet in diesem Beitrag übrigens, Menschen im sogenannten Wachkoma dadurch, dass man sie nicht ernährt, zu töten, falls nicht festgestellt wird, dass sie leben wollen: „Da in Fällen wie hier die Vermutung für den Lebenswillen erschüttert ist, tritt die zunächst verdeckte Beweislage wieder voll zu Tage, die im Zweifel Rechtfertigungsgründe des positiven Tuns (des Eingriffs durch PEG-Anwendung; Form der künstlichen Ernährung, d.V.) verlangt, nicht aber Beweise für den Patientenwunsch, es solle nun nichts mehr geschehen.“

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass es in diesem Staate mit Billigung des u.a. vom Verfasser vergeblich angerufenen BVerfG demjenigen, der nicht möchte, dass sein (angeblich vom Menschen zu trennender) Körper – für Transplantationszwecke – am Leben gehalten wird, obliegt, dagegen Vorsorge zu treffen (vgl. Weise, BtPrax 1999, 15). Der Mensch (im Wachkoma, über dessen Empfinden niemand etwas weiß, der aber kostenträchtig ist) soll sterben, der Körper (dessen Organe anderen nützen können) muss leben?!

Zurück zu Makowka: Unzutreffend ist auch seine Auffassung, Bertram habe sich in dem Beitrag in den MHR „ausgewogen“ geäußert. Hingewiesen sei darauf, dass Bertram (wie dann auch in der NJW, Fn. 6) das Szenario der BGH-Senatsvorsitzenden Hahne (das Bertram offensichtlich nicht den „Schauergeschichten der Medien“ gleichstellt, von denen er kurz darauf spricht! Oder versteht er unter „Schauergeschichten“ nicht die Geschichten nach Art der BILD?!) breit zitiert: „Wie viele (der Wachkomapatienten) zuvor einen Patientenwillen – schriftlich oder mündlich – geäußert haben, aber gegen diesen Willen keinen natürlichen Tod sterben dürfen, ist mir nicht bekannt. ... Ich erhalte täglich Briefe verzweifelter Angehöriger, denen es verwehrt wird, den Wunsch des Patienten nach einem menschenwürdigen Ende durchzusetzen.“ Nur einige „provokante“ Fragen: Welche Äußerung mittels des Mundes hat die Qualität, ein mündlich geäußerter Patientenwille zu sein?! Ist es ein natürlicher Tod, nicht mehr ernährt zu werden?! Wer zählt die Briefe (oder gar die wegen Resignation nur im Kopf entstandenen Briefe) derer, die ein Verhalten im Krankenhaus oder im Heim, das das Leben nicht oder unzureichend achtet, beklagen?! Wer filtert die Angehörigen heraus, die die Situation für sich nicht mehr ertragen und dies auf den Kranken projizieren?! Welche Rechte haben Angehörige als Angehörige, die ihnen verwehrt werden (könnten)?! Wie hoch ist der Prozentsatz der Angehörigen, die bei der Durchsetzung bereit sind, selbst (un)tätig zu sein?! Und: Was ist mit denjenigen Kranken, die sich nicht im sog. Wachkoma befinden, sondern z.B. im Stadium fortgeschrittener Demenz mit entsprechender Unfähigkeit zum (Aspiration und damit Lungenentzündung vermeidenden) Schlucken?!

Unter 1. (S. 27) legt Makowka dar, der BGH fordere für die von ihm postulierte Bindungswirkung an die Patientenverfügung, dass das Grundleiden „einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen“ haben müsse. Richtig ist, dass der BGH die für den Betreuer gegebene Bindungswirkung entsprechend eingeschränkt hat, weil dieser (kraft staatlich verliehener Kompetenz) für einen anderen Menschen entscheidet; ist also die Patientenverfügung geeignet, ohne Umsetzung durch einen Betreuer zur Geltung zu kommen, greift keine vom BGH festgelegte Einschränkung der Bindungswirkung ein (wann einer Patientenverfügung diese Eignung zukommt, ist eine andere – schwierige – Frage). Der Umstand, dass die der BGH-Entscheidung zugrundeliegende Angelegenheit einen sog. Wachkoma-Patienten betrifft, zeigt im übrigen in der Tat, dass es nicht „nur“ bzw. eher nicht um sterbende Menschen (hier lägen ja auch keine lebenserhaltenden, sondern das Sterben verlängernde Maßnahmen vor!), sondern allgemein um Menschen geht, die ohne ärztliches Eingreifen bzw. ohne Fortwirkung ärztlichen Eingreifens (z.B. Gebrauch der installierten PEG-Sonde) sterben würden.

Unter 2. (S. 27) bedauert Makowka, dass in der BGH-Entscheidung nicht „durchschimmere“, dass die Umsetzung einer Patientenverfügung Sorgfalt, Behutsamkeit und Zeit verlange. Leider bleibt er die Darstellung schuldig, wie ein solches Durchschimmern hätte aussehen sollen. Zum Thema „Zeit“ ist vielmehr der Hinweis des BGH im wahrsten Sinne des Wortes lebenswichtig, dass während des vormundschaftsgerichtlichen Genehmigungsverfahrens keine vollendeten Tatsachen geschaffen werden dürfen!

Unter 3. (S. 28) führt Makowka aus, es sei unklar, ob die Bindungswirkung der Patientenverfügung auch bei Patienten im jüngeren Alter „unbesehen“ (mit „“ auch bei Makowka) eingreife. Das Wort „unbesehen“ will auf keine Patientenverfügung passen, aber für Unterschiede mit Blick auf das Lebensalter des Verfügenden zur Zeit der Verfügung und/oder zur Zeit des in Frage stehenden ärztlichen Handelns spricht nichts; das Problem ist vielmehr, ob wirksam verfügt wurde und ggf. für welche Konstellation was (wahrlich Problem genug!).

Unter 4. (S. 28) könnte Makowka so verstanden werden, er halte den Arzt grundsätzlich für verpflichtet, den mutmaßlichen Willen des Patienten aufzuklären (falls kein erklärter Wille vorliegt). Es besteht nicht nur keine solche Verpflichtung, sondern es wäre verfehlt, wenn der Arzt sich in einer Situation wie der hier zu besprechenden auf einen mutmaßlichen Willen des Patienten stützte! Der Arzt hat sich vielmehr an einen wirksam Bevollmächtigten bzw. an den Betreuer zu halten oder hat beim zuständigen Vormundschaftsgericht anzuregen, dass für den Patienten ein Betreuer bestellt wird! Und den Bevollmächtigten oder Betreuer hat der Arzt nicht zu befragen, was der Bevollmächtigte oder Betreuer denn will, sondern der Arzt hat dem Bevollmächtigten oder Betreuer „nur“ zu sagen, was aus ärztlicher Sicht indiziert ist, was also – in der Terminologie des BGH – aus ärztlicher Sicht angeboten wird (vgl. Makowka unter 6., allerdings ohne den dortigen letzten Satz!). Die oft berichtete ärztliche Äußerung „wenn Sie das wollen, dann machen wir das, obwohl wir es von uns aus nicht machen würden“ entspricht nicht der Rechtslage (um es einmal milde auszudrücken).

Unter 5. (S. 28) schlägt Makowka vor, diejenigen Menschen, hinsichtlich derer das Vormundschaftsgericht die vom Betreuer vorgenommene Verweigerung der Einwilligung in lebenserhaltende Maßnahmen genehmigt hat, „einem Hospiz anzuvertrauen“. Das Hospiz soll den Ausputzer spielen, wenn kein anderer das „Todesurteil“ (mit „“ auch bei Makowka) vollziehen will?! Möge jemand die Hospize vor derartigen Ansinnen bewahren!!

Unter 6. (S. 28) begrüßt Makowka, dass in den Fällen, in denen der Arzt keine lebenserhaltende Maßnahmen anbietet, „die letzte Entscheidung über das Leben eines Angehörigen dem Bereich anvertraut (wird), in den sie hingehört, nämlich in den Kreis der Familie und ihres Arztes.“ Demgegenüber ist zu beachten, dass der Betreuer das Unterbleiben des Angebotes auf seine Plausibilität zu prüfen hat (wie jede ärztliche Einschätzung) und dass aus gutem Grund „Betreuer“ nicht gleichzusetzen ist mit „Angehöriger“! Im übrigen dürfte die Idylle „Familie und ihr Arzt“ auf die meist involvierten Krankenhausärzte schwerlich zutreffen.

Unter 7. (S. 28) schließlich will Makowka eine Entwicklung gefördert sehen, die darauf ausgerichtet ist, „die Entscheidungen über das Lebensende eines Menschen mehr und mehr vom Vormundschaftsgericht und damit von einem gerichtlichen Verfahren zu entfernen.“ Wie absurd! Wenn`s ans Eingemachteste vom Eingemachten (man verzeihe mir dieses Bild) geht, dann – gerade dann – soll sich die Gerichtsbarkeit heraushalten?! Wäre es dann nicht angesagt, alle Genehmigungserfordernisse zu streichen? Eine neue Wohnung z.B. kann beschafft werden, ein neues Leben ... ! Zuzugeben ist Makowka allerdings leider, dass in diesem Staate aus Kostengründen (hier: Gejammer über die ach so kostenträchtigen Betreuungsverfahren und Betreuungen) die Laxheit mit der Bedeutung der Angelegenheit eher zu- als abnimmt: Der Bürger kann sich an der Haustür (gar) nicht sofort wirksam zum Bezug einer Zeitschrift verpflichten, muss bezüglich der sofort wirksamen Festlegung der Person des Erben seines (gesamten) Vermögens nur, aber immerhin selbst zur Feder greifen und kann sein Schicksal durch formlose Vorsorgevollmacht (hinsichtlich einiger Angelegenheiten wie z.B. der Befugnis zur sofort wirksamen – vgl. § 1906 Abs. 2 Satz 2, Abs. 5 BGB! – Bestimmung des Aufenthaltes des Vollmachtgebers in einer geschlossenen Einrichtung ist Schriftlichkeit erforderlich, aber nicht mehr, also nicht mal Handschriftlichkeit) in die Hand eines anderen legen.

Martin Weise