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Editorial

Das schöne neue Jahrtausend hat begonnen und schon hat uns der Alltag wieder. Ein Thema beherrscht - rein zufällig, aber nicht weniger symptomatisch - viele Beiträge dieses Heftes: Der Umgang miteinander.

Die ersten Beiträge der Vorsitzenden und ihres Stellvertreters zeigen die ganze Mühsal des Miteinander und auch die Schwere der Aufgabe, den Hamburgischen Richterverein zu führen. Denjenigen, die sich dieser Aufgabe stellen, müssen unser Dank und unsere Unterstützung gelten. MHR gratuliert Dr. Inga Schmidt-Syaßen herzlich zur Wiederwahl und wünscht Ihr und Ihrem Vorstand eine glückliche Hand.

Anregungen für die Standortbestimmung des Richtervereins enthält dieses Heft in Fülle. Insbesondere Johann Meyer, Michael Bertram und Lutz von Selle formulieren eindringlich Erwartungen und Anforderungen, denen sich der neue Vorstand zusammen mit den Mitgliedern stellen muß.

Ausflüge in die Vergangenheit sind mein Steckenpferd, dies zumal dann, wenn sich daraus Standpunkte für die Gegenwart gewinnen lassen. Bei der alljährlichen Überprüfung signifikanter Geburts- und Sterbetage stößt man am 18.1.2001 auf den dreihundertsten Jahrestag der Erhebung Preußens zum Königtum. Am selben Tage wurde ein bedeutender Jurist und Bürger geboren, Johann Jacob Moser. Von ihm und seinen zeitlosen Tugenden soll die Rede sein.

Bei den Vorsitzenden der Kammern für Handelssachen grassiert seit kurzem bei Aufbruch von der Mittagsrunde als "running joke" die Bemerkung "Ach ja, er hat es eilig. Er muß seine Zeitbögen ausfüllen!" Die überwiegende Zahl der Vorsitzenden, abgesehen von Vieren, die der altmodischen Auffassung zuneigen, richterliches Selbstverständnis und seine Ausübung entzögen sich betriebswirtschaftlichen Kriterien, beteiligt sich, wie auch die Zivilkammern, an einer Arbeitszeituntersuchung und muß dafür umfangreiche Erfassungslisten für jede einzelne Akte führen. Alles soll in eine "objektive" Bewertung münden, die....ja was eigentlich erlaubt? Die Zielrichtung (In Zilles Berlin sagte man statt dessen: "Nachtigall, ich hör Dir trappsen!") wird deutlich illustriert durch die Bemerkung eines Abgeordneten der Regierungskoalition, der anläßlich der Berichterstattung über die horrende Belastung der hamburger Sozialgerichte lobte, durch Automatisation und räumliche Veränderungen hätten die Richter am Sozialgericht schon 290 statt 250 Sachen pro Jahr erledigt. Man lernt ja nie aus: Schon seit 13 Jahren mit einem Computer ausgerüstet und hoch zufrieden mit diesem für Verwaltungsarbeiten und Recherchen aller Art unentbehrlichen Instrument, ist es mir noch nicht gelungen, die eigentlichen und zeitraubenden richterlichen Kernarbeiten - als da sind: Akten lesen, Bücher und Zeitschriften lesen, Zuhören, Verhandeln, Beraten, Nachdenken, Entscheidungen finden und begründen - mit Hilfe des Gerätes zu beschleunigen. Aber vielleicht werden uns das die Betriebswirte oder Gerichtsmanager ja noch beibringen..........

Seit kurzem Teilnehmer am behördeninternen Intranet, habe ich allerding den Eindruck, daß man sich bemüht, meine Zeit zu stehlen. Erfreut sehe ich, daß sich mittels "OUTLOOK" Posteingänge bei mir eingestellt haben. Hoffnungsvoll auf die erhellende Frühstücksmail meiner Präsidentin mit der Tagesparole wartend, stürze ich mich in die Postdurchsicht. Was ist es? Ankündigungen von Seminaren über Suchtgefährdung, Führungskräfteschulung im mittleren Dienst, Wochenendseminare für dies und jenes oder andere Veranstaltungen, die fröhlich in "email-sprech" angekündigt werden, jede einzeln natürlich - mit dem entschuldigenden Hinweis, man habe die Mitteilungen selbst auch einzeln bekommen! Kann man nicht einen Sektor einrichten, von dem Interessierte, solche Informationen abrufen können, und es unterlassen, sie mit der Kanne über alle Mitarbeiter der hamburgischen Verwaltung zu gießen? Aber doch - neulich erfuhr ich etwas Nützliches: "Am Xtag wird von ...bis ...der Strom abgestellt." Das muß man wissen - dann ruht die Arbeit. Oder wir widmen uns den richterlichen Handwerksarbeiten als da sind: Akten, Bücher und Zeitschriften lesen, Zuhören, Verhandeln, Beraten, Nachdenken, Entscheidungen finden und begründen............

Ich wünschen Ihnen einen guten Start in den Frühling, mit angenehmen Akten, freundlichen Anwälten und vielen erbaulichen Stunden mit Ihrem Computer.

Karin Wiedemann