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Fortbildungsveranstaltung

des Hamburgischen Richtervereins

zum Strafrecht und Strafprozessrecht

 

Am 3. und 4. April 2003 fand in Haus Rissen in Zusammenarbeit mit der Justizbehörde eine Fortbildungsveranstaltung des Hamburgischen Richtervereins zum Straf- und Strafprozessrecht statt (in „Anknüpfung“ an eine vor neun Jahren am selben Ort durchgeführte gleichartige Veranstaltung).

Als Referenten und Diskussionspartner konnten wir – d.h. die teilnehmenden insgesamt 121 Kolleginnen und Kollegen aus der Hamburger Richter- und Staatsanwaltschaft – begrüßen:

Frau VRi’inBGH Harms,

die Herren RiBGH Basdorf,

RiBGH Häger,

RiBGH Schaal vom für Hamburg zuständigen 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs

sowie -  von der Bundesanwaltschaft -

Herrn OStA am BGH Dr. Franke.

 

Am 3. April 2003 wurden mehrere Arbeitsgruppen gebildet. Vormittags referierte – insbesondere für Wirtschaftsstrafrichter und
-staatsanwälte – Frau VRi’inBGH Harms über ausgewählte Fragen des Steuer- und Zollstrafrechts. Bei Markierung des Sujets in seinen zentralen Punkten unter besonderer Herausarbeitung auch der immer prägender werdenden europarechtlichen Vorgaben wurde die enge Bezogenheit dieses Rechtsgebiets auf allgemein strafrechtliche Fragestellungen deutlich. Die Beispiele waren vor allem der aktuellen neuesten Judikatur des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs entnommen, betreffend – um einige besonders markante Beispiele anzuführen – u.a. die Reichweite des „ne bis in idem“ – Satzes nach Art. 54 SDÜ in Bezug auf andere Entscheidungen als Urteile, die Hinterziehung von Branntweinsteuer nach Entziehen des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren bei Einfuhr unter falscher Warenbezeichnung und das Entziehen von Nichtgemeinschaftsware aus zollamtlicher Überwachung in einem für andere Waren zur Durchfuhr abgefertigten Container bei von Anfang an beabsichtigter bloßer Durchfuhr durch das Zollgebiet.

Diskutiert wurden auch in Rechtsprechung und Literatur offene Fragen wie die der Verfassungsgemäßheit des § 370 a AO im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot.

Am Nachmittag des 3. April 2003 referierte Herr RiBGH Häger – vor allem für die Strafrichter – zu Aufbau und notwendigem Inhalt des tatrichterlichen Urteils – Kopf, Tenor, Feststellungen zu Person und Sache, Voraussetzungen notwendiger Feststellungen zur Verfahrensgeschichte, Beweiswürdigung, Subsumtion – sowie zu den Straftatfolgen: hier insbesondere zu Anknüpfungstatsachen, Strafrahmenverschiebung, Strafzwecken und Doppelverwertungsverbot.

 

Parallel referierte am 3. April 2003 ganztägig Herr OStA am BGH Dr. Franke über allgemeine revisionsrechtliche Themen, insbesondere über die Revision der Staatsanwaltschaft und die Revisionsgegenerklärung.

Im Vordergrund seines Vortrags standen zunächst Hinweise auf aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wobei neue Entscheidungen, die sich mit der Überprüfung von Ermittlungshandlungen und richterlichen Entscheidungen in Ermittlungsverfahren durch das Revisionsgericht befassten, von besonderem Interesse waren. Gleiches gilt auch für Entscheidungen über die Notwendigkeit der Bestellung von Pflichtverteidigern bereits im Ermittlungsverfahren.

Einen weiteren Schwerpunkt im Vortrag von Dr. Franke stellten seine Ausführungen zum Beweisantragsrecht dar. Diese waren mit für die Praxis wichtigen Hinweisen auf verfahrensfördernde Stellungnahmen des Sitzungsstaatsanwalts verbunden.

 

Auf besonderes Interesse stießen auch die Anmerkungen zu Anforderungen und Fehlern in Revisionen der Staatsanwaltschaft. Das Erfordernis, in bestimmten Verfahrenssituationen seitens der Staatsanwaltschaft Beweisanträge zu stellen, wurde erörtert und diskutiert. Dr. Franke stellte klar und belegte dies auch mit vielen Beispielen, dass an Revisionen der Staatsanwaltschaft sehr hohe Anforderungen gestellt werden, was insbesondere für allgemeine Aufklärungsrügen gilt.

 

Abschließend ging Dr. Franke auf die bei der Staatsanwaltschaft nicht sehr beliebten Revisionsgegenerklärungen ein. Er erklärte den Sinn und Zweck der Revisionsgegenerklärung. Anschließend erläuterte er die Anforderungen an ihren Inhalt.

 

Am 4. April 2003 wurden alle Arbeitsgruppen für Richter und Staatsanwälte zusammengefasst. Es referierte zunächst Herr RiBGH Basdorf zum Beweisantragsrecht und Strafprozessrecht (Revisionsgründe). Einzelthemen zum Beweisantragsrecht waren insbesondere die Konnexität von Beweismittel und –behauptung, die Bestimmtheit des Beweismittels, das Verbot der Beweisantizipation, Zeitpunkt und Form von Antragstellung und Entscheidung, die Ablehnungsgründe: Unzulässigkeit (keine Beweisaufnahme über die Beweisaufnahme, Problematik des als Zeugen benannten Richters), Wahrunterstellung, Bedeutungslosigkeit, Besonderheiten beim Auslandszeugen.

 

Betreffend das Revisionsrecht wurden namentlich behandelt die Besetzungsrüge, die „mittelgroße“ Strafkammer (zwei Berufsrichter), Richterablehnung und Unaufschiebbarkeit, die Abwesenheit des Angeklagten, die Videovernehmung, Verteidigerkonsultation und Interessenkollision des gewünschten  (Pflicht-)Verteidigers, die Telefonüberwachung, die Verfahrensverzögerung, der „deal“, die Fassung des Hauptverhandlungsprotokolls und der Strafklageverbrauch.

 

Anschließend trug weiter vor Herr RiBGH Häger insbesondere zu Problemen der Gesamtstrafenbildung, des Maßregelrechts und des Verfalls.

Auch die Ausführungen von Herrn RiBGH Häger und Herrn RiBGH Basdorf stellten entscheidend auf die neueste Rechtsprechung des BGH, vor allem des 5. Strafsenats, ab.

 

Sämtlichen Referaten war gemeinsam, dass sie in geradezu fesselnder Vortragsweise ausnahmslos zielgenau die Schwerpunkte bezeichneten, die im Mittelpunkt der praktischen Arbeit des Strafrichters und des Staatsanwalts stehen. Die erfolgte präzise Bezeichnung des in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gesicherten dogmatischen und rechtssystematischen Erkenntnisstandes zu den jeweils angesprochenen Problemkreisen stellte so für die Teilnehmer der Veranstaltung eine hervorragende Handreichung dazu dar, auch in schwierigen, insbesondere eiligen Handlungs- und Entscheidungsbedarf auslösenden Prozesssituationen (namentlich in der Hauptverhandlung) bündig und zielsicher zu den geforderten rechtlich zutreffenden Entscheidungen zu gelangen. Gleichzeitig wurden durch die Referate wertvolle Hilfen für die Abfassung schriftlicher Produkte – insbesondere von Urteilen und Anklagen – gegeben.

Das Ziel der Veranstaltung, Berufsanfängern ebenso wie bereits länger tätigen Kolleginnen und Kollegen eine fundierte und unmittelbar praktisch verwertbare juristische Hilfe für die überbordende tägliche praktische Arbeit zu bieten, ist damit vollen Umfangs erreicht worden. Ausweis dessen waren die zahlreichen Fragen aus dem Teilnehmerkreis und die sich ergebenden angeregten Diskussionen.

Es stellte sich dabei heraus, dass Stoff und Interesse der Teilnehmer/innen ohne Weiteres auch für eine deutlich längere als die tatsächliche Veranstaltungsdauer von ein einhalb Tagen vorhanden gewesen wären.

Den Mitgliedern des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs sowie Herrn OStA am BGH Dr. Franke sei auch an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich für ihren generösen Besuch in Hamburg gedankt. Ein nicht minder herzlicher Dank gilt den Referenten vom 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs sowie dem Senatsmitglied Herrn RiBGH Dr. Brause für die freundliche Überlassung umfangreicher schriftlicher Unterlagen an die Teilnehmer zur weiteren Vertiefung der angesprochenen Fragen.

Es steht – mit den Schlussworten von Frau Harms – zu hoffen, dass die nächste gleichartige Veranstaltung nicht erst wieder nach Ablauf von neun Jahren stattfinden wird!

Dr. Gerd Augner / Johann Meyer