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Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

die Stellungnahme des Vorstandes, mit der wir unser Heft beginnen, bezieht sich auf die Veröffentlichung der unterschiedlichen Vorschläge des Justizsenators und der Richterschaft für die Position des Landgerichtspräsidenten und auf eine Presseveröffentlichung, in der ein ehemaliges Mitglied des Richterwahlausschusses Kritik geübt hatte. Zwischenzeitlich hat der Richterwahlausschuss entschieden: Der neue Landgerichtspräsident ist der bisherige Vize, Volker Öhlrich, der dem Landgericht bereits seit Januar vorgestanden und die Geschäfte geführt hat. MHR gratuliert zur Wahl und wünscht eine glückliche Hand in schwieriger Zeit.

Man kann Qualitätsseminare abhalten soviel man will – der Anspruch zügiger Rechtsgewährung, in der der Rechtssuchende verlässliche und mit der gebotenen Sorgfalt getroffene Entscheidungen erhält, bei denen sowohl das deutsche als auch das immer wichtiger werdende europäische Recht kundig berücksichtigt werden, ist nur zu erfüllen, wenn die erforderliche Zeit dafür zur Verfügung steht. Zeit bedeutet Personal. Personal bedeutet Geld. Der Verzicht auf Sparquoten aus der Vergangenheit ist positiv, schafft aber keine Stelle mehr. Wenn zur Entlastung zweier Kammern für Handelssachen für gewerblichen Rechtsschutz eine weitere Kammer eingerichtet wird, diese aber schon nach kurzer Zeit wegen eines Wechsels nicht mehr besetzt ist und dann auf nicht absehbare Zeit durch die zwei Vorsitzenden, zu deren Entlastung die Kammer geschaffen wurde, verwaltet werden soll, kann dies nur als Etikettenschwindel bezeichnet werden. Dies führt zur Verzögerung der Verfahren und zur Verschlechterung des Produkts. Gerade in Wettbewerbsstreitigkeiten, in denen der Gerichtsstand nahezu frei wählbar und die beteiligte Anwaltschaft einen überschaubaren Kreis bildet ist, hat eine solche Situation die Abwanderung an andere Standorte zur Folge. Dies mag der eine oder andere im Interesse der Entlastung der Hamburger Justiz befürworten – wer so denkt, vernachlässigt den Wirtschaftsstandort Hamburg, zu dem eine funktionierende Ziviljustiz - gerade in Handelssachen – gehört und verzichtet angesichts hoher Gegenstandswerte auf erhebliche Einnahmen. Dies gilt im übrigen nicht nur für Wettbewerbsstreitigkeiten, sondern für die Handelssachen im allgemeinen. Zahlreiche Verfahren mit Millionenstreitwerten werden (noch) an die Hamburger Kammern prorogiert, weil sich die 16 Kammern für Handelssachen überregional großer Wertschätzung erfreuen. Qualitätssicherung erfordert hier schlicht, weiterer Reduzierung einen Riegel vorzuschieben. Pensionierungen kommen in der Regel nicht überraschend. Eine rechtzeitige Ausschreibung und Neubesetzung der Stellen wäre also durchaus möglich. Aber mit Vakanzen lässt sich vermeintlich ja gut sparen. Vermeintlich!

Erfreuliches gibt es auch zu berichten: Auf unseren Aufruf, doch etwas zur Illustration der MHR beizusteuern, hat uns Kollege Andreas Martins, der Vorsitzenden des Schleswig-Holsteinischen Richterbundes, seine Justizkarikaturen zur Verfügung gestellt. Mit Freude machen wir davon Gebrauch und präsentieren Ihnen in diesem Heft einige daraus. Weitere folgen. Mein Favorit ist die „Herrschende Meinung“, vor der die Mindermeinung zaghaft ihre Stimme hebt und keine Chance für die Rolle hat, die George Bernard Shaw dem Andersdenker zumaß, als er sagte „Jeder Despot muß einen illoyalen Untertan haben, der ihn geistig gesund hält“. Dieser Despot dürfte beratungsresistent sein. Auffällig ist an den treffenden Zeichnungen Andreas Martins - wie schon bei den Justizkarikaturen des Hamburger Lehrers Peter Jens (Sie werden seinen „Staranwalt“ in der Sternenrobe oder die gewaltigen Landschaften des „Rechtsfreien Raumes“ kennen): Auch bei Andreas Martins fehlen die Frauen nahezu vollständig. Ist das ein gutes Zeichen? Bieten die fabelhaften Frauen keinen Ansatz zur Karikatur? Das wird so sein.

Für die bevorstehenden Sommertage wünscht Ihnen die Redaktion die rechte Mischung aus neuen Eindrücken, herzlichen Begegnungen und Stunden der Muße, in denen Sie vielleicht auch auf eine Reise in die jüngere Vergangenheit zu Käthe Manasse, in die weit zurückliegende Lebenszeit Hermann Langenbecks gehen oder einen intellektuellen Ausflug in die historisch-literarische Kontroverse Irving versus Lipstadt anlässlich der Lesung Eva Menasses in der Grundbuchhalle oder einfach gar nichts unternehmen. Der Trend dieses Sommers ist ja das dolce far niente – die Experten singen das Lied der Faulheit. Wie auch immer Sie dem Hamburger Staat pflichtgemäß ihre Arbeitskraft erhalten: Viel Vergnügen dabei!

Karin Wiedemann