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Qualität für die Justiz ?

Zum Thesenpapier des Deutschen Richterbundes "Qualität in der Justiz"

Kompromisspapiere sind täglich Brot in einer Demokratie, sind die Geister doch regelmäßig zu schwach oder die divergierenden Meinungen zu stark, um zum schlüssigen, "wirklich Richtigen" ganz durchzudringen. So ist auch das Thesenpapier des Deutschen Richterbundes von einem Nebeneinander von Richtigem (d.h. der Rechtsprechungsfunktion Gerechtem) und Falschem (Ausweitung von exekutivischem Management) geprägt. Das wäre vielleicht nicht weiter der Rede wert, wenn nicht wie hier das Richtige so theoretisch bliebe, während das Falsche auf praktische Durchsetzung angelegt ist - oder, wie ein Kollege lakonisch zusammenfasste: "für die einen Sonntagsreden, für die anderen Führungsinstrumente".

Die gängige Gelassenheit des Praktikers, der sich schon lange von "all diesen Papieren" nicht mehr in seiner Tagesarbeit stören lassen will, wäre auch deshalb fehl am Platze, weil die Führung des Deutschen Richterbundes wohl selbst diese Positionsmarkierung für so brisant hält, dass man damit zunächst nur in Form eines in den Landesverbänden zu diskutierenden Diskussionspapieres an die Öffentlichkeit geht.

Wendet man sich dem Text zu, so fällt bei der Einleitung auf, dass hiernach das Thema nicht etwa wegen eines durch den Richterbund in der bundesdeutschen Justiz festgestellten besorgniserregenden Qualitätsdefizits aufgegriffen worden ist (Empirie hierzu wird nicht einmal angedeutet), sondern Qualität der Justiz im Sinne einer Verteidigung gegen unberechtigte Angriffe und Ansinnen von außen in das Bewußtsein gerückt werden soll. Die Benennung des Neuen Steuerungsmodells als wesentliche Gefährdung der Qualität ist völlig zutreffend - die weiteren Thesen werden belegen müssen, ob man dieser Gefahr zu begegnen versteht.

Keiner näheren Erörterung bedürftig, sondern im wesentlichen zutreffend und sachgerecht erscheinen die Aussagen zu den Grundlagen unter I.1., I.2. und I. 5.. Wenn es allerdings schon in I.3. zur Betrachtung des Richterbildes heißt, kein Beruf könne sich den Veränderungen der Zeit entziehen, und der Wandel auch in der Justiz, gerade in den Bereichen Technik, Teamarbeit, Öffentlichkeitsarbeit und Management sei unverkennbar, so deutet dies bereits auf einen Mangel an Differenzierung zwischen den (soeben unter I.1. aus der Verfassung hergeleiteten) funktionsbezogenen Notwendigkeiten ("Richterbild") einerseits und andererseits dem Umfeld, in dem sich dieses Bild zu bewähren hat. Differenzierte man, so wäre zu prüfen, welche Technik, welche Teamarbeit, welches Management zum Rechtsprechungsauftrag passt - dieser Auftrag ist der Maßstab nicht allein für die Richter, sondern auch für die ihre Tätigkeit umgebende, eigentlich zu ihrer Unterstützung bestimmte Organisation.

Die nüchterne und der Verteidigung von Standesdünkeln unverdächtige Kosten- und Leistungsrechnung trifft hierzu übrigens eine klare Aussage: Als maßgeblicher Produzent bildet der Richter die Hauptkostenstelle, die Servicebereiche einschließlich der Gerichtsleitung sind demgegenüber Hilfskostenstellen. Sollte der Deutsche Richterbund feststellen, Management und Öffentlichkeitsarbeit gehörten nun zu den Facetten der richterlichen Arbeit (I.3.), die Richter seien gehalten, die von anderen geschaffenen Rahmenbedingungen in optimaler Weise auszunutzen (III.2.) bzw. die Justiz habe sich auf die Übertragung des Neuen Steuerungsmodells einzustellen (Einleitung), so passte er sich allzu früh den vermeintlichen Realitäten an und begäbe sich seines Gestaltungsanspruches und -auftrages an besonders wichtiger Stelle. Tatsächlich ist nämlich ein wesentlicher Teil der genannten Rahmenbedingungen noch nicht vorhanden, ist namentlich die praktische Umsetzung des Neuen Steuerungsmodells in den Verwaltungsalltag erst jetzt in der Konkretisierungsphase und erfährt durch das Richterbundspapier eine Unterstützung in die falsche Richtung. Der unter II.1. aufgeführte Katalog von Zielen richterlicher Arbeit, die nach dem Text mit Qualitätskriterien gleichzusetzen seien, weist 13 Punkte und damit in dem bisherigen bei 3 Kriterien beginnenden und nach oben offenen Spektrum einen mittleren Abstraktionsgrad auf. Weil in der Einleitung in aller Deutlichkeit und Schärfe festgestellt wird, es handele sich um Qualitätskriterien, die, aus der Verfassung abgeleitet, für den Richter "bindend und verpflichtend" seien, verdienen die Aussagen größte Aufmerksamkeit - und sollten besonders klar gefasst sein. Erläuterungsbedürftig erscheint deshalb, was "Einbindung richterlicher Arbeit in die Gesellschaft" (II.1.5) bedeuten soll, was den Unterschied ausmachen soll zwischen "verständlicher Sprache" (II.1.5) und "verständlicher Form" (II.1.8), welcher Teambegriff den Maßstab abgibt für das Ziel "teamorientierte Zusammenarbeit mit den Assistenzkräften" (II.1.11) und was sich dahinter verbirgt, dass die "Darstellung der Arbeit nach außen" (II.1.12.) nunmehr Ziel und Aufgabe eines jeden Richters sein sollen. Wie berechtigt und sinnvoll es im übrigen ist, dass der Deutsche Richterbund seinen Mitgliedern nun die "individuell organisierte Erreichbarkeit" (II.1.11) abverlangt, mögen andere in Frage stellen; besonders betroffen wären diejenigen, die ihre Pensen unterhalb der 38 Stundenwoche erledigen und darüber hinaus mit ihrem Gericht nichts zu tun haben wollen bzw. gewohnt sind, in sonstiger Weise die Werktage gerichtsfern zu gestalten. Die klaren und unbedingten Aussagen zu den Qualitätsanforderungen sind noch aus anderem, für das Systemverständnis viel wichtigerem Grund ergänzungsbedürftig. Eine Stellungnahme zu dem im Alltag der begrenzten Ressourcen typischen Problem der Zielkonflikte ist nämlich, bis auf eine klare Ausnahme und Andeutungen in der Attributauswahl, nicht erkennbar. Das Problem hatte der Kommissionsvorsitzende PrLG Mackenroth in seinem Aufsatz (DRiZ 2000, 301, 308) noch wie folgt benannt: "... die Zielkonflikte zwischen Schnelligkeit und Gründlichkeit, zwischen juristischer Professionalität und Verständlichkeit für den Bürger, zwischen Effektivität der Beweisaufnahme und Kostenaufwand, zwischen Erledigungsart und Akzeptanz bei den Betroffenen"; hierzu hatte er einer Scheinlösung mit "Leerformeln" wie "so schnell wie möglich, so gründlich wie nötig" eine Absage erteilt. Eindeutig - und zu begrüßen - ist die Kommissionsstellungnahme nur insoweit, als unter II.1.13. die Wirtschaftlichkeit als Ziel richterlichen Handelns zwar genannt, aber den qualitativen Anforderungen ausdrücklich untergeordnet wird. Schon für den gewöhnlichen Konflikt zwischen "Entscheidung in angemessener Zeit" unter Beachtung der "berechtigten Interessen der Beteiligten" und der "sorgfältigsten Anwendung des materiellen Rechts ..." gibt der Katalog allenfalls noch eine Andeutung, - der Satz "Die Qualität der Arbeit muss Vorrang vor der Quantität haben" findet sich erst unter IV. 1., d.h. in ganz anderem Zusammenhang - indem die Gründlichkeit mit einem Superlativ herausgehoben wird, die Schnelligkeitsaspekte hingegen mit dehnbareren Attributen relativiert werden.

Diese Wertung ist in ihrer Tendenz der Rechtsprechungsfunktion angemessen; das allgemeine Problem ist damit nicht gewürdigt.

Festzustellen ist vielmehr, dass die vielfältigen Aspekte der rechtsstaatlichen Qualität richterlicher Arbeit zwar abstrakt beschrieben werden können. Dies kann aber schon tatsächlich wegen der Gegenläufigkeit (Zielkonflikte) einzelner Qualitätskriterien nicht zu eindeutigen Vorgaben führen. Die Bewertung der konfligierenden Qualitätsziele ist überdies notwendiger Teil der Anwendung insbesondere des Verfahrensrechts und damit rechtlich, kraft der Verfassung, originäre und alleinige Aufgabe des gesetzlichen Richters. Wer als Nichtbeteiligter insgesamt beurteilen will, ob die Fallbearbeitung "gut" ist, setzt sein Werturteil an die Stelle desjenigen des berufenen Richters.

Die bisher in der Praxis anzutreffenden faktischen Standardisierungen in Form von Bearbeitungsroutinen, Unterhaltstabellen, Streitwertkatalogen etc. sind kein Beleg für entgegenstehendes Gewohnheitsrecht. Sie sind gerade nicht bindend, sondern achten die Entscheidungskompetenz des Richters; überdies sind sie, soweit sie Rechtsprechungsinhalte betreffen, regelmäßig Kinder der Not, wenn nämlich der Gesetzgeber eine so weite Lücke gelassen hat, dass dies im Interesse der Rechtssicherheit nicht hinzunehmen ist. Die im Text an Stelle einer Erklärung zu den Zielkonflikten unter II. 2. anschließende Feststellung, Rechtsanwendung und Entscheidungsfindung seien nur in Grenzen (gemeint: in Teilaspekten) messbar, ist so richtig wie wichtig Hieraus müssen aber auch die notwendigen Konsequenzen gezogen werden. Daran fehlt es vorliegend; geradezu im direkten Widerspruch hierzu wird unter III.1. der gerichtsintern grenzenlosen Erhebung und Verwendung von Daten das Wort geredet. Hier wird behauptet, ein (suggeriert: vollständiges) "Abbild der Arbeitsweise" sei dank der "Computertechnik" möglich und "eine sinnvolle interne Qualitätskontrolle" setze "die Auswertung der verfügbaren Daten voraus", seien sie doch ein wichtiges Hilfsmittel zur "Überwachung der dargestellten Qualitätsmaßstäbe". Das ist so widersprüchlich wie unsubstantiiert, weil nicht ansatzweise erkennbar wird, wie etwa die Einhaltung der Qualitätskriterien "Gehorsam gegenüber Recht und Gesetz", "genaue Kenntnis und sorgfältigste Anwendung des materiellen Rechts unter Beachtung der Verfahrensordnungen bei genauer Tatsachenfeststellung" "Entscheidungsfindung in richterlicher Unabhängigkeit und unparteiisch" etc. "auf Knopfdruck" ablesbar sein sollten.

Diese Inkonsistenz gemahnt an die zutreffende Rüge in dem Einleitungstext, wonach Elemente des Neuen Steuerungsmodells, u.a. Kennzahlen und Qualitätsstandards, "vielfach unreflektiert auf die Justiz übertragen" würden.

Der unter II. 3. vorgeschlagene Rekurs auf "die wissenschaftlich entwickelten, gängigen Methoden des Qualitätsmanagements" oder gar der Rat, "externe Hilfe" (Unternehmensberater) in Anspruch zu nehmen, deutet in die gleiche Richtung. Tatsächlich bietet die Betriebswirtschaftslehre Vielen Vieles, hat aber für das hier vorliegende Problem der standardisierten Lösung von Einzelfällen auch keine Antwort parat - was nicht bedeutet, dass ein Unternehmensberater dies einräumen würde. Allzuviel Respekt vor der praktischen Sozialwissenschaft BWL ist angesichts ihrer Breite und Flexibilität jedenfalls nicht angebracht. Ihre Zeitgebundenheit, um nicht zu sagen, Anfälligkeit für Moden, hat in jüngerer Zeit ein für jeden Aktienbesitzer augenfälliges Beispiel gefunden: Man erinnere sich der "neuen" Modelle zur Unternehmens-Bewertung, die für den Börsenhöhenflug der "New Economy" geliefert wurden und mit denen die Substanzwertanalyse in großer Geste für überholt erklärt wurde - jetzt, keine zwei Jahre später, ist aus der "New" die geplatzte "Bubble-Economy" geworden und die "neuen Erkenntnisse der Wissenschaft" sind Makulatur.

Den institutionalisierten Unternehmensberater, den Gerichtsmanager, lehnt das Papier allerdings auch selbst ab - wie es auch viele Gerichtspräsidenten, deren Kompetenzen sonst in Frage gestellt wären, tun.

Wegen der Immaterialität und Komplexität der Leistung sowie wegen des Konkretisierungsmonopols des gesetzlichen Richters ist die Rechtsprechungstätigkeit vielmehr einem herkömmlichen standardisierten und kennzahlenbasierten Qualitätsmanagement entzogen.

Noch aus einem anderen Grunde ist der Abschnitt III.1. der unter den Gesichtspunkten der Rechtmäßigkeit wie auch der Zweckmäßigkeit am deutlichsten abzulehnende Teil des Papiers: Hier wird für den Bereich der Qualität praktisch alles übernommen, was das NSM-Controlling bislang nur für die quantitative Seite gefordert hatte. Dabei handelt es sich bezogen auf das Qualitätsmanagement zwar um einen untauglichen Versuch, weil, vgl.o., die Qualität nicht hinreichend messbar ist; dies macht die Sache aber nicht besser, sondern schlechter, weil hiermit der Freifahrtschein für das quantitative Controlling ausgestellt wird

Geleugnet wird dabei die mit dem Gebot der richterlichen Unabhängigkeit unvereinbare verhaltenslenkende Wirkung eines solchen umfassenden Berichtswesens, der EDV-gestützt vollständigen Durchleuchtung des richterlichen Handelns sowie der - und sei es nur gerichtsinternen - Veröffentlichung von (überdies verzerrenden, weil, vgl.o., unvollständigen) Leistungsdaten.

Wer sich hierüber noch nicht im Klaren ist, möge sich nur vorstellen, er fordere einen in der Gerichtshierarchie über ihm Stehenden zur Rechenschaft über dessen Tätigkeit auf. Bis auf die Fälle hoch disziplinierter, selbstkritischer, d.h. souveräner Persönlichkeiten oder moderner Kommunikatoren - auch die werden jedenfalls Nachfragen kaum mehr tolerieren - wird dies unmittelbar als Verletzung des Über- Unterordnungsverhältnisses empfunden und sanktioniert werden. Der Aufforderung zum Bericht ist eben nach herkömmlichem Empfinden nur der Untergebene ausgesetzt, d.h. derjenige, der nun darlegen muss, wie er die Erwartungen und Forderungen seines Vorgesetzten erfüllt hat. Auf den Richter passt dies nicht: Das Thesenpapier stellt selbst fest, dass der Richter sich nicht an Vorgesetzten auszurichten hat, sondern seinen Auftrag von der Verfassung bzw. vom Gesetzgeber erhält; hinzu tritt die Feststellung, dass es seine Sache ist, die dem Einzelfall gemäße Qualität zu bestimmen. Es sollte nicht die Sache des Deutschen Richterbundes sein, neue Strukturen zur Unterordnung der Spruchrichter unter die Verwaltung zu fordern. Zumindest sollten die Beweislastregeln gewahrt bleiben und das Controlling-System belegen, auf welche Weise, mit welcher Effektivität und für welch überragend wichtige Belange es eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit verlangt. Konsequent durchgehalten wird dieses Leugnen allerdings nicht. Denn schon in dem Falle der Verwendung außerhalb des Gerichts sollen die Daten dann wieder "sensibel" sein und "dürfen" nicht weitergegeben werden (vgl. III.1.).

Das leitet über zu dem weiteren Kernproblem des gerichtsinternen Qualitätsmanagements, wie es an den von dem Papier geforderten "Qualitätszirkeln" mit ihren Maßnahmen der "Qualitätskontrolle", insbesondere der Setzung von "Standards" zur "Einhaltung" von Qualitätsmerkmalen manifest wird (vgl. III.3.). Die soeben zitierte Differenzierung zwischen "innen" und "außen" ist nämlich rechtlich wie tatsächlich nicht überzeugend. Rechtlich unternimmt jeder, der nicht zu dem berufenen Spruchkörper gehört, aber gleichwohl mit Autoritätsanspruch etwas zur Sachbehandlung sagen will, den Versuch, Dienstaufsicht auszuüben. Mögen die Kollegen im Qualitätszirkel sich noch so sehr "Richter" nennen; sie üben dort Verwaltungstätigkeit aus und ihr Tun ist dementsprechend zu beurteilen. Ebenso ist der Sache nach - gerade bezogen auf die Handhabung des Verfahrensrechts - das "Innen" des Gerichts immer nur dann Schonraum der richterlichen Unabhängigkeit gewesen, wenn entweder ein "Richter-Präsident" amtierte oder aber die Richterschaft besonders problembewußt war.

Im übrigen ist die suggerierte Abschottung der Daten nach außen illusorisch. Sie stünde geradezu in direktem Gegensatz zum System der Neuen Steuerung. Die Figur des strategischen Controlling durch das Ministerium (nicht das Obergericht) besagt nur, dass die laufende Datenlieferung auf Zusammenfassungen (aggregierte Daten) beschränkt ist. In jeder kritischen Situation aber – sei es bei Mittelanforderungen, sei es bei einem Abfallen im Benchmarking-Wettlauf mit den Vergleichsgerichten – wird man alle Daten zu liefern haben, weil die Gegenseite es dann "genau" wissen will. Oder sollte bereits vergessen sein, dass eines der wesentlichen Argumente für das NSM in der Politik darin bestand, auf diese Weise könne keiner mehr etwas verbergen und könne darauf hingewirkt werden, dass vor weiteren Mittelzuweisungen die Dienststellen erst einmal ihre Fettpolster abzuschmelzen und Rationalisierungsreserven zu aktivieren hätten? Die vorgeschlagene 4-stufige Qualitäts-Zirkelei (vgl. III. 3. a) bis d)) schließlich kann kaum eine Zweckmäßigkeitserwartung für sich in Anspruch nehmen. In der Praxis würde der Zeitaufwand für die Teilnehmer sehr schnell sichtbar den zu erwartenden Ertrag weit übersteigen; ein etwaiger Versuch des Gegensteuerns mit Vergünstigungen für die Teilnahme führte kontraproduktiv zu Berufsfunktionären bzw. Gremien-Hockern mit gemeinschaftsschädlichen, ressourcenverzehrenden Sonderinteressen.

Die Ausführungen unter II.4. zum Anforderungsprofil für die Berufsanfänger sind zutreffend. Wenn sie umgesetzt würden, würden vielleicht auch die justizpolitischen Diskussionen wieder ernsthafter, breiter und lebhafter geführt.

Erheblichen Diskussionsbedarf löst demgegenüber die These aus, für die Beförderungsämter seien eigene Anforderungsprofile zu entwickeln, die sich an den jeweiligen, "offenkundig unterschiedlichen" Erfordernissen des Amtes zu orientieren hätten. Es ist bedauerlich, dass zwar verschiedene Ämter aufgezählt, nicht aber deren Unterschiede benannt werden. Holt man die Konkretisierung nach, so wird deutlich, dass die so unterschiedlichen Bewerbergruppen der Beförderungsämter nicht aus einer wirklich einheitlichen Einstellungspraxis für die Eingangsämter gespeist werden können: In reine Richterämter, etwa in Spruchkörpern an Obergerichten, sollen dann vermutlich diejenigen gelangen, die qualitativ besonders hochwertige Arbeit liefern, d.h. die sich insbesondere zur gründlichen rechtlichen und tatsächlichen Durchdringung des Rechtsstreites befähigt zeigen. Die Managementfunktionen der Gerichtsleitungen hingegen sollen vermutlich den etwas gröber gestrickten, besonders belastbaren, in jeder Hinsicht entscheidungsfreudigen Kollegen vorbehalten sein.

Holzschnittartig dargestellt, illustriert diese vom Richterbund selbst geforderte Typenbildung auch das oben geschilderte Problem des gerichtsinternen Qualitätsmanagements durch die Präsidenten sehr wirkungsvoll: Landen in der Gerichtsleitung die "Machertypen", d.h. diejenigen, die gerade nicht zu herausragender richterlicher Arbeit in der Lage sind, die eher zur Quantität als zur Qualität neigen und ihr Selbstverständnis eher in verkürzenden Slogans wie "Nicht in Problemen, sondern in Lösungen denken" abgebildet sehen (und deshalb u.a. zu Systembildungen, die eine grundlegende Problemanalyse sowie Folgenabschätzung abverlangen, weniger taugen) dann stellt sich - erst recht, wenn man das vielerorts noch immer anzutreffende Statusdenken und die mangelnde Distanz zur eigenen Person und Rolle einrechnet - immer offensichtlicher und drängender die Frage, warum diese Präsidenten die geeigneten Herrscher über unbegrenztes Datenmaterial und die maßgeblichen Wahrer der - wie an anderer Stelle das Papier selbst betont - von diesen Daten gerade nicht sinnvoll abgebildeten "Qualität" in all ihren beschriebenen Dimensionen werden sollten.

Das Papier schließt versöhnlich mit sinnvollen Forderungen zur Weiterbildung.

Anders als bei den management-bezogenen Aussagen läuft man mit diesen ressourcenintensiven Vorstellungen jedoch bei der Justizverwaltung - die in Hamburg schon lange kein Geld mehr für die Finanzierung der Anreise zur Richterakademie hat - keineswegs in offene Arme, so dass dies solange unter "fromme Wünsche" abzubuchen ist, wie der Deutsche Richterbund nicht ein Junktim zu sonstigen Instrumenten der "Qualitätssicherung" herstellt.

Hoffentlich kein frommer Wunsch bleibt es,

RiVG Michael Bertram