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Der neue Chef der
Justizbehörde:
Senator Dr. Roger Kusch

Nicht zu aktuellen Tagesthemen, über die man überall lesen und hören kann, sondern zu Fragen, die ein Licht auf die Person selbst zu werfen versuchen, stand Senator Dr. Roger Kusch Rede und Antwort wie folgt:

Herr Kusch, wann und wo sind Sie geboren? Welche Ausbildung und Berufserfahrung haben Sie?

Geboren bin ich 1954 in Stuttgart. Nach dem Abitur habe ich in Tübingen, Hamburg und Freiburg Jura studiert und bin schließlich mit einer strafrechtlichen Arbeit zum Thema "Der Vollrausch" bei Professor Dr. Schmidhäuser promoviert worden. Nach dem zweiten Staatsexamen war ich zunächst als Regierungsassessor in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal und danach als Regierungsrat in der Jugendvollzugsanstalt Adelsheim beschäftigt. Im Anschluß war ich als Straf- und Jugendrichter am Amtsgericht Karlsruhe tätig bevor ich nach Bonn in das Bundesministerium der Justiz gewechselt bin. Nach einer Station als Staatsanwalt in Stuttgart folgte eine Tätigkeit als Referent der Arbeitsgruppe Recht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und schließlich als Leiter des Referats "Innere Sicherheit" im Bundeskanzleramt. Das letzte Jahr bevor ich Präses der Justizbehörde wurde, war ich im Wahlkampf Sicherheitsberater des damaligen CDU-Bürgermeisterkandidaten und Fraktionsvorsitzenden Ole von Beust.

Welches eigene Bild haben Sie von den Abläufen in den Gerichten und Staatsanwaltschaften?

Aus eigener Erfahrung bin ich mit beiden gut vertraut. Wie überall im Leben, so gibt es auch hier Licht und Schatten. Ich treffe dort auf engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit einer großen Arbeitsbelastung zu kämpfen haben, welche zudem die durch die erheblichen Stellenstreichungen der letzten Jahre erheblich verstärkt wurde. An jenen Stellen, an denen Defizite zu beklagen sind, werden wir mit zum Teil großen finanziellen Anstrengungen diese nach Möglichkeit zu beheben versuchen.

Welchen - auch finanzpolitischen - Stellenwert hat für Sie die Justiz? Teilen Sie die in politischen Kreisen kursierende Sentenz, die Gerichte sollten nicht so tun, als seien sie wichtiger als Schulen und die Polizei?

Die Justiz ist jener Teil der öffentlichen Hand, an dem der Bürger ganz unmittelbar und individuell den Rechtsstaat erleben kann. Sie ist für mich schon deshalb von besonderer Bedeutung. Die Koalition hat daher, neben dem Bereich der Bildung und der inneren Sicherheit, der Justiz eine Priorität eingeräumt. Die Altlasten, die wir vom Vorgängersenat übernehmen mussten, haben die Justiz an den Rand des Abgrundes geführt. Es war nicht mehr hinreichend sichergestellt, dass sie ihre Funktion tatsächlich erfüllen kann. Dies haben wir, beispielsweise durch die Enthebung der Justiz von früher eingegangenen und noch zu erbringenden Sparverpflichtungen, grundlegend geändert. Darüber hinaus sind wir dabei, die personelle Ausstattung der Justiz erheblich zu verbessern, etwa durch 15 zusätzliche Staatsanwälte, die noch in diesem Halbjahr eingestellt werden.

Was macht für Sie die Qualität richterlicher Arbeit aus? Was diejenige der Staatsanwaltschaft?

Das Treffen von rechtlich zutreffenden und praxisnahen Entscheidungen.

Angesichts der mit einer Ausnahme männlichen besetzten Senatsriege stellt sich die Frage: spielen weibliche Erfahrungen und Sichtweisen für die Koalition keine Rolle? Muss man bei den Koalitionären die Annahme vermuten, es gebe in Hamburg keine qualifizierten Frauen? Wie werden Sie es mit der Frauenförderung in der Justiz halten?

Bei der Besetzung von Funktionen kommt es der Koalition auf die persönliche Fachkompetenz der Bewerberinnen und Bewerber an. Das Geschlecht darf kein hinreichender Grund sein, bei der Qualifikation Kompromisse einzugehen. Eine starre Quotierung kann und darf daher nicht das Ziel der Regierungspolitik sein. Entscheidend ist vielmehr, ohne Rücksicht auf das Geschlecht, gleiche Zugangschancen zu gewährleisten. Ich begrüße es daher, wenn Frauen auch in Bereiche vordringen, die früher von Männern dominiert wurden. Die Justiz scheint mir hier aber ohnehin auf einem guten Wege zu sein.

Mit welcher Maxime gehen Sie die Verwirklichung des vereinbarten Koalitionsvertrages an?

Bei der Umsetzung der Vereinbarungen des Koalitionsvertrages sind wir gerade im Bereich der Justiz schon sehr weit vorangeschritten. Punkte, die die innere Sicherheit im weitesten Sinne betreffen, haben natürlich einen gewissen Vorrang. Es kommt aber nicht so sehr auf eine bestimmte Reihenfolge in der Zielverwirklichung an. Entscheidend ist vielmehr, dass wir die Ziele möglichst rasch und umfassend realisieren.

Halten Sie eine Selbstverwaltung der Justiz für denkbar und/oder wünschenswert? In welchem Umfang und in welcher Ausgestaltung können Sie sich diese Selbstverwaltung vorstellen?

Der Begriff der Selbstverwaltung hat in Deutschland von jeher einen sehr guten Klang. Ob er allerdings in der Lage ist, den durchaus erwünschten Spielraum in der Gerichtsorganisation zutreffend zu beschreiben, darf doch bezweifelt werden. Schon jetzt sind den Richterinnen und Richtern auf Grund der richterlichen Unabhängigkeit erhebliche Handlungsfreiheiten eingeräumt. Die auch bei den Gerichten eingeführte Budgetierung mit der eigenverantwortlichen Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln verschafft hier einen zusätzlichen Spielraum. Der Sonderfall des Bundesverfassungsgerichts, dem tatsächlich – etwa durch einen eigenen Titel im Bundeshaushalt – weitgehende Autonomie eingeräumt ist, lässt sich hingegen so nicht übertragen. Neben rechtlichen Bedenken bleibt im übrigen die Sorge, dass durch neue und zusätzliche Verwaltungsstrukturen die unter erheblichen finanziellen Anstrengungen angestrebte Entlastung der Justiz gleich wieder gefährdet wird.

Wann werden die dritten "Hamburger Justiztage" stattfinden ?

Ich stehe einer Veranstaltung, bei der die Tätigkeit der Justiz der Öffentlichkeit näher gebracht wird und die den fachlichen Kontakt unter Justizkollegen fördert, positiv gegenüber.

Nachdem die zweiten "Hamburger Justiztage" bereits eine Dekade zurück liegen, hoffe ich, dass die dritten in absehbarer Zeit stattfinden können.

Welche Vorstellungen verbinden Sie mit "Kultur & Justiz" ?

Dass die Juristerei eine besonders trockene Materie sei, gilt für die meisten Menschen wohl als ausgemacht. Wenn sich Juristen zusammenfinden, um sich selber künstlerisch zu betätigen oder - wie beim Arbeitskreis "Kultur und Justiz" - kulturelle Veranstaltungen zu organisieren, so macht dies deutlich, dass diese Meinung ein reines Vorurteil ist. Ich freue mich daher über solche Aktivitäten.

Gibt es Menschen, die Sie bewundern ? Haben Sie ein Vorbild ?

Menschen, die nach dem Krieg den freiheitlichen Rechtsstaat unter Bedingungen aufgebaut haben, die wir uns heute kaum vorstellen können. Wenn ich mich auf Personen festlegen müsste: Konrad Adenauer, Walter Kolb, Theodor Eschenburg.

Welche Eigenschaften schätzen Sie an Menschen ? Welche sind Ihnen zuwider ?

Loyalität, Integrität und die Fähigkeit, über sich selbst lachen zu können, stehen auf meiner persönlichen Hitliste ganz oben. Negativ heben sich damit jene Personen ab, die im Rheinland gern als "fiese Möpp" bezeichnet werden.

MHR bedankt sich für die Antworten (KW)