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Justizpolitik in Hamburg

Am 27.04.2001 fand in der Grundbuchhalle eine Podiumsdiskussion zur Hamburger Justizpolitik statt mit folgenden Teilnehmern (in der Reihenfolge ihrer Vorträge):

  • Klooß (SPD)
  • Dr. Gottschalck (CDU)
  • Dr. Kähler (GAL)
  • Rogalla (Regenbogen)
  • Müller-Sönksen (FDP)
  • Krüger (STATT)
  • Schill (PRO)
  • Dr. Peschel-Gutzeit, Justizsenatorin (SPD)
  • Moderation: RAe Uecker und Wenke
    Veranstalter: Hamburgischer Anwaltverein

    Der stellenweise tumultähnliche Verlauf und die Diskussion darüber soll hier nicht näher beschrieben werden; das ist bereits in der Presse erfolgt. Hier sollen vielmehr unkommentiert und ungeprüft die Argumente der Diskussionsredner wiedergegeben werden.

    Vortragsrunde

    Klooß (SPD):

    Dr. Gottschalck (CDU): Dr. Kähler (GAL): Rogalla (Regenbogen):

    Die Einladung von Schill sei ein Affront gegenüber den parlamentarischen Fraktionen. Schill sei kein Justizpolitiker. Schill habe ein rassistisches Begründungsmuster. Die angeblich überproportionale Ausländerkriminalität sei nur konstruiert. Nur Dank der Springer-Presse sei Schill auf über 9 % gekommen. Regenbogen unterstütze den rechtspolitischen Arbeitskreis der ÖTV, der sich mit Schill beschäftige. (Nach seinem Vortrag verließ Herr Rogalla die Veranstaltung.)

    Müller-Sönksen (FDP):

    Krüger (STATT): (Nach seinem Vortrag verließ Herr Krüger die Veranstaltung.)

    Schill (PRO):

    Dr. Peschel-Gutzeit (Justizsenatorin, SPD):
    Diskussionsrunde

    Dr. Peschel-Gutzeit (Justizsenatorin, SPD):
    Es sei zu beklagen, dass das Sozialgericht in Hamburg - anders als in Berlin - nicht bei der Justizbehörde ressortiere. Das sei historisch bedingt und nicht zu ändern.

    Klooß (SPD):
    Beim Sozialgericht seien dauerhaft 3 neue Richter und 6 nichtrichterliche Mitarbeiter bewilligt worden. Außerdem würde es dort für die nächsten 4 Jahre 5 zusätzliche Richter und 8 nichtrichterliche Mitarbeiter geben. Damit werde die Verfahrensdauer dort auf den Bundesdurchschnitt von 15 Monaten gesenkt werden können.

    Schill (PRO):
    Er sei für die Wiederanwendung eines kurzen aber harten Wochenendarrests gegen erstmals straffällige Jugendliche z.B. in Fällen von Aufbruch oder Gewalt.

    Dr. Gottschalck (CDU):

    Schill habe mit seiner Analyse bedauerlicherweise Recht. Brechmittel seien anzuwenden. Die Möglichkeit langfristiger Aufenthaltsverbote für Dealer müsse eingeführt werden; das wäre ein Schwerpunkt der CDU.

    Ein CDU-geführter Senat würde die Experimentierklausel der ZPO-Reform nicht durchführen.

    Dr. Peschel-Gutzeit (Justizsenatorin, SPD):

    Wenn man nach den Ursachen des gesellschaftlichen Wunsches nach Drogen suchen würde, würde der Wunsch nach strafrechtlicher Verfolgung von Drogendelikten schwächer.

    Brechmittel würden auch in denjenigen Ländern kaum angewandt, in denen dies zulässig sei, denn die gesetzliche Frist zwischen richterlichem Beschluss und Verabreichung sei dafür zu kurz.

    Mehr Referendarstellen seien in Hamburg nur schwer zu bewilligen, weil viele auswärtige Referendare nach Hamburg kämen.

    Müller-Sönksen (FDP):
    Die lange Wartezeit für Referendare als qualifiziert Ausgebildete sei eine volkswirtschaftliche Verschwendung.

    Abschlussrunde

    Klooß (SPD):
    Stellen könnten nicht versprochen werden.
    Prostituierten müsse der Ausstieg ermöglicht werden.
    Frauen seien gegen häusliche Gewalt zu schützen.

    Dr. Gottschalck (CDU):
    Sparzwänge in der Justiz seien ein falsches Signal.
    Die CDU würde durch andere Prioritätensetzung für eine finanzielle Besserstellung der Justiz sorgen.

    Dr. Kähler (GAL):
    Schill stehe in der Tradition der furchtbaren Juristen, verkleidet in der Gestalt des Biedermanns. Resozialisierung trage indirekt auch zum Opferschutz bei.

    Müller-Sönksen (FDP):
    Schills Richterschelte gegen Jugendrichter sei zu kritisieren.

    Übereinstimmung mit Schill bestehe darin, dass es keinen Automatismus bei der Anwendung von Jugendrecht auf Heranwachsende geben dürfe. Insofern sei an die politische Weisungsmöglichkeit gegenüber StA'en zu erinnern.

    Die Kienbaumstudie tauge wegen ihres Alters nicht mehr als Argument.

    Eine Dezentralisierung des Familiengerichts wäre schlecht.

    Dr. Peschel-Gutzeit (Justizsenatorin, SPD):
    Die Justiz sei bei der Konsolidierung seit 8 Jahren Schonbereich. 10 Richter oder StA'e würden 50 bis 60 Mio. DM kosten. Solche Zukunftslasten dürften wir nicht zum Nachteil unserer Kinder begründen.

    Eine ministerielle Anweisung an StA'e hinsichtlich Rechtsmitteleinlegung käme nicht infrage.

    Hamburg liege bei der Anwendung von Jugendrecht im Bundestrend, wenn man das Verkehrsstrafrecht herausrechne.

    Eine Dezentralisierung der Familiengerichte wäre nicht schlecht, weil auch die Stadtteilgerichte im Familienrecht gute Arbeit leisteten.

    Die Ursachen der Verzögerungen im Engelverfahren lägen in erster Linie in Italien.

    RiLG Wolfgang Hirth