(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 2/02, 23) < home RiV >

Kaum Burnout bei Richtern

Am 25.04.02 hielt Dr. med. Wegner im OLG einen Vortrag zum Thema „Berufliche Belastung von Richtern aus arbeitsmedizinischer Sicht im Vergleich mit anderen psychomental belasteten Berufen“. Eingeladen hatten der KommuVerein und der Richterverein. Der Vortrag referierte die Ergebnisse von Untersuchungen in Norddeutschland, in denen die Burnout-Syndrome verschiedener Berufe miteinander verglichen wurden: Lehrer, Ärzte, Richter und Architekten.

Anlass für die Erhebung war der hohe Anteil von Lehrern, die vorzeitig in den Ruhestand gehen bzw. dienstunfähig sind. Für die Untersuchung dieses Phänomens waren Vergleiche mit anderen Berufen erforderlich.

Das Interessanteste vorweg: von den verglichenen Berufen hatten die teilnehmenden Richter die „kürzeste“ Wochenarbeitszeit mit 44,5 (+/- 7,8) Std. Hierbei ist jedoch meiner Ansicht nach zu berücksichtigen:

Die Richter hatten das geringste Burnout-Syndrom (gemessen an Erschöpfung, Motivation und Distanziertheit): Richter 5 %, Architekten 10,5 %, Lehrer 19,5 %, Ärzte 23,3 %.

Das um 3 bis 5 Jahre höhere Durchschnittsalter der teilnehmenden Richter wirkte sich nicht aus; vielmehr nahm die Erschöpfung mit zunehmendem Alter sogar etwas ab.

Die Zahl der Tage mit Arbeitsunfähigkeit war bei den Richtern etwa gleich hoch wie bei Ärzten und Architekten; bei Lehrern war die Zahl etwa doppelt so hoch.

Die Zahl der Krankheitstage war bei Richtern vergleichbar mit den Lehrern; sie war höher als bei Ärzten und Architekten.

Keine Krankheiten zu haben, gaben bei Richtern 51 % und bei Lehrern 16 % an.

Die Erkrankungen im psychischen Bereich waren bei den Richtern am geringsten.

Bei Richtern gab es zwischen Männern und Frauen kaum Unterschiede im Krankheitsbereich; das war bei den übrigen Berufen anders.

Bei Richtern ergaben sich auch keine geschlechtsspezifischen Probleme aus dem Umstand, dass Männer eher produktorientiert und Frauen eher kommunikationsorientiert arbeiten; das war besonders bei den von Wegner als Männerberuf angesehenen Architekten anders, wo die Frauen einen hohen Anteil an psychischer Behandlung hatten.

Unter den im jeweiligen Beruf Vollzeit tätigen Frauen war bei Richtern der Anteil von Frauen mit Kindern am höchsten: Richter 52 %, Ärzte 35 %, Lehrer 32 %, Architekten 12 %.

Wegner war sehr überrascht davon, dass die Richter trotz mangelnder Anwesenheitspflicht nur 8,4 Std./Woche zu Hause, aber 35,6 Std. im Dienstgebäude arbeiteten. Die Lehrer brachten es auf 15,8 Std. zu Hause und 32,5 Std. im Dienstgebäude.

Wegner traf die Richter fast immer in ihren Dienstzimmern an. Er hielt die Trennung zwischen Dienst und Privatsphäre für bedeutsam für einen geringen Burnout. Häusliche Telearbeitsplätze würden die Gefahr einer Selbstausbeutung in sich bergen.

Ein weiterer Umstand sei die Zufriedenheit mit der Kollegenschaft. Die Richter kämen mit ihren Kollegen besser zurecht als die Lehrer mit ihren Kollegen. Dass das Burnout-Syndrom bei niedergelassenen Ärzten (29,5 %) am größten sei, sei mit darauf zurückzuführen, dass sie – anders als die Krankenhausärzte – intern wenig Gesprächspartner haben.

Interessant ist auch das Verhältnis der Gerichtsinstanzen untereinander: der subjektive Erschöpfungsgrad war am Amtsgericht höher als am Landgericht, und dort höher als am OLG. Andererseits war auch die Einschätzung der eigenen Leistungsfähigkeit am Amtsgericht höher als am Landgericht, und dort höher als am OLG.

Zum Schluss noch ein paar Fundstellen:

Wegner schrieb zusammen mit anderen mehrere wissenschaftliche Aufsätze. Gerade auch Richter betreffende Aufsätze sind veröffentlicht in:

  • MedReview 1/2000, 17 (www.blackwell.de/journale/jmr/jmr0001.pdf; dieser Aufsatz betrifft Auswertungen von Fragebögen)

  • MedReview 6/2001, 7 (www.blackwell.de/journale/jmr/jmr0106.pdf; dieser Aufsatz betrifft primär die Körperuntersuchungen bei Richtern, insbesondere die „Killerzellen“-Messung für den Vergleich zwischen Sitzungstag und sonstigem Tag).

  • Nächstes Jahr wird die Richter betreffende Doktorarbeit von Frau Heidenreich erscheinen.

    In seinem Aufsatz in MedReview 6/2001 erwähnt Wegner auch die von Renk 1996 referierten Ergebnisse einer vom hessischen Richterbund initiierten Befragung zur Berufszufriedenheit. Renk - früher Mitglied des DRB-Präsidiums - hat die Ergebnisse noch detaillierter berichtet in den Mitteilungen des Richterbundes Berlin 3/96, 12 ( = http://www.richterverein.de/aktuell/aktuell.htm#renk). Der Hinweis Wegners auf die unterschiedlichen Rücklaufquoten (Hamburg: 43 % von 1.138 = 487; Hessen: 26 % von 1.600 = 410) reicht nicht aus, die hessischen Ergebnisse für nicht repräsentativ zu halten (zumal die absoluten Zahlen fast gleich hoch sind). Anders als die Regierung Hessens behauptet Wegner deshalb auch gar keine mangelnde Repräsentativität der Hessischen Untersuchung; in der Hamburger Feldstudie (körperliche Untersuchung) wurde sogar die Anzahl von nur 21 untersuchten Richtern für ausreichend erachtet. Also: auch Renk bleibt aktuell.

    Wolfgang Hirth


    nachträgliche Anmerkungen des Autors: