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Hamburger Richtertheater ... teilen, nicht sparen!
"... teilen, nicht sparen!"

Das Hamburger Richtertheater entstand anläßlich der Vorbereitung des 6. Richterratschlags, die hamburger Kollegen und Kolleginnen übernommen hatten. Zum Tagungsthema "Ziviler Ungehorsam" haben wir im Februar 1983 als Kulturbeitrag das Theaterstück "Die 9 von Catonsville" des us-amerikanischen Friedensaktivisten und Schriftstellers Daniel Berrigan in einer Bearbeitung der Berliner Companie aufgeführt. Dargestellt wurde dabei der Strafprozeß, der in den USA den Mitgliedern einer Friedensgruppe gemacht worden ist, weil sie bei einer Demonstration gegen den Vietnam-Krieg staatliche Wehrerfassungsakten verbrannt hatten. In dem Prozeß haben Staatsanwaltschaft und Gericht die Angeklagten daran zu hindern versucht, die Hintergründe und ihre Motive (Fernziele!) darzustellen. Dieses Stück haben wir in den folgenden Jahren mit viel Erfolg in zahlreichen Städten aufgeführt.

Die Schreckensvision des totalen Computer-Staates mit zentral kontrollierten und gelenkten Menschen haben wir ab 1986 mit dem beklemmenden aber auch witzigen Stück unserer Regisseurin Elisabeth Scherff "Viktoria, die Computer sind da!" in mehreren Aufführungen auf die Bühne gebracht.

Die Veranstalter des ersten Deutschen Vormundschaftsgerichtstags haben uns 1988 gebeten, ein aktuelles Theaterstück zur Reform des Vormundschaftsrechtes aufzuführen. In wenigen Monaten hat die Theatertruppe unter der fachkundigen Anleitung unserer professionellen Regisseurin Elisabeth Scherff das Stück "Kommt Ihr erst `mal in mein Alter" erarbeitet. Jan-Dirk Strauer hat speziell für das Stück Musik komponiert, die bei den Aufführungen von einem kleinem Orchester gespielt wird. Die Richter und Richterinnen überraschten mit einer Stepp-Einlage. Für dieses Stück hat unsere Regisseurin eine neue Theaterform vorgestellt, das von ihr entwickelte Simultan-Theater. Auf zwei nebeneinanderliegenden Bühnen werden dabei unterschiedliche Entwicklungen derselben Lebenssituation gleichzeitig gespielt. Auf Einladung des Bundesjustizministers haben wir dieses Stück auch bei der offiziellen Vorstellung des Vormundschaftsreformgesetzes durch das Bundeskabinett in Bonn vor der dortigen Politik-Prominenz aufgeführt. Weitere Aufführungen folgten.

Die Brandanschläge gegen Asylbewerberheime in ganz Deutschland veranlaßte uns, ein Theaterstück über Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit zu suchen. Als geeignet erschien uns das Requiem "Ein Jud aus Hechingen" von Walter Jens, wobei Elisabeth Scherff dieses Stück ergänzt hat um das Simultanstück "Paul Levi - ein Jurist verläßt Deutschland". Dieses anspruchsvolle, auf verschiedenen zeitlichen, örtlichen und Wahrnehmungs-Ebenen spielende Theaterstück haben wir mehrmals aufgeführt, zuerst auf dem Richterratschlag im Januar 1995.

Vergeblich versuchten wir sodann, ein Theaterstück zu dem bedrückenden Thema Arbeitslosigkeit zu finden. Die Aufgabe, Arbeitslose überzeugend auf der Bühne darzustellen, überforderte uns. Also wählten wir die für uns neue Form der politischen Revue. Rainer Naujoks schrieb Musik und Texte, die kurzweilig, witzig, aber gleichzeitig bitterböse die soziale Wirklichkeit spiegeln und Auswege aus dem Dilemma andeuten. 1998 und 1999 haben wir die politische Revue "...teilen, nicht sparen!" mit großem Erfolg mehrmals aufgeführt.

In Vorbereitung ist zur Abwechslung ein konventionelles Stück, "Das Sparschwein" von Eugene Labiche. Thema ist die Doppelbödigkeit und Doppelmoral der bürgerlichen Gesellschaft. Mit der Aufführung ist nicht vor dem nächsten Winter zu rechnen.

Seit 1982 haben im Hamburger Richtertheater zahlreiche Kolleginnen und Kollegen mitgewirkt. Ortswechsel, Ernennungen in höhere und höchste Ämter, Kindersegen und andere Gründe haben zum Ausscheiden Vieler geführt. Neue, die unseren Haufen ertragen und die wir ertragen wollten, sind dazugestoßen. Derzeit proben und spielen: Doris Alexy-Giradet, Ulrich Engelfried, John Gelübcke, Robert Göhring, Bernd Hahnfeld, Sabine Happ-Göhring, Hans-Erich Jürgens, Volker Lindemann, Marion Loets, Gerold Möller, Monika Rolf-Schoderer, Sabine Schmidt, Heiner Wegemer.

Hamburg, im Februar 1999
Bernd Hahnfeld