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Dieser Artikel bezieht sich auf Raabe, MHR 4/2000, 23
Leserzuschriften
Politischer Magerquark
MHR Nr. 4/2000
Der Präsident der Kommunikation!

Donnerwetter! Das hätten die Mitarbeiter aus dem Kurt-Schumacher-Haus nicht besser gekonnt. Frau Senatorin dürfte zufrieden sein. Endlich hat der Wahlkampf auch in der Hamburger Richterzeitung begonnen. Oder pfeift da jemand besonders laut, weil er im dunklen Wald steht?

Verständnis wäre angesagt. Denn die Schließung des amtsgerichtlichen Dezernates für Wirtschaftsstrafsachen war weder zwingend noch sachdienlich.

Natürlich sind die Kollegen aus den Dezernaten für allgemeine Strafsachen in der Lage, auch das Betäubungsmittelrecht rechtlich zu durchdringen und zu bearbeiten. Doch warum wurden ohne Not die jahrelang erworbenen Szenekenntnisse der bislang zuständigen Amtsrichter aufgegeben? Diese Kollegen wussten, welche Drogen, wo in Hamburg, zu welchen Preisen, in welcher Weise und in welcher Qualität gehandelt wurden. Veränderungen bei diesen "Eckdaten" wurden schnell bekannt und konnten berücksichtigt werden, weil wenige Richter relativ viele Verfahren bekamen.

Bei der Hamburger Polizei gibt es selbstredend Sonderdezernate für die Rauschgiftkriminalität. Überflüssig? Die Hamburger Staatsanwaltschaft betreibt seit vielen Jahren erfolgreich eine spezielle Abteilung für Betäubungsmitteldelikte. Fehlerhaft? Natürlich werden beim Hamburger Landgericht mehrere spezielle Betäubungsmittelkammern unterhalten. Sachwidrig? Sollten alle anderen Beteiligten an der Strafverfolgung so falsch liegen?

Der Präsident des Amtsgerichts bekundet seine Sorge, die dritte Staatsgewalt könne Schaden nehmen. Die Sorge ist berechtigt. Aber der Schaden ist durch den in seiner Verantwortung liegenden, mit der Schließung des Dezernates III d verbundenen Abbau von vier Richter-Geschäftsaufgaben im Strafbereich eingetreten. Die Kollegen aus den Dezernaten für allgemeine Strafsachen konnten sich schon bislang über mangelnde Arbeit wahrlich nicht beklagen. Die Ansicht des Präsidenten, rechnerisch könnten zwei Kollegen die gesamten Betäubungsmittelverfahren am Amtsgericht Hamburg Mitte bearbeiten, bedarf keiner Kommentierung.

Bereits Ende November 2000 hatten die Dezernate für allgemeine Strafsachen die Eingangszahlen des Vorjahres erreicht. Es kamen hinzu: die Eingänge für den Monat Dezember und die nicht bearbeiteten Betäubungsmittelverfahren. Dass die "Eingangdelle" in der Jahreshälfte 2000 bald wettgemacht werden würde, war vorhersehbar. Staatsanwaltschaft und Polizei waren umgezogen. Es lagen eine Vielzahl von Fällen anklagereif "in den Kellern" der Verfolgungsbehörden. Dem Präsidenten war dies vor der Entscheidung von den Richtern des Dez. III d gesagt worden. Dennoch hielt er eine zusätzliche Belastung des Dezernates für allgemeine Strafsachen wegen der zurückgegangenen Eingangszahlen für hinnehmbar.

Woher also sollen die zusätzlichen Kapazitäten kommen? Aber vielleicht hilft auch dort der Wahlkampf. Vielleicht springt doch noch eine Verstärkung heraus? Denn wenn die Strafrichter die Arbeit nicht mehr schaffen, würde dies sicher nicht politisch opportun sein.

Doch die Frage bleibt, weshalb wurde das Wirtschaftsstrafdezernat geschlossen? Weshalb wurde die Effizienz der Rechtspflege in den betroffenen Bereichen auf längere Sicht eingeschränkt? Weshalb wurden - bei den doch so chronisch leeren Kassen - keine Kosten (Umzug, Renovierung, plötzlich möglich werdende Vernetzung, erhebliche Fortbildungsbemühungen der neuen Wirtschaftsstrafrichter) und Mühen gescheut? Sollte nur die Sparquote erreicht werden? Oder sollte doch ein als kritisch bekanntes Dezernat zerschlagen werden? Der Umgang mit den betroffenen Kollegen gibt dieser Vermutung Nahrung. Eine Beteiligung des Richterrates unterblieb. Von einem Präsidenten der Kommunikation war nichts zu spüren. Die beteiligten Kollegen wurden völlig unvorbereitet mit der Schließungsabsicht konfrontiert. Bereits eine Woche später wurde sie beschlossen. Möglichkeiten, Alternativen aufzuzeigen und Kontakt zu Präsidiums- und Richterratsmitgliedern aufzunehmen, bestanden nicht. Und obwohl sieben der acht Kollegen aus dem Dezernat sofort um eine Versetzung ansuchten, wurde die Behauptung verbreitet, es habe sich aus diesem Kreise kein Widerstand geregt.

Eines bleibt als Fazit: Bei den bevorstehenden Umstrukturierungen des Amtsgerichts dürfen sich die Kollegen getrost auf einiges gefasst machen.

Berling, RiAG