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Dr. Henning Stanicki (NRV)
Justizdemokratie statt Justizhierarchie
Überlegungen eines Utopisten zur Justizorganisation für die Zeit nach dem Jahre 2000
veröffentlicht 1997 in der Broschüre
"Woran krankt die Justiz"
der Neuen Richtervereinigung e.V.
(Die folgende vorgezogene Gliederung stammt nicht vom Autor, sondern vom Homepage-Betreuer:)
  I. (frühere Reformen zur Justizorganisation)
 II. (Gremien, Beförderung, Rotation)
III. Gerichtsverwaltung
IV. Besetzung der Gerichte
 V. Zusammenfassung
I.

Perspektiven, die man in der Gegenwart als utopistisch abtut, haben nicht selten in nachfolgenden Zeiten wertvolle und brauchbare Impulse für Reformschübe gesetzt.

Dies sollte man bei der folgenden Darstellung im Auge behalten, bei der im übrigen manchem altbekanntes Gedankengut aus den Reformvorstellungen ausgangs der 60-er und zu Beginn der 70-er Jahre begegnen wird und bei der etwaige neue Überlegungen als unausgereift und bruchstückhaft erscheinen mögen.

Die Justiz muß in Zukunft so organisiert sein, daß sie als Werkzeug zur Beschneidung von Rechten und Freiheiten Einzelner oder Minderheiten nicht mißbraucht werden kann. Sie muß in der Lage sein - namentlich in restaurativen Wendezeiten -, jedem beabsichtigten Abbau von Grundrechten entgegenzuwirken. Schließlich muß sie unter Berücksichtigung der sich ändernden Bedürfnisse und Verhältnisse jederzeit für die demokratischen Freiheitsrechte eintreten sowie jedem einzelnen nach Möglichkeit einen "optimalen Rechtsschutz" gewähren können.

Die Justizreformen ausgangs der 60-er und anfangs der 70-er Jahre, die diese Zielrichtung verfolgt haben, liegen lange zurück. Die letzte bedeutende Gesetzesänderung war wohl das Gesetz zur Änderung der Präsidialverfassung und zur Änderung der Amtsbezeichnungen der Richter und ehrenamtlichen Richter vom 26.5.1972 (BGBl. 1, 841). - Der Schwerpunkt dieser Neuregelung liegt darin, daß es seither bei allen Gerichten Präsidien - gewählte oder gesetzlich zusammengesetzte Richtergremien - gibt, die die Geschäftsverteilung bei dem einzelnen Gericht im Wege der Selbstverwaltung mit Rechtsnormcharakter regeln. Diese Reform bezüglich der richterlichen Geschäftsverteilung hat sich bewährt, wenngleich sie noch weiterer Reformbemühungen harrt (Stanicki, Betrifft JUSTIZ 1985, 105). Das Prinzip, Aufgaben der Justizverwaltung durch demokratisch gewählte Gremien durchzuführen, könnte daher gut ein Weg zu dem Ziel sein, die immer noch vorhandenen hierarchischen Strukturen in der Justiz abzubauen.

Die Reform hinsichtlich der Amtsbezeichnungen der Richter ist leider bereits in dem Gesetz vom 26.5.1972 hinter den Reformvorstellungen zurückgeblieben. Anschließend ist sie noch durch restaurative Kräfte mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts teilweise rückgängig gemacht worden.

Wir haben seither statt des aufsichtsführenden Richters nach dem Gesetz vom 26.5.1972 wieder den Direktor des Amtsgerichts und statt des Stellvertreters bzw. ständigen Vertreters des Präsidenten den Vizepräsidenten.

Der Auffassung ist zuzustimmen, daß in der Justizorganisation - jedenfalls in wesentlichen Teilbereichen - der hierarchisch männlich ausgerichtete Charakter noch fortbesteht mit der Folge, daß positive Ansätze der Justizreform der Fortsetzung bedürfen. Nach meiner Meinung erscheint sogar ein Weiterdenken in die Zeit nach dem Jahre 2000 angezeigt.

 
II.

Unmittelbare Demokratie durch Beteiligung aller Richter an Wahlen gibt es nicht nur im Hinblick auf die Wahl der Präsidiumsmitglieder, sondem auch bezüglich anderer richterlicher Gremien wie den Präsidialrat und den Richterrat.

Diese Gremien entscheiden aber nicht selbständig in richterlicher Unabhängigkeit über die Ernennung und Beförderung von Kollegen oder über sonstige Verwaltungsbelange der Gerichtsbehörde, sondern sie haben lediglich ein Mitbestimmungsrecht.

Sie können auch nicht wie zum Beispiel das Präsidium "richter-öffentlich" arbeiten, sondern sie üben ihre Tätigkeit geheim aus. Außerdem ist die Arbeitsweise dieser Gremien im allgemeinen gesetzlich vorgegeben und läßt, was den Präsidialrat anbetrifft, im Hinblick auf das Vorschlagsrecht des Justizministers nur einen engen Spielraum, der zudem durch die Berücksichtigung des sogenannten "Dritten Staatsexamens" und gezielte Beurteilungen bezüglich der Vergabe bestimmter Beförderungsstellen weiter eingeschränkt ist.

Die Errungenschaft des Präsidialrats als Richtergremium, das bei Ernennungen und Beförderungen mitbestimmt und in Baden-Württemberg mit der Gewährung eines Gegenvorschlagsrechts wohl seine fortschrittlichste Ausgestaltung besitzt (der Minister folgt hier im allgemeinen einem Gegenvorschlag des Präsidialrats, um den beschwerlichen Weg über das Einigungsgespräch und letztlich in den Richterwahlausschuß als Konfliktstelle zu vermeiden), vermag aber nach meinen bisherigen Erfahrungen als Präsidialratsmitglied die Demokratisierung in der Justiz nicht zu fördern; vielmehr zementiert diese Institution den immer noch bestehenden hierarchischen Justizaufbau (Zu dessen Wurzeln, siehe Hochschild, Betrifft JUSTIZ 1985, 1).

Die Macht wird in den Händen einiger Oberer (Justizminister, Präsidenten, von denen nicht wenige ehemalige Ministeriale sind, siehe Keukenschrijver, Betrifft JUSTIZ 1986, 208) gesichert.

Die Forderung, das Vorschlagsrecht des Ministers zu beseitigen bzw. die Mitbestimmungsrechte des Präsidialrats zu erweitern, sollte daher erst gar nicht gestellt werden; denn diese würde unweigerlich in eine Sackgasse führen.

Zukunftsweisend und richtig erscheint dagegen der Weg, auf dem die Abschaffung des Beförderungswesens (und gleichzeitig die Beseitigung klangvoller Titel und Bezeichnungen) verfolgt wird. - Es handelt sich hier um keine neue Forderung, und sie wird zudem von einem Utopisten erhoben, so daß die, die in der Justiz an den Schalthebeln der Macht sitzen, sich wohl kaum die Mühe machen werden, darüber ernsthaft nachzudenken.

Eine starke neue Richtervereinigung könnte aber durchaus etwas in dieser Richtung bewegen, und die Zeit hierfür dürfte - jedenfalls in den kommenden Jahrzehnten - reif sein. Erste Anzeichen sind heute schon erkennbar. Überall wird aus der Politik der leeren Kassen heraus und der Erkenntnis, daß dem ständig wachsenden Geschäftsanfall bei den Gerichten nicht allein durch Stellenvermehrungen begegnet werden kann, von verantwortlicher Seite laut darüber nachgedacht, daß das Grundgesetz zwar den Rechtsweg garantiert, nicht aber Instanzenseligkeit und auch nicht die herkömmliche Besetzung der Spruchkörper (siehe zuletzt das in DRIZ 1986, 471 abgedruckte rechtspolitische Programm der SPD).

Nach den Ergebnissen der großen Anfrage zur Geschäftsbelastung der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Bundesdrucksache 10/5317) kann auch davon ausgegangen werden, daß die Zahl der Prozeßsachen, die in den letzten 10 Jahren ständig gestiegen ist, weiter zunehmen wird.

Dem ständig hohen Geschäftsdruck kann auch nicht weiterhin durch den sogenannten "kurzen Prozeß" begegnet werden, zumal dieser das Ansehen der Dritten Gewalt schädigt und außerdem die Entwicklung fördert, daß bestimmte Wirtschaftskreise die Justiz als Konsumdienstleistungsbetrieb mißbrauchen.

Rechtsprechung ist aber keine Konsumdienstleistung, worauf Bundespräsident Richard von Weizsäcker auf dem letzten Juristentag hingewiesen hat. Die Rechtsprechung hat vielmehr in erster Linie eine friedensstiftende Funktion, und sie soll durch die Anwendung des Rechtes auch den wirtschaftlich Schwachen einen wirksamen Schutz vermitteln.

Den steigenden Geschäftseingängen kann auch nicht mehr durch weitere Aufgabenübertragungen auf die Amtsgerichte begegnet werden. Denn dieses Blatt ist endgültig ausgereizt und könnte allenfalls auf Kosten frühinvalider Amtsrichter weiter ausgespielt werden.

Nahziel wird es daher sein müssen, allgemein in erstinstanzlichen Zivilsachen den alleinentscheidenden Einzelrichter beim Landgericht einzufahren. Die dann beim Landgericht freiwerdenden Richterkapazitäten sind den Amtsgerichten zur Verfügung zu stellen. Die Amtsgerichte werden dann - möglicherweise stufenweise - nach und nach die erstinstanzlichen Zivilsachen der Landgerichte ganz übemehmen, so daß damit der Weg für die Einführung des dreistufigen Gerichtsaufbaus in der ordentlichen Gerichtsbarkeit in den 90er Jahren frei sein könnte.

Die Reform des Gerichtsaufbaus in der ordentlichen Gerichtsbarkeit war in den 70er Jahren schon bis zum mehrfach überarbeiteten Referentenentwurf (Stand: November 1973) gediehen, ist jedoch letztlich durch restaurative Kräfte zu Fall gebracht worden. Die Durchführung dieses Reformvorhabens würde bedeuten:

Die Mittelinstanzen - Landgerichte - werden entfallen.

Die Amtsgerichte werden als Eingangsgerichte für alle Rechtsstreitigkeiten - unabhängig von der Höhe des Streitwertes - zuständig.

Die Oberlandesgerichte - besser Landesamtsgerichte - werden nur noch für Berufungs- und Beschwerdesachen zuständig sein.

Die Bundesgerichte werden allein die Revisionsinstanzen sein.

Bei der Verteilung der Richter der Landgerichte an die Eingangs- und Berufungsgerichte wird aber ein großer Teil von Beförderungsstellen entfallen. Berücksichtigt man weiter, daß die Beförderungsstellen heute schon weitgehend mit Richtern im Alter von 40 bis 50 Jahren besetzt sind, so werden in den 90er Jahren Beförderungsstellen nicht nur Mangelware sein, sondern vermutlich sogar abgebaut werden.

Ich wage daher die Prognose, daß von den jetzigen Richtern im Alter von 30 bis 40 Jahren und den diesen nachfolgenden Richtern bei der Beibehaltung der derzeitigen Beförderungspraxis allein 40 bis 50 % aus einem Beförderungsamt in den Ruhestand gehen werden können.

Die jüngere Richtergeneration wird daher darüber nachdenken müssen, ob es sich überhaupt noch lohnt, ein Beförderungsamt anzustreben und dabei in gewisser Weise auf die richterliche Unabhängigkeit zu verzichten (hierzu Hochschild, a.a.O.).

Hoffnungsvoll im Hinblick auf einen möglichen Abbau des hierarchischen Karrieresystems stimmt weiter, daß es heute schon gestandene Kolleginnen und Kollegen gibt, die das Amt des Richters erster Instanz mit dem Amt eines Richters am Oberlandesgericht nicht eintauschen wollen, obwohl sie die höheren Weihen (sprich: bestandenes "Drittes Staatsexamen") aufweisen.

Ein weiterer wichtiger Schritt zur Reform der Justizorganisation dürfte sein, daß in den Spruchkörpern der "rotierende Vorsitz" eingeführt wird.

Die Richter in den Kammern und Senaten sind früher wohl einmal alle alleinentscheidende Richter an den Amts- und Landgerichten gewesen. Sie sind es demnach grundsätzlich gewohnt, die Aufgaben als Vorsitzender eines Gerichts wahrzunehmen. Es sprechen also praktische Gründe kaum dagegen, daß der Vorsitz in den Spruchkörpern turnusmäßig alle vier Jahre wechselt.

Der dienstälteste Richter in dem Spruchkörper braucht auch nicht ein Beförderungsamt, um den sogenannten "richtunggebenden Einfluß" auszuüben. Nach herrschender Auffassung wird der richtunggebende Einfluß nicht durch eine Art von Dirigismus ausgeübt, sondern durch geistige Überzeugungskraft. Es ist verfassungsrechtlich auch nicht vorgeschrieben, daß ein Spruchkörper von einem Vorsitzenden Richter zu führen ist.

Für einen turnusmäßigen Wechsel des Vorsitzes unter den ständigen Mitgliedern eines Spruchkörpers spricht im übrigen auch der verfassungsrechtliche Aspekt, daß bei der Rechtsfindung im konkreten Fall die Aufgabe, Leistung und Verantwortung aller Mitglieder des erkennenden Gerichts völlig gleich ist (BVerfGE 26,72/76).

Der dienstälteste Richter, der nach vier Jahren den Vorsitz an ein anderes Spruchkörpermitglied abgibt, kann nach spätestens acht Jahren den Vorsitz .ohnehin wieder in dem Spruchkörper übernehmen, es sei denn, er hat es zwischenzeitlich vorgezogen, eine Stelle als alleinentscheidender Einzelrichter beim Amtsgericht (Eingangsgericht) zu übernehmen.

Dem wird man entgegenhalten, daß ein besser besoldeter Berufungsrichter doch nicht freiwillig den Abstieg zum Richter am Amtsgericht antreten wird. Aber muß denn das Amt des Berufungsrichters, der zusammen mit zwei weiteren Kollegen - also in geteilter Verantwortung - lediglich das Urteil des erstinstanzlichen Richters überprüft, tatsächlich besser besoldet sein? Sollte nicht viel eher der Eingangsrichter besser bezahlt werden, nicht nur, weil er die Alleinverantwortung für den Ausgang des Verfahrens in erster Instanz trägt, sondern auch kraft seiner Persönlichkeit und richterlichen Erfahrung die Gewähr dafür bietet, daß die Dritte Gewalt schon in erster Instanz ihre friedensstiftende Aufgabe weitgehend wahrnimmt?

Es sollten daher gerade die besten und die erfahrensten Richter in der ersten Instanz judizieren. Dies kann aber nur so erreicht werden, daß der zukünftige Berufsweg des Richters im Landesdienst über das zweitinstanzliche Gericht geht, wo er mindestens 8 bis 10 Jahre einem Spruchkörper angehören und dabei mindestens 2 Jahre den Vorsitz geführt haben sollte. Erst danach dürfte seine Verwendung beim Amtsgericht möglich sein, wobei die Ausübung dieses für die Justiz besonders bedeutsamen Amtes (die überwiegende Mehrzahl aller Bürger, die die Gerichte in Anspruch nimmt, kommt schon heute nur mit den Amtsrichtern in Berührung) durch die Gewährung einer nicht ruhegehaltsfähigen Zulage honoriert werden sollte.

Daß es so geht, zeigt das weniger hierarchische Karrieresystem in den Niederlanden, wo der alleinentscheidende Kantonsrichter mehr Ansehen und Gehalt genießt (Blankenburg, ZRP 1986, 264). Dem alleinentscheidenden Einzelrichter sollte spätestens nach Überschreitung des 50. Lebensjahres, also zu einem Zeitpunkt, in dem die Leistungsfähigkeit im allgemeinen nachläßt, die Möglichkeit eingeräumt werden, wieder in die Berufungsinstanz unter Beibehaltung der Gehaltszulage zurückzukehren. Er kann dann in den Spruchkörper seine Erfahrungen als erstinstanzlicher Richter einbringen. Gleichzeitig wäre dadurch die Durchlässigkeit zwischen den Instanzen gesichert und zudem gewährleistet, daß auch ältere und erfahrene Richter in Spruchkörpern sitzen. Was die Richter auf Probe anbelangt, so könnten diese ihre dreijährige Probezeit bei der Staatsanwaltschaft und als beisitzende Richter in der Berufungsinstanz ableisten.
 

 III. Gerichtsverwaltung:

Auch für die Gerichtsverwaltung braucht man keine Richterbeförderungsstellen.

Die Gerichtsverwaltung hat die primäre Aufgabe, der Rechtsprechung zu dienen. Unter diesem Aspekt sollten die für die Gerichtsverwaltung zuständigen Richtergremien in demokratischer Form gebildet werden, wobei das Amt der Personen, die bereit sind, sich über einen längeren Zeitraum (8 bis 12 Jahre) zu einem Teil ihrer Arbeitskraft mit Verwaltungsaufgaben zu befassen, durch eine nicht ruhegehaltsfähige Stellenzulage aus der Richterbesoldung hervorgehoben sein sollte.

In das Amt eines Mitgliedes des Behördenleitungsgremiums, das im folgenden Verwaltungsrat genannt wird, sollten auch nur erfahrene Richterinnen und Richter wählbar sein, so daß für die Wählbarkeit eine zehnjährige Planmäßigkeit als Richter Voraussetzung sein sollte.

Bei Gerichten bis zu 50 Bediensteten sollte der Verwaltungsrat aus zwei Personen, bei Gerichten in einer Größenordnung bis zu 150 Bediensteten aus drei Personen und bei Gerichten mit mehr als 150 Bediensteten aus sechs Personen bestehen. Nach dem Vorbild des Präsidiums sollte ein Teil der Gewählten im Turnus von vier Jahren aus dem Verwaltungsrat ausscheiden und der ausgeschiedene Teil wieder aufgrund von Wahlen ergänzt werden. Dabei sollte die Amtsperiode der Richter in dem kleinen Verwaltungsrat (zwei Personen) 8 Jahre und die der Richter in dem mittleren und großen Verwaltungsrat im Interesse einer kontinuierlichen Verwaltung 12 Jahre dauern. Den Vorsitz im kleinen Verwaltungsrat würde jeweils der Richter übernehmen, der in diesem Gremium schon vier Jahre als Vertreter des Vorsitzenden fungiert und somit Erfahrungen in diesem Amt gesammelt hätte. Den Vorsitz im mittleren Verwaltungsrat würde der Richter innehaben, der in diesem Gremium schon acht Jahre tätig gewesen ist, und den Vorsitz in dem großen Verwaltungsrat würden die zwei Richter, die sich im letzten Drittel ihrer Amtsperiode befinden, als Gesamtvorstand ausüben.

Um die vorgesehene Besetzung beim kleinen und mittleren Verwaltungsrat zu gewährleisten, müßte in diese Gremien alle vier Jahre eine Person gewählt werden, während beim großen Verwaltungsrat alle vier Jahre zwei Richterinnen bzw. Richter hinzukommen müßten.

Die Wahl zu dem kleinen Verwaltungsrat könnte unmittelbar, d.h. durch alle Bediensteten des Gerichts erfolgen, die diesem zum Zeitpunkt der Wahl länger als drei oder sechs Monate angehören.

Die Wahl zu dem mittleren und großen Verwaltungsrat könnte auch mittelbar stattfinden, d.h. durch den Richterrat und den Personalrat.

Ob und ggfls. inwieweit Richter gleichzeitig Mitglieder mehrerer Wahlgremien (Richterrat, Präsidium und Verwaltungsrat) sein könnten, wäre noch zu überlegen.

Jedenfalls sollte gewährleistet sein, daß der Vorsitzende bzw. der Gesamtvorstand des Verwaltungsrates dem Präsidium mit beratender Stimme angehört. Daß der Vorsitzende des Verwaltungsrats auch gleichzeitig Vorsitzender des Präsidiums sein sollte, erscheint dagegen nicht zwingend geboten. Allerdings sollte die optimale Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Gremien im Interesse der einzelnen Behörde stets gefördert werden.

 
IV. Besetzung der Gerichte:

Die Zuweisung der erforderlichen Richterstellen an ein Gericht erfolgt auf Antrag der obersten Justizverwaltung im Wege der Bewilligung von Richterplanstellen durch das Parlament. Ein wichtiges Hilfsmittel stellt hierbei der sogenannte Pensenschlüssel dar, der Bewertungszahlen über die Bemessung des Personalbedarfs in der Justiz der Länder enthält und im allgemeinen von den Geschäftseingängen ausgeht, die nach richterlicher Erfahrung ein Einzelrichter oder Berichterstatter pro Geschäftsjahr gewissenhaft bearbeiten kann.

Mag ein Pensenschlüssel auch in erster Linie dafür gedacht sein, den für die Schaffung und Besetzung von Richterstellen zuständigen Stellen ein Hilfsmittel an die Hand zu geben, so schließt dies doch nicht aus, daß das Präsidium im Rahmen seiner Justizgewährungspflicht Bewertungszahlen für die Pensen der Richter des Gerichts festsetzt und bei der Feststellung einer dauernden Geschäftsvermehrung nach § 70 Abs. 1 GVG einen neuen Planrichter beim Justizministerium anfordert (zu diesem Antragsrecht im einzelnen siehe Schorn/Stanicki, Die Präsidialverfassung der Gerichte aller Rechtswege, 2. Auflage, 1975, 218 ff.).

Ergibt sich eine Bedürfnislage bei einem Gericht aufgrund der von der ständigen Pensenkommission (sie ist von der Landesjustizministerkonferenz eingesetzt) festgelegten Bewertungszahlen (hierzu im einzelnen Schaffer, Berechnung des Personalbedarfs, DRIZ 1984, 81 ff.), so sollte in Zukunft seitens der Präsidien grundsätzlich von dem Antragsrecht nach § 70 Abs. 1 GVG Gebrauch gemacht werden.

Wird einem begründeten Antrag des Präsidiums nicht Rechnung getragen, so werden die Versäumnisse der Justizverwaltung sowie des Parlaments im personellen Bereich alsbald in der Öffentlichkeit bekannt werden, da das Präsidium die nach seinem Geschäftsverteilungsplan vorgesehene zusätzliche Richterstelle, die aufgrund der überpensenmäßigen Geschäftsbelastung notwendig und rechtzeitig beantragt ist, nicht besetzen kann.

 
V.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß es durchaus lohnend sein könnte, in einer neuen Richtervereinigung an der Neuorganisation der Justiz mitzuarbeiten, selbst wenn sich die Tätigkeit erst in den kommenden Richtergenerationen auszahlen sollte. In der Verantwortung für unseren freiheitlich-sozialen Rechtsstaat und für unsere demokratische Gesellschaftsordnung sollten wir daher alsbald beginnen, auf die weitere Demokratisierung der Justiz hinzuwirken, und uns dabei klar sein, daß dieses Ziel letztlich nur mit der Abschaffung der Beförderungsstellen erreicht werden kann.

Dies wird ein langer und dornenreicher Weg sein, denn die Präsidenten und die Vorsitzenden Richter der Senate, die in der Justiz die Macht und die Privilegien besitzen, werden diese mit starken Argumenten zu verteidigen wissen und sich dabei aller restaurativer Kräfte bedienen.

Man wird daher schrittweise vorgehen müssen. Ganz wesentlich wird hierbei auch sein, daß im Hinblick auf die Wertigkeit der verschiedenen Richterämter ein Bewußtseinsänderungsprozeß einsetzt. Jedenfalls sollte in einer neuen Richtervereinigung ein Minimalkonsens dahin bestehen, daß ein Beförderungsamt in einem Spruchkörper lediglich höher bezahlt ist, dagegen nicht höherwertig sein kann als das Amt eines in alleiniger Verantwortung entscheidenden Einzelrichters.