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Justiz heute -
zwischen Sparzwang und Reformangst ?

Ein Seminar der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen in der SPD Hamburg am 24./25. Mai 1997

(Die vollständige Dokumentation in Papierform enthält zT auch Reden und Referate. Sie ist erhältlich bei der SPD Hamburg, Kurt-Schumacher-Allee 10, 20097 Hamburg,
email Sylvia.Mittelstaedt_LO-Hamburg@spd.de)


Inhaltsverzeichnis:

Vorwort
Einladung
Seminarverlauf
Eröffnungsansprache des AsJ-Vorsitzenden VRiVG Mehmel

Arbeitsgruppe 1 - Leitbild des Juristen/Richters

Arbeitsgruppe 2 - Reformbedarf der Justiz aus anwaltlicher Sicht

Arbeitsgruppe 3 - Reformbedarf der Justiz aus wirtschaftlicher Sicht

Arbeitsgruppe 4 -  Binnenansichten der Justiz
- Justiz als Dienstleistungsunternehmen?

Arbeitsgruppe 5 -  Justiz heute
- Abwicklung des Rechtsstaates?

Teilnehmerliste


Vorwort

Mit der vorliegenden Dokumentation des Wochenendseminars der AsJ-Hamburg am 24./25. Mai 1997 "Justiz heute - zwischen Sparzwang und Reformangst" möchten wir die dort gehaltenen Reden, Referate in den Arbeitsgruppen sowie die entsprechenden Ergebnisprotokolle für die gegenwärtige Diskussion über die Rolle der Justiz und die Notwendigkeiten von Veränderungen (Reformen) über den Kreis der Teilnehmer hinaus fruchtbar machen.

Folgende Eckpunkte lassen sich als Ergebnis der Diskussion in den Arbeitsgruppen und der abschließenden Plenumsdebatte des Seminars festhalten:

1. Die Justiz ist gegenwärtig in der Gefahr, zerrieben zu werden zwischen einerseits gesellschaftspolitisch oft falschen, weil zu umfassenden Rollenzuweisungen, andererseits einer Wahrnehmung vor allem durch die Politik primär als Kostenfaktor.

2. Eine Diskussion über die Rolle und Reform der Justiz muß ihren Ausgangspunkt haben in der Bestimmung ihrer verfasssungsrechtlichen und gesellschaftspolitischen Aufgabe.

3. Die Justiz hat als eine der drei Gewalten Verfassungsrang. Sie soll die Bürgerinnen und Bürger vor Übergriffen der anderen Gewalten schützen. Ihr wichtige gesellschaftliche Funktion besteht in der Sicherung des inneren Friedens, in der Herstellung von Rechtsfrieden. Eine gut arbeitende Justiz ist, wie oft vernachlässigt wird, ein wichtiger Standortfaktor.

Die Justiz ist nach den Vorgaben von Verfassung und Gesetzen für die Gesellschaft, für die Bürgerinnen und Bürger da. In diesem Sinne hat die Justiz - wie es übereinstimmend von den meisten Teilnehmern aus den unterschiedlichsten Bereichen genannt worden ist - bei aller Unabhängigkeit eine Dienstleistung zu erbringen.

4. Zur Erfüllung dieser Aufgabe müssen der Justiz die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Dies gilt insbesondere für die dringend notwendige Modernisierung der in weiten Teilen veralteten Justiz.

Die Justiz kann sich angesichts der bestehenden Krise öffentlicher Haushalte nicht der Spardiskussion entziehen. Die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch auf ei-nen effizienten, zweckrationalen Einsatz der zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel.

5. Die Justiz wird ihrer Aufgabe häufig nicht gerecht: Lange Verfahrensdauer, unverständliche Entscheidungen, fehlende Erreichbarkeit, Binnenorientierung statt Zuwendung hin zum Justizverbraucher sind Stichworte der in unterschiedlicher Intensität von den Teilnehmern geäußerten Kritik. Defizite bestehen auch hinsichtlich der Arbeitsabläufe und des effizienten Mitteleinsatzes.

6. Die Justiz selbst muß sich aktiv in den gegenwärtigen Diskussionsprozeß einschalten und offensiv ihre Bedeutung darstellen. Den gegenwärtigen Tendenzen in der Politik, die Justiz nur als Kostenlast zu sehen, wird sie um so besser entgegenwirken können, als sie selbst ihren Aufgaben gerecht wird und sich der Kritik an ihr stellt. Der Ruf nach mehr Geld und Stellen, die Beschwörung der Überlastung oder der Rückzug auf die richterliche Unabhängigkeit dürfte kontraproduktiv sein. Die Präsenz oder die Organisation der Arbeitsabläufe sind keine Frage der Unabhängigkeit.

7. Als wichtiger Ansatz für eine Reform der Justiz wurde die Stärkung der Selbstverwaltung der Gerichte durch (mehr) Autonomie sowie eigene Mittelverwaltung und -verantwortung gesehen. Hierbei muß u.a. die Möglichkeit bestehen, daß etwaige Einsparungen als Ergebnis eines effektiven Mitteleinsatzes jedenfalls zum Teil dem jeweiligen Gericht zur weiteren Verwendung erhalten bleibt.

Einigkeit bestand darüber, daß ein solcher Ansatz nur Sinn macht, wenn die Selbstverwaltung und deren Elemente als Teil des sog. Neuen Steuerungsmodells eingebunden sind in eine Zieldiskussion und nicht Sparen zum Selbstzweck wird. Jedoch sind - auch hierüber bestand breiter Konsens - Flexibilität, Bereitschaft und Offenheit des richterlichen und nichtrichterlichen Personals gegenüber der Einführung moderner und kundenfreundlicher Abläufe die Voraussetzung dafür, die von der Politik zu fordernden Ausstattungen sinnvoll und rationell einsetzen zu können. Die Rechtssuchenden als Kunden zu betrachten, verlangt vielfach einen Umdenkungsprozeß.

Einvernehmen bestand darüber, daß sich die Gerichte über den Mitteleinsatz gegenüber der Behörde und der Politik verantworten müssen. Umstritten war dabei jedoch, wieweit dies bei der richterlichen Tätigkeit selbst reicht. Hier dürfte einer der zentralen Diskussionspunkte der nächsten Zeit liegen.

8. Viele, insbesondere das Verfahren betreffenden Gesetzesänderungen der letzten Zeit haben nicht die seitens der Politik erhoffte Entlastung gebracht, vieles hat im Gegenteil zu Mehraufwand geführt. Teilweise ist darin - unter dem Vorwand des Kostenargumentes - eine Verkürzung des Rechtsstaates zu sehen. Ob und wenn ja in welchem Umfang andere Wege außergerichtlicher Streitschlichtung beschritten werden können, war umstritten. Hier wird weiterer Diskussionsbedarf bestehen.

Mit der vorliegenden Dokumentation verbinden wir die Hoffnung, den einen oder anderen Impuls für die weitere Debatte zu geben und damit einen Beitrag zu leisten, der Justiz den ihr gebührenden Stellenwert in der öffentlichen Diskussion wieder zukommen zu lassen.

Friedrich-Joachim Mehmel
Hamburg, im Juli 1997


Einladung

Sehr verehrte Damen und Herren,
liebe Genossinnen und Genossen,

in der derzeitigen gesellschaftspolitischen ("Reform"-)Diskussion droht die Gefahr, daß die Justiz an den Rand gedrängt wird, wenn sie es nicht sogar schon ist. Die gegenwärtige Lage der Justiz ist dadurch geprägt, daß vor dem Hintergrund knapper öffentlicher Kassen und großem Spardruck die Finanzpolitiker in dem Bestreben der Sanierung öffentlicher Kassen in allererster Linie die Senkung der Ausgaben auch im Bereich der Justiz im Blick haben, inhaltlich interessiert sie Justiz zu wenig. Die Justiz wird in der politischen Landschaft vorrangig als Randbereich, als Kostenlast und als Störfaktor wahrgenommen. Das Argument des Sparens wird von einer Reihe von Politikern, und zwar unabhängig vom Parteibuch benutzt, um Justiz dort zu beschränken, wo sie lästig ist. Das ist derzeit in fast allen Rechtsbereichen festzustellen, sei es z.B., daß die Verwaltungsgerichtsbarkeit für die lange Dauer von Großverfahren verantwortlich gemacht wird oder die Kontrolle von Verwaltungshandeln als lästig empfunden wird, verbunden mit der Forderung nach Beschränkung entsprechender Rechte, sei es, daß strafprozessuale Rechtspositionen abgebaut werden sollen. Daß eine leistungsfähige Justiz Rechtssicherheit und Rechtsfrieden "produzieren" kann - und damit den Standort Deutschland wesentlich sichern hilft - und daß Justiz eine verfassungsrechtlich gleichrangige Staatsfunktion ist, die nicht zur Disposition steht, dies gerät in der öffentlichen Diskussion in den Hintergrund.

Das kann aber nicht bedeuten, daß Justiz sich der Diskussion auch über ihre eigene Leistungsfähigkeit entziehen darf. Natürlich hat die Gesellschaft, haben die Bürger einen Anspruch auf eine Justiz, die zügig entscheidet, die dienstleistungsorientiert ist, die eine verständliche Sprache spricht und mit den Ressourcen verantwortungsbewußt umgeht: ein Anspruch, dem die Justiz doch häufig genug nicht gerecht wird. Justiz ist weiterhin gekennzeichnet durch eine Binnenorientierung: es wird nur die eigene Akte, der zu lösende Fall gesehen. Eine Reflexion über die Aufgaben der Justiz findet nicht statt. Das mangelnde Selbstbewußtsein der Richterschaft zeigt sich exemplarisch darin, daß sie sich auf den überkommenen Begriff der Rechtspflege festlegen läßt, was weder ihrem verfassungsrechtlichen Rang noch ihrem Auftrag gerecht wird. Die Richterschaft muß Problembewußtsein entwickeln und selbst aktiv werden. Die bisherige hoheitliche Prägung wird einer Neuorientierung Platz zu machen haben. Die Justiz muß lernen, sich auch als Dienstleister zu begreifen.

Und: In der Justiz gibt es viele ungenutzte Ressourcen, insbesondere in der Organisation von Arbeitsabläufen, aber auch in der Nutzung der - auch richterlichen - Arbeitskraft. Angesichts des derzeitigen Drucks auf die Justiz kommt sie mit den nach wie vor gerne gepflegten Ritualen der Beschwörung des Stillstandes der Rechtspflege, dem formelhaften Verweis auf die Überlastung der Justiz oder der Berufung auf die richterliche Unabhängigkeit, um sich jeglicher Diskussion zu entziehen, nicht mehr weiter. Will die Justiz in der gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Diskussion bestehen, muß sie ihre Hausaufgaben machen, also ihre eigenen Probleme lösen, muß sie positiv ihre Rolle besetzen und durch ihre eigene Leistungsbereitschaft unter Beweis stellen, daß sie es wert ist, verteidigt zu werden. Hier muß Justiz - auch von außen - in die Pflicht genommen werden.

Es wird also in Zukunft darum gehen, einerseits in der Gesellschaft, der Politik das Bewußtsein zu scharfen für die Bedeutung der Justiz und andererseits der Justiz selbst die Notwendigkeit einer auch selbstkritischen Beteiligung an dieser Diskussion sowie ei(ge)ner Reform deutlich zu machen. Dies wollen wir mit dem Seminar versuchen, zu dem wir herzlich einladen.

Mit freundlichen Gruß
Friedrich-Joachim Mehmel                        Hamburg, den 11. April 1997


Seminarverlauf
Sonnabend, den 24. Mai 1997
11.00 Uhr Eröffnung, Begrüßungsansprache durch den Vorsitzenden der AsJ-Hamburg
anschließend

Zur Funktionssicherung der Justiz heute

Vortrag von Gerd Walter, Minister für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein

Diskussion
13.00 Uhr Mittagspause
14.15 - 19.00 Uhr Arbeitsgruppen mit Kurzreferaten zum Themeneinstieg:

Arbeitsgruppe 1 : Leitbild des Juristen/Richters

mit Dr. Helmut Büchel VRiLG, Abteilungsleiter für u.a. Gesetzgebung
den höheren Justizdienst, Justizbehörde Hmb.
Dr. Jürgen Kühling Richter am Bundesverfassungsgericht
Moderation: Dr. Hans-Jürgen Grambow, Rechtsanwalt
Berichterstatter: Joachim Mose, Präsidialrichter am LG Hamburg

Arbeitsgruppe 2: Reformbedarf der Justiz aus anwaltlicher Sicht

mit Klaus Eschen Notar in Brandenburg
Dr. Klaus Landry Präsident der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer
Moderation: Dr. Heiko Raabe, Vorsitzender des Hamb. Richtervereins, Vizepräsident des Hans. OLG
Berichterstatter: Jan Pörksen, AsJ

Arbeitsgruppe 3: Reformbedarf der Justiz aus wirtschaftlicher Sicht

mit Christoph Hennigsmeyer Rechtsanwalt (Wirtschafts- und Konkursrecht) in Hamburg
Dr. Hanspeter Vogel Leiter des Stabsbereichs Recht der Handelskammer Hamburg
Moderation: Rainer Biskup, Präsident des VG Hamburg
Berichterstatter: Dr. Heino ter Veen, RiLG Hamburg

Arbeitsgruppe 4: Binnenansichten der Justiz - Justiz als Dienstleistungsunternehmen?

mit Hans-Ernst Böttcher, Präsident des LG Lübeck, ÖTV
Wilhelm Rapp, Präsident des Hanseatischen OLG
Moderation: Thomas Schröder-Kamprad, Leiter der Verwaltung der Behörde für Arbeit, Gesundheit u. Soziales, Hmb.
Berichterstatter: Christian Scherf, AsJ

Arbeitsgruppe 5: Justiz heute - Abwicklung des Rechtsstaates?

mit: Prof. Dr. Dr. Jörg Berkemann, Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Thomas Darnstädt, Der Spiegel
Moderation: Prof. Dr. Ramsauer, VRiVG Hamburg, Vors. der Vereinigung hamb. Verwalwaltungsrichterinnen und -richter
Berichterstatterin: Ariane Abayan, Präsidialrichterin am VG Hamburg

19.00 Uhr Abfahrt zum Hafen (Ponton-Anlage am Vorsetzen)
20 - 23 Uhr Fahrt auf der Barkasse Edwin im Hafen und auf der Elbe mit Buffet - die Barkasse ist wettergeschützt

Sonntag, den 25. Mai 1997

10.00 Uhr Kurzberichte aus den Arbeitsgruppen
(Pause mit Obst und Kaffee)
10.45 Uhr Plenumsdiskussion mit den Referenten zu den Hauptproblemen des
Tagungsthemas
13.00 Uhr Ende der Tagung


Eröffnungsansprache

des Vorsitzenden der AsJ-Hamburg Friedrich-Joachim Mehmel am 24. Mai 1997 auf dem AsJ-Wochenendseminar "Justiz heute - zwischen Sparzwang und Reformangst?"

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Minister Walter,
Sehr verehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Genossinnen und Genossen,

ich freue mich, auch die Referenten des heutigen Nachmittags begrüßen zu dürfen.

Justiz heute - zwischen Sparzwang und Reformangst?

Daß der Sparzwang für die öffentlichen Haushalte auch vor der Justiz nicht halt macht, ist nicht neu. Daß entsprechende Bestrebungen von der Justiz immer wieder von der Beschwörung der Überlastung der Justiz und des Zusammenbruchs des Rechtsstaates begleitet wird, allerdings auch nicht. Als ich 1981 als Richter anfing, war das schon so.

Neu ist allerdings eine für unsere Gesellschaft, für unseren Staat bedrohliche Entwicklung: Die Justiz wird in der gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Diskussion förmlich an den Rand gedrängt. Im Vordergrund steht für Politik das Verdikt des Sparens. Justiz wird von der Politik als Randbereich und Kostenlast gesehen. Schlimmer noch: In einer Zeit, in der es nahezu die Regel geworden ist, die eigentlich verfolgten politischen Absichten nicht mehr offenzulegen, sondern statt dessen nach konsensfähigen Scheinbegründungen zu suchen, daß mit dem Argument des Sparens ganz andere Ziele verfolgt werden.

Man muß sich dabei eins vergegenwärtigen: Die Stellung der Gewalten ist nicht statisch sondern unterliegt ständigen wechselseitigen Beeinflussungen und Versuchen der Veränderung. Behandlung von Justiz als Randbereich und Kostenlast ist immer auch ein Versuch der Veränderung der Gewichte der Gewalten.

So wird derzeit die Verwaltungsgerichtsbarkeit für die lange Dauer von Großverfahren verantwortlich gemacht, obwohl es in Wahrheit darum geht, die Kontrolldichte gerade in diesem Bereich - also da, wo es darauf ankommt - zu verringern. Im strafprozessualen Bereich wird in inzwischen schon "uralter" Tradition die Forderung nach dem kurzen Prozeß verkleistert durch die Sorge um lange Verfahrensdauer dadurch, daß der Angeklagte von den ihn eingeräumten Rechten Gebrauch macht.

Mit Sorge ist in diesem Zusammenhang auch die Diskussion über die Verkürzung der Rechtswege zu sehen. Ob die Einführung der Dreigliedrigkeit des Rechtszuges in der Ziviljustiz sinnvoll ist, ist das eine. Nur: Die Reduzierung des Rechtsweges in vielen Bereichen auf eine Instanz, verbunden im landgerichtlichen Verfahren bis zu einem bestimmten Streitwert mit dem Einzelrichter und die Einführung des vereinfachten Urteils lassen Zweifel daran aufkommen, ob dahinter mehr als Aktionismus und Populismus steht. Gerade hierdurch werden die Verläßlichkeit und Planbarkeit privaten und staatlichen Handelns durch die dann nicht mehr gewährleistete Rechtseinheitlichkeit gefährdet - als Beispiele möchte ich hier das Mietrecht und das Reisevertragsrecht nennen. Andere wichtige Aspekte sind der Verlust von Qualitätskontrolle und die Gewährleistung von Gesetzesbindung. Wer als Anwalt vor Zivilgerichten tätig ist, weiß, wovon ich rede. Auch wenn dies unbequem ist und bei aller Bereitschaft zur Kritik auch an den Erkenntnissen von Oberinstanzen: Die Überprüfung von Urteilen durch die nächste Instanz ist ein unverzichtbares Korrektiv zur richterlichen Unabhängigkeit. Wie unbequem dies sein kann, zeigt die Vielzahl von Entscheidungen des Bundesgerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichtes zur Zurückweisung verspäteten Vorbringens als Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nach dem irreführend Vereinfachungsnovelle genannten Gesetzgebungsvorhaben bereits der 70 er Jahre. Dasselbe gilt für den Bereich der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Gefahr, die richterliche Unabhängigkeit zu mißbrauchen im Interesse der Arbeitsvermeidung ist eben nicht allein durch Selbstkontrolle zu steuern.

Daß es in diesem Bereich der sogenannten Verfahrensbeschleunigung noch nicht einmal vorrangig um praktische und rationale Überlegungen geht, zeigt die Erscheinung, daß es gar keine oder keine hinreichende Erfolgskontrolle in bezug auf die postulierten Ziele von Änderungen der Verfahrensgesetze gibt. Die nächste Einschränkung kommt schon oder wird diskutiert, bevor überhaupt Erfahrungen aus vorangegangenen Gesetzgebungsvorhaben empirisch vorliegen können. Hier wird empirische Kontrolle durch Glaubensbekenntnisse ersetzt.

Bedrohlich ist für die Justiz neben den eben beschriebenen Tendenzen der Politik, die Justiz lediglich als Kostenlast zu sehen, daß sie, die Justiz, einen starken Ansehensverlust erlitten hat. Ich meine hier nicht die derzeitige, derzeit gerade in Hamburg, wohl auch als Folge der Vorwahlkampfzeit unter der Überschrift "Innere Sicherheit" geführte öffentliche Diskussion über zu milde Urteile der Strafjustiz. Hierzu nur soviel: Die Strafjustiz ist sicher nicht die erste Adresse, wenn es um die Herstellung der Inneren Sicherheit geht. Regelungen zum Opferschutz oder die Höhe des Strafrahmens sind Sache des Gesetzgebers, ganz abgesehen davon, daß, wie gerade wieder durch neue Untersuchungen in den USA bestätigt wird, sich die Experten einig sind, daß höhere Strafen keinen Abschreckungseffekt haben; dies hat allenfalls eine hohe Aufklärungsquote.

Bedrohlich für die Justiz ist vielmehr, daß nach Meinungsumfragen wie z.B. Forsa das Ansehen der Justiz noch nie so schlecht war wie heute. Ihr Erscheinungsbild ist in vielen Bereichen nicht das Beste: Lange Verfahrensdauer mit teilweise existenzbedrohenden Folgen, Binnenorientierung statt Zuwendung hin zum Bürger, zum "Justizverbraucher", obrigkeitsstaatliches Auftreten von Geschäftsstellen und Richtern sind hier nur einige Stichworte. Dr. Rolf Lamprecht, der Autor des Buches "Vom Mythos der Unabhängigkeit", hat dies auf einer AsJ-Veranstaltung am 7. April so auf den Punkt gebracht: Wäre die Justiz eine Firma, ließe keiner bei ihr arbeiten, wenn er die Wahl dazu hätte.

Gerade vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß es allerhöchste Zeit ist, daß die Justiz ihre eigene Leistungsbereitschaft unter Beweis stellt. Sie kann sich angesichts der dramatischen Finanzlage öffentlicher Haushalte nicht von jeglicher Spardiskussion abkoppeln - andere öffentliche Aufgaben wie Gesundheits-, Sozial- oder Bildungspolitik oder z.B. die Innere Sicherheit haben auch einen hohen Stellenwert. Hier hat die Gesellschaft, damit also auch wir alle, einen Anspruch darauf, daß auch die Justiz kostenbewußt mit den ihr zur Verfügung gestellten Mitteln umgeht. Dieser Anspruch ist allerdings eher vom steuerzahlenden Bürger als vom Parlament legitim zu stellen, weil die sträfliche Vernachlässigung der Ausstattung der Justiz als durchgehende Erscheinung der letzten Jahrzehnte hinreichend zeigt, daß der "Kampf der Gewalten" noch allemal im Verteilungskampf um die Mittelzuteilung geführt wird. Politik hat wenig Anlaß, Mißstände zu beklagen, die durch permanent verweigerte zeitgerechte Ausstattung überhaupt erst herbeigeführt worden sind.

Daß in der Justiz noch ungenutzte Ressourcen vorhanden sind, die Zustände teilweise miserabel sind, davon muß man nach den inzwischen vorliegenden Organisationsuntersuchungen und -analysen von diversen Unternehmensberatern und Justizverwaltungen ausgehen. Gemeinsamer Nenner all dieser Kritikpunkte sind:

Bestätigt werden diese Kritikpunkte im übrigen auch von "Insidern" der Justiz: wer sich mal die Mühe macht, Referendare nach ihren Stationserfahrungen zu befragen, wird viele dieser Kritikpunkte wiederfinden.

Ein wesentlicher Punkt in diesem Zusammenhang ist die schon erwähnte "Binnenorientierung", d.h. es wird nur die eigene Akte, der zu lösende Fall gesehen, es muß ein Urteil gefällt werden. Eine Reflexion auf die Aufgaben der Justiz, eben u.a. auch Rechtsfrieden herzustellen, in diesem Sinne nach den Vorgaben von Verfassung und Gesetz eine Dienstleistung zu erbringen, findet allzu selten statt. Das Bewußtsein, daß aus Sicht des Empfängers einer solchen gerichtlichen Leistung zu deren Qualität nicht nur das Urteil sondern der Umgang des Gerichts mit seinem Anliegen von - untechnisch gesprochen - der Annahme der Klage über die Schreiben, Telefonate der Geschäftsstelle, vernünftige Fristen, rechtzeitige Terminierungen, Verhandlungsführung, Verständlichkeit bis hin zur zügigen Entscheidungsabsetzung gehören, ist z.T. nicht sehr ausgeprägt. Der Richter löst den Fall, was die Geschäftsstelle tut, interessiert ihn häufig nicht. Geschäftsstelle und Richter arbeiten nebeneinander her. Gemeinsame Verantwortlichkeit für das Produkt, um im Jargon der neuen Verwaltungsreformmodelle zu sprechen, ist nicht vorhanden und wird durch die gegenwärtige hierarchische Aufgabenteilung verhindert. Es besteht unter Richtern eine Tendenz, sich abzukapseln vor der Bewertung der Justiz durch ihre Adressaten und der sonst am Rechtsfindungsprozess beteiligten. Gerade im Bereich der Justiz selbst liegen m.E. viele Ressourcen nicht nur für eine bessere Akzeptanz der Justiz in der Bevölkerung sondern auch und gerade für einen ökonomischeren Umgang brach. Es spricht viel dafür, daß es sich jedenfalls auch um eine hausgemachte Krise der Justiz handelt.

Die Folgen eines Weiterso, Spardruck, Verfahrensbeschleunigungsgesetze, Abbau von Rechtsstaatlichkeit auf der einen und ein Weiterwursteln der Justiz wie bisher auf der anderen Seite müssen wir alle tragen:

Für die Gerichte bedeutet dies die Gefahr einer allein an Erledigungszahlen und Kosten pro Fall orientierten Bewertung richterlicher Arbeit mit der Folge eines Qualitätsverlust der Entscheidungen und damit auch eine Schwächung der Funktion, Rechtsfrieden herzustellen.

Justiz droht zu einem negativen Standortfaktor zu werden; gerade Verläßlichkeit, Rechtseinheitlichkeit aber auch eine zügige Justiz sind für die Planbarkeit wirtschaftlichen und staatlichen Handelns eine wichtige Voraussetzung.

Schon jetzt sehen wir als Folge dieser Entwicklung eine Zunahme von Schiedsgerichtsverfahren im Bereich der Wirtschaft, denen Justiz einfach zu lange dauert, und eine verstärkte Diskussion über andere Formen außergerichtlicher Konfliktbewältigung - insbesondere Mediation. All dies mag zwar "Einzelfallgerechtigkeit" befördern, dem hohen Gut der Rechtsverläßlichkeit, Rechtseinheitlichkeit und damit letztlich der Rechtssicherheit wirkt diese "drohende "Privatisierung" der Justiz entgegen.

Justiz ist für den Menschen dar und nicht umgekehrt. Sie hat ihren besonderen Verfassungsrang für die Bürgerinnen und Bürger auch und gerade gegenüber den anderen Staatsgewalten. Wenn die Justiz ihren (Verfassungs-) Rang behalten will, kann sie nicht weiterwursteln wie bisher, sondern muß selbstbewußt ihren Verfassungsrang herstellen und sich dazu auch der öffentlichen Kritik stellen und innere Reformbereitschaft zeigen, auch in Bereichen, in denen es weh tut. Stellt sie sich diesen Anforderungen nicht, setzt sie sich dem berechtigten Verdacht aus, feudalistisches Besitzstandsdenken zu verteidigen. Die richterliche Unabhängigkeit ist noch allemal geschützt und zu schützen vor staatlichen Übergriffen, sei es durch Exekutive oder Legislative. Sie schafft aber keinen kritikfreien Raum in bezug auf die Aufgabenerfüllung und den zweckrationalen Umgang mit den ihr zur Verfügung gestellten Mitteln. Wer sich nicht reformiert, wird die Bürgerinnen und Bürger nicht überzeugen können, daß die Justiz es wert ist, verteidigt zu werden und die notwendigen Mittel zur Aufgabenerfüllung zu bekommen.

Gefordert sind also Gesellschaft, Politik und Justiz gleichermaßen, das Bewußtsein zu schärfen für die Rolle der Justiz, aber auch der Justiz die Notwendigkeit einer selbstkritischen Beteiligung an dieser Diskussion und (eigener) Reform deutlich zu machen. Die positive Resonanz auf diese Veranstaltung, Ihr zahlreiches Erscheinen lassen mich hoffen auf eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit an diesem Wochenende und darauf, daß es uns gelingen kann, der Diskussion über die Rolle der Justiz neue Impulse über Hamburg hinaus zu geben.


Arbeitsgruppe 1
Leitbild des Juristen/Richters

Thesen von Dr. Jürgen Kühling,
Richter am Bundesverfassungsgericht

1.
Spätestens seitdem die Handlungsspielräume des rechtsanwendenden Juristen (Stichwort: "Unbegrenzte Auslegung") in das allgemeine Bewußtsein gerückt sind, wird um die Festlegung eines Leitbildes des Juristen gestritten. Es geht dabei nicht nur um fachliche Anforderungen, sondern auch um Persönlichkeitsmerkmale und affektive Einstellungen zu den beruflichen Aufgaben.

2.
Die Diskussion wird vor allem im Zusammenhang mit der Juristenausbildung geführt. Einen Höhepunkt hat sie im Zusammenhang mit der Reformdebatte der 70er Jahre erreicht. Repräsentativ für den damals erreichten Stand sind etwa die in einer Broschüre des Hessischen Justizministeriums zur einstufigen Juristenausbildung enthaltenen Thesen. Die gegenwärtigen Reformüberlegungen geben ihr neue Nahrung.

3.
In fachlicher Hinsicht ging der Streit vor allem um die Einbeziehung der Sozialwissenschaften in die Juristenausbildung. Während auf der einen Seite gefordert wurde, die Rechtswissenschaft "als" Sozialwissenschaft neu zu begründen, hielt die Gegenseite daran fest, daß der Jurist vor allem einer konventioneller Dogmatik verpflichtet bleiben müsse. "Sozialingenieur" oder "Begriffsjurist" waren die jeweils der Gegenseite zugeschriebenen Leitbilder.

4.
Hinter der Kontroverse standen politische Erwartungen an die Resultate juristischer Arbeit. Vom sozialwissenschaftlich imprägnierten Juristen wurde Parteinahme für die Benachteiligten und Unterprivilegierten erwartet, dem konventionellen Rechtsverständnis wurde stärkere Gesetzesbindung und ein insgesamt konservativerer Gestus zugeschrieben.

5.
Diese Zuspitzungen haben viel dazu beigetragen, daß die an sich fruchtbar verlaufenden Experimente mit der einstufigen Juristenausbildung abgebrochen wurden.

6.
Die Leitbilddiskussion ist seinerzeit folgenlos geblieben, soweit sie sich in gesetzlichen oder administrativen Regelungen niedergeschlagen hat. Selbst Prüfungsordnungen haben wenig bewirkt. Andererseits hat sie Einfluß auf die Lehrinhalte einzelner Fakultäten genommen, an denen ihre Ergebnisse aufgenommen wurden und denen die Prüfungsordnungen Raum für neue Wege ließen.

7. Überlegungen zur Reform der Juristenausbildung sollten daraus die folgenden Konsequenzen ziehen:

8.
Vor einer politischen Überfrachtung der Leitbilddiskussion ist zu warnen. Es wäre schon viel erreicht, wenn etwa die Vorschläge des Fakultätentages, die im politischen Raum auf breiten Konsens rechnen können, die Chance einer praktischen Umsetzung erhielten.

9.
Das Persönlichkeitsbild des Juristen formt sich nicht allein und vielleicht nicht einmal überwiegend an der Hochschule. Das kollegiale Umfeld, die Arbeitsbedingungen vor allem der Berufsanfänger nehmen erheblichen Einfluß auf das Selbstverständnis des Juristen und seine Einstellung zu seinen Aufgaben. Fortbildungsmaßnahmen, in die die Fakultäten verstärkt eingebunden werden sollten, sind ein weiterer nicht zu unterschätzender Faktor.

10.
Die Leitbilddiskussion ist kein abendfüllendes Thema, das mit einer beschreibenden Grundsatzerklärung abgeschlossen werden könnte. Es geht um einen fortdauernden Prozeß des Fragens und des Nachdenkens über die Aufgaben, die sich dem Juristen in den verschiedenen Berufsfeldern stellen und über die Voraussetzungen, die er erfüllen muß, um diesen Aufgaben gewachsen zu sein.
 

Arbeitsgruppe 1 -  Leitbild des Juristen/Richters
Thesen von Dr. Helmut Büchel,
VRiLG, Abteilungsleiter Justizbehörde

I. Richterbild und Richterausbildung

  1. Die Richter müssen sich der Vergangenheit stellen - dieser Satz war und ist immer noch richtig. Die Richter müssen sich aber vor allem auch der Zukunft stellen, darüber wird zuwenig nachgedacht. Zum Bild des Richters gehört die Zukunftsperspektive.

  2. Es gibt kein fest umrissenes Leitbild des Richters, weder in den Augen der Bevölkerung, noch der Juristen. Justiz ist immer noch die stille Gewalt.

  3. Die Anfang der siebziger Jahre unternommenen Versuche, ein Leitbild des Juristen als Ziel der Juristenausbildung gesetzlich zu formulieren, sind im wesentlichen folgenlos geblieben.

  4. Ein Leitbild des Richters müßte sich an den Aufgaben der Justiz orientieren, die sich vom Richter in einer Großen Strafkammer, am Bezirksjugendgericht, Familiengericht, in den Mieteabteilungen, in den Kammern für Handelssachen, im Wettbewerbs- und Presserecht, im Asylrecht, in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit in ihren Anforderungen stark unterscheiden.

  5. Das Ausbildungsziel "Befähigung zum Richteramt" darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Juristenausbildung nicht hinreichend zum Richterberuf ausbildet. Das gilt nicht nur für die praxisferne, an eindimensionalen Sachverhalten orientierte Universitätsausbildung, sondern auch für die verkürzte und auf nicht der Praxis entsprechenden Examensklausuren fixierte Referendarausbildung. Eine systematische Ausbildung in Verhandlungsführung, Streitschlichtung, ökonomische Prozeßorganisation und Gerichtsverwaltung fehlt.

  6. Die Zukunftssicherung der Justiz hängt wesentlich von der Person der zukünftigen Richter und Staatsanwälte ab. Die Vorstellung, daß die für die Einstellung junger Richter Verantwortlichen ein Leitbild im Kopf haben und die Bewerber danach überprüfen können, ob sie diesem Bild entsprechen, ist Theorie. Die Auswahl unter den zahlreichen Bewerbern ist notwendigerweise ein Geschäft mit vielen Risiken ohne hinreichend sichere Auswahlkriterien, zumal die Entscheidung bei Juristen im Alter von ca. 30 Jahren für ca. 35 Berufsjahre zu treffen ist.

  7. Richter haben trotz der nicht zu leugnenden Arbeitsbelastung und eines stark verbesserungsfähigen Arbeitsplatzes einen privilegierten und attraktiven Beruf, Larmoyanz ist unangebracht.

II. Richter und Gerichtsverwaltung

  1. Auch in den Gerichten müssen betriebswirtschaftliche Betrachtungsweisen und modernes Management verankert werden. Diese Erkenntnis darf sich nicht auf die Gerichtsverwaltung beschränken, sie muß auch von den einzelnen Richtern geteilt werden.

  2. Das herkömmliche System, besonders bewährte Richter an die Spitze der Gerichtsverwaltung zu setzen und die Verwaltung im übrigen den hierzu nicht ausgebildeten Rechtspflegern zu überlassen, ist im Interesse eines zeitgemäßen Gerichtsmanagements zu überdenken.

  3. Ein justiztypisches Dilemma für die Gerichtsorganisation liegt darin, daß einerseits die Gerichtsverwaltung die Voraussetzung für die Rechtsprechungsaufgaben der Dritten Gewalt herzustellen hat, andererseits aber die Richter als Träger der Rechtsprechung außerhalb der Verwaltungshierarchie stehen.


    Es ist notwendig, daß einerseits die Richter für Verwaltungsabläufe mehr Verantwortung übernehmen,
    andererseits die Verwaltung sich nicht als Selbstzweck versteht.
    4.
    Gerichtsverfahren zwingen die Betroffenen in Ausnahmesituationen. Dieser Tatsache und ihrer Dienstleistungsaufgabe müssen Ausstattung und Organisation der Justiz mehr Rechnung tragen.

III. Richter und Belastung der Justiz

  1. Die Justiz kann angesichts der Haushaltslage, die nicht nur vorübergehend schlecht ist, nicht damit rechnen, daß auf die zunehmende Belastung mit zusätzlichen Stellen für Richter und Staatsanwälte reagiert wird.

  2. Die Richter müssen sich daran beteiligen, Wege zur Entlastung der Justiz zu suchen. Auch wenn ihre Klage über schlechte Behandlung und Ausstattung durch die Exekutive nicht unberechtigt ist, wird diese Klage allein keine Abhilfe schaffen.

  3. Die Belastung der Ziviljustiz ist zugleich ein Beleg für ihre Qualität: Wäre sie insbesondere für Unternehmen, die sie in Anspruch nehmen, zu langsam, zu teuer, zu unvorhersehbar in ihren Ergebnissen, oder würde sich ein Prozeß in der Kalkulation der Unternehmen nicht rechnen, würde sie nicht in Anspruch genommen.

  4. Bei der Forderung nach Einsparungen in der Ziviljustiz wird zuwenig beachtet, daß in Zivilverfahren ein hoher Kostendeckungsgrad erreicht wird und Teile der Ziviljustiz mit erheblichem Gewinn arbeiten. Das Aufstellen von Zugangsschranken oder die Verschlechterung der Dienstleistung durch "Entlastungsgesetze", die zu einer Reduzierung der Klagen und Mahnanträge führen, bedeutet daher zugleich einen erheblichen Einnahmeverlust.

  5. Bei kostenintensiven Verfahren wie etwa im Bereich des Familiengerichts, des Vormundschaftsgerichts, des Wohnungsmietrechts und des gesamten Strafrechts ist offen die Frage zu stellen, was der Gesellschaft die Aufrechterhaltung eines rechtsstaatlichen justitiellen Verfahrens in diesen Bereichen wert ist. Vor diesem Hintergrund ist aber auch zu überlegen, ob. z. B. alle Scheidungen vor dem Familiengericht vollzogen werden müssen, ob in Mietstreitigkeiten ein außergerichtliches Einigungsverfahren vorzuschalten ist, ob die Strafjustiz in bisherigem Umfang mit Bußgeldverfahren belastet sein sollte.

  6. Trotz der desolaten Haushaltslage darf die Dritte Gewalt es nicht zulassen, daß sich die Diskussion über Veränderungen in der Justiz auf die Gesichtspunkte Effektivierung und Einsparung verengt, die Aufgaben der Justiz und ihre Bedeutung für die Gesellschaft müssen in den Vordergrund gestellt werden.

IV. Richterliche Unabhängigkeit und andere Gewalten

  1. Die Unabhängigkeit ist den Richtern nicht garantiert, damit es ihnen gut geht, sondern damit eine Rechtsprechung frei von Einflußnahmen der anderen Gewalten gewährleistet ist.

  2. Richter sind abhängig von der Ausstattung der Gerichte und von dem von ihnen nicht zu steuernden Geschäftsanfall, sie können Klagen/Anklagen/Anträge nicht zurückweisen. Die Unabhängigkeit der Richter ist auch gefährdet, wenn der Haushalt ihnen die erforderliche Ausstattung nicht zur Verfügung stellt.

  3. Die Berufung auf die richterliche Unabhängigkeit darf von den Richtern nicht dazu benutzt werden, sich einer Aufgabenkritik zu entziehen und z. B. die Modernisierung des Gerichtsmanagements der Exekutive zu überlassen. Das Fehlen eigener Initiativen kann dazu führen, die Gerichtsverwaltung sog. Gerichtsmanagern zu übertragen, die dem Präsidenten nicht weisungsgebunden sind, das würde die Selbständigkeit der Dritten Gewalt treffen.

  4. Die Repräsentanten der Dritten Gewalt sollten versuchen, sich stärker am öffentlichen Diskurs über die Aufgaben und Möglichkeiten der Justiz und ein ihr vermehrt von der Exekutive vorgeworfenes Versagen zu beteiligen. Hierzu gehört auch eine aktive Medienpolitik.

  5. Die Dritte Gewalt muß in der Öffentlichkeit deutlich machen, daß sie zunehmend mit dem Abfall der gesellschaftlichen Krise befaßt wird, nämlich

    Die Justiz muß auch deutlich machen, daß sie als letztes Glied in der Kette kaum die Möglichkeit hat, die Ursachen hierfür zu beseitigen. Auch dem generell erhobenen Vorwurf, die Strafjustiz sei in ihren Reaktionen zu weich und verschließe ihre Augen vor der steigenden Kriminalität, ist angesichts der überfüllten Gefängnisse zu begegnen.

Diskussionsergebnisse der Arbeitsgruppe 1
Leitbild des Juristen/Richters

1. Die Leitbilddiskussionen der letzten 25 Jahre sind - gemessen an ihrem seinerzeitigen Anspruch - relativ folgenlos geblieben. Es erscheint deshalb wenig sinnvoll, in der jetzigen Debatte über Veränderungen in der Justiz vorrangig theoretische Diskussionen zu betreiben.

2. Bei der Einstellung von Juristen/innen insbesondere in den Justizdienst werden zukünftig neben der notwendigen fachlichen Kompetenz verstärkt folgende Kriterien zu berücksichtigen sein:

3. Die Ausbildung der Juristen/innen wird auch zukünftig am Ziel des Einheitsjuristen zu orientieren sein. Sie muß jedoch verstärkt auf die Einarbeitungsfähigkeit ausgerichtet werden. Zur Vemeidung einer Überfrachtung der Ausbildung ist die fachbezogene Stoffülle zu beschränken. Als Beispiel für einen richtigen Schritt auf diesem Weg kann die einstufige Juristenausbildung, wie sie in Hamburg praktiziert wurde, genannt werden.

4. Zu verändern ist in erster Linie das Universitätsstudium als Grundlage der juristischen Ausbildung. Die derzeitige Diskussion um die Referendarausbildung setzt am falschen Ende an und muß durch entsprechende Impulse in diese Richtung gelenkt werden. Die Universitäten haben entgegen ihrem bisherigen Verhalten die Verantwortung, sich dieser Herausforderung mit Nachdruck zu stellen.

5. Die Abschlußprüfung der universitären Ausbildung muß in die Verantwortung der Universitäten überführt werden.

6. Eine Diskussion um die richterliche Unabhängigkeit muß berücksichtigen, daß diese hinsichtlich der von den Richtern/innen zu treffenden Sachentscheidungen nicht zur Debatte steht und als Errungenschaft unserer Grundordnung unangetastet weiter gewährleistet werden muß.

7. Notwendige Veränderungen der gerichtlichen Arbeitsorganisation, insbesondere der Ablaufstrukturen, berühren diesen Kernbereich der Unabhängigkeit jedoch nicht. Soweit ihre Umsetzung an Ausprägungen richterlicher Unabhängigkeit scheitert, muß die Forderung nach einer Veränderung erhoben werden.

8. Die Reorganisation der Arbeitsabläufe erfordert eine verstärkte Einbindung der richterlichen Tätigkeit. Dazu gehört ein zu definierendes Mindestmaß an Präsenz bzw. Erreichbarkeit in bezug auf die übrigen, an der Bearbeitung der Rechtssachen beteiligten Gerichtsmitarbeiter sowie die Verfahrensbeteiligten außerhalb der Gerichtsorganisation.
Insoweit wird es langfristig gegenüber Anordnungen und starren Zeitmodellen von nachhaltigerer Wirkung sein, Verhaltensänderungen durch Überzeugungsarbeit herbeizuführen.
 


Arbeitsgruppe 2
Reformbedarf der Justiz aus anwaltlicher Sicht


Thesen von Klaus Eschen (Notar in Brandenburg)
- fehlt in der Online-Fassung -
Thesen von Dr. Klaus Landry,
Präsident der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer

1.
Justiz ist "Dritte Gewalt", also eine Form staatlicher Machtausübung und damit Obrigkeit.

Diese Obrigkeit ist aber kein Selbstzweck: Justiz soll sicherstellen, daß gesellschaftliche Konflikte nicht von den Bürgern selbst mit der Faust oder Waffe, sondern mit den rechtsstaatlichen Mitteln ausgetragen werden. Ihre gesellschaftliche Funktion ist die Sicherung des inneren Friedens.

2.
Die Exekutive muß die Justiz für diese Aufgabe hinreichend ausstatten, da auch die Regierung die Sicherung inneren Friedens als eine ihrer zentralen Aufgaben zu erfüllen hat. Zur Ausstattung gehören ausreichende personelle und finanzielle Mittel.

3.
Die Justiz selbst ist aber auch selbst für ihre Aufgabenerfüllung verantwortlich: sie muß ihr Selbstverständnis an dieser Aufgabe orientieren. Sie muß die von ihrem Geldgeber zur Verfügung gestellten Mittel rationell und effektiv verwenden.

4.
Die Justiz lebt in einer sich dynamisch verändernden Gesellschaft. Die technische und wirtschaftliche Entwicklung haben das Arbeitsleben in der gewerblichen Wirtschaft dramatisch verändert. Die Anwaltschaft hat sich - jedenfalls überwiegend - dieser Entwicklung gestellt und ihre Büros modernen Anforderungen angepaßt.

Die Justiz hat kein Recht, sich dieser Entwicklung zu verschließen. Will sie ihrer herausragenden gesellschaftlichen Bedeutung entsprechend von der Exekutive bevorzugt ausgestattet werden, so muß sie sich den Modernisierungsanforderungen stellen. Tut sie dies nicht, kann sie keine bevorzugte staatliche Behandlung mehr erwarten. Für die daraus resultierenden negativen Konsequenzen für den gesellschaftlichen Frieden wäre die Justiz dann mitverantwortlich.

5.
Die zentrale Forderung an die Justiz aus anwaltlicher Sicht lautet also:
Modernisiert Euch!
Grundlegende Elemente dieser Forderung sind:

6.
Auf den Prüfstand gehört ebenfalls die "Heilige Kuh" der richterlichen Unabhängigkeit: Diese ist nur inhaltlich unantastbar.
Die richterliche Unabhängigkeit sollte sich nicht (mehr) auf die Gestaltung der äußeren Arbeitsbedingungen beziehen. Wir halten eine zumindest teilweise Präsenzpflicht für Richter im Interesse der Erreichbarkeit für geboten. Es sollte für das richterliche Personal bestimmte feste, öffentlich bekanntgegebene Sprechzeiten geben, in denen Erreichbarkeit garantiert ist.

7.
Die durch eine moderne Gerichtsorganisation freisetzbaren Rationalisierungspotentiale machen es überflüssig, vom Gesetzgeber "Beschleunigungsgesetze" gleich welcher Art zu fordern.
Diese Forderung lenkt nur von den dringendsten Aufgaben einer Selbst-Reform der Justiz ab.
 

Diskussionsergebnisse der Arbeitsgruppe 2
Reformbedarf der Justiz aus anwaltlicher Sicht

· Die Kommunikation innerhalb der Justiz und zwischen Justiz und ihren "Kunden" muß verbessert und institutionalisiert werden.
Dabei muß auch ein stärkeres Bewußtsein für die "Befriedungsfunktion" der Justiz geschaffen werden.

· Die Justiz muß eine Diskussion über "Kundenerwartungen", Qualitätsstandards und über die interne Umsetzung dieser Standards führen bzw. sich dieser Diskussion stellen. Dies darf nicht allein von der "individuellen Ein-sicht/Bereitschaft" der Richter abhängen.

· Gerade in den Bereichen der nicht streitigen Justiz (Registersachen etc.) muß die Serviceorientierung verbessert werden. Steigende Gebühreneinnahmen für steigende Verfahrenszahlen sollten vorrangig zur besseren Ausstattung /Effizienzsteigerung dieser Bereiche eingesetzt werden.

· Insbesondere die Erreichbarkeit von Richtern muß verbessert werden:

· Die richterliche Unabhängigkeit muß auf ihren inhaltlichen Kern reduziert werden. sie darf nicht als Argument gegen eine Veränderung der äußeren Arbeitsbedingungen zur Verbesserung der Arbeitsorganisation und Steigerung der Effizienz mißbraucht werden.

· Die Juristenausbildung muß sich den geänderten Anforderungen stellen. Dabei muß gerade auch die Universität einbezogen werden. Referendare sollten - gerade auch aufgrund der Personalnot - stärker eingesetzt werden und folgende Fähigkeiten erproben bzw. erlernen:

· Vor der Einstellung in das Richteramt sollten drei Jahre Berufserfahrung in anderen juristischen Berufen gesammelt werden.

· Verfahrensänderungen zur Verringerung der Belastung und Verkürzung sind z.B. denkbar

· Auch Anwälte brauchen interne Qualitätskontrolle


Arbeitsgruppe 3
Reformbedarf der Justiz aus wirtschaftlicher Sicht


Thesen von Christoph Henningsmeier, Rechtsanwalt

Die Justiz kann einen erheblichen Beitrag zum Wohlergehen einer Volkswirtschaft leisten, indem

  1. die Durchsetzung der Regeln für alle am Wirtschaftsleben Teilnehmenden sichergestellt wird und
  2. damit der Einsatz der Ressourcen für die Handelnden planbar wird und
  3. Transaktionskosten reduziert werden.

Derzeit erfüllt die Justiz diese Aufgaben immer weniger.

Dies hat zur Folge, daß

Arbeitsgruppe 3
Reformbedarf der Justiz aus wirtschaftlicher Sicht
Thesen und Forderungen von Dr. Hanspeter Vogel,
Leiter des Stabsbereichs Recht der Handelskammer Hamburg

Die Probleme der Justiz sind nicht über eine Personalaufstockung zu lösen. Deshalb fordert die Kammer zur Beschleunigung und Entlastung ein Bündel von Maßnahmen auf Hamburger und auf Bundesebene.

Kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen - vorwiegend in Hamburger Kompetenz - sind:

· EDV-Ausstattung

Die Hamburger Justiz muß Prioritäten im Investitionssektor setzen. Für eine Modernisierung der Sachmittel, insbesondere für zügige Investitionen in die EDV-Ausstattung, müssen die benötigten Etatmittel zur Verfügung gestellt werden.

· Optimierung der Arbeitsabläufe

Der Ausbau der bereits in einigen Bereichen eingeführten Gruppen- und Tandemgeschäftsstellen muß vorangetrieben werden. Parallel dazu ist eine weitere Optimierung der bislang kleinteiligen und ineffizienten Arbeitsabläufe sowie der verstärkte Übergang zum Einheitssachbearbeiter erforderlich.

· Qualifizierung des Personals

Um den damit steigenden Anforderungen gerecht zu werden und auch mehr Servicefreundlichkeit zu erreichen, ist das Personal der Hamburger Gerichte systematisch zu qualifizieren. Der Hamburger Senat muß sich auf Bundesebene für eine Änderung des Berufsbildungsrechts einsetzen, damit endlich eine Fachausbildung für Justizangestellte sichergestellt wird. Mit einer höheren Qualifikation de Personals ist nicht nur ein zusätzlicher Effiziensgewinn, sondern über eine höhere Motivation auch ein weiterer Beschleunigungseffekt erreichbar.

· Gerichtsmanagement und Budgethoheit

Zu einer Organisationsänderung gehört auch, in allen Hamburger Gerichten zügig ein Gerichtsmanagement einzuführen mit einer eigenen Budgethoheit für die Gerichte und einem bei Unternehmen längst üblichen Kosten- und Leistungscontrolling.

· Standortfaktor

Eine gut funktionierende Rechtspflege stellt einen Standortfaktor dar. Mittel- und langfristig greifende Maßnahmen, für die der Senat sich auch auf Bundesebene einsetzen muß, sind:

· Ausgliedern von Aufgaben

Der Senat muß die Wege dafür ebnen, daß die Hamburger Justiz von Aufgaben befreit wird, die sie nicht unbedingt erledigen muß; dabei muß auch die Bereitschaft zur Übertragung von Aufgaben auf Dritte vorhanden sein.

· Schlichtung und Schiedsgerichtsbarkeit

Die außergerichtliche Streitbeilegung - Schlichtung und Schiedsgerichtsbarkeit - muß systematisch und mit hoher Priorität gefördert werden. Von der geplanten Möglichkeit, eine obligatorische außergerichtliche Schlichtung einzuführen, muß der Senat Gebrauch machen. Darüber hinaus müssen auch die freiwillige Schlichtung und die Schiedsgerichtsbarkeit attraktiver gemacht und gezielt "vermarktet" werden.

· Deregulierung

Der Gesetzgeber muß sich auf Bundes- und Landesebene in die Pflicht nehmen lassen, durch einen Abbau von Überregulierung zur Entlastung der Justiz - und oft der Wirtschaft - beizutragen. Neue Gesetze sind bei Erlaß, wo immer möglich, zu befristen; zudem ist vor Erlaß eine qualifizierte Bedürfnisprüfung mit einer Folgekostenabschätzung vorzunehmen.

· Verminderung der Rechtsmittel

Das Verfahrensrecht muß vereinfacht, die opulente Ausstattung des Rechtsstaats mit einer Fülle von Rechtsbehelfsmöglichkeiten auf ein vernünftiges Maß zurückgestutzt werden.

Diskussionsergebnisse (in Thesen) der Arbeitsgruppe 3
Reformbedarf der Justiz aus wirtschaftlicher Sicht

 
Es wird zu Recht aus der Wirtschaft - wie aus wirtschaftlicher Sicht - ein Reformbedarf der Justiz eingefordert. Insoweit ist ein grundsätzlicher Prozeß des Umdenkens innerhalb der Justiz von Nöten. Die Justiz sollte sich in ihrem Selbstverständnis, das bisweilen noch ein überkommenes obrigkeitsstaatliches Denken erkennen läßt, zu einem modernen Dienst- und Serviceleistungsunternehmen wandeln. Ein solches Unternehmen hat seine Leistungen auch orientiert an den Erwartungen von Politik und Gesellschaft im allgemeinen, wie an denen der Rechtsbetroffenen und der Verfahrensbeteiligten im besonderen zu erbringen. Dabei darf der Mythos richterlicher Unabhängigkeit kein Schutzschild zur Abwehr sinnvoller und notwendiger Veränderungen sein. vielmehr muß die Justiz sich von innen heraus reformbereit zeigen und beweisen.

  1. Eine gut funktionierende Rechtspflege stellt einen echten - auch wirtschaftlichen - Standortfaktor dar. Dabei ist der von der Hamburger Justiz erbrachten Arbeit insgesamt ein hoch entwickelter Qualitätsstandard zuzusprechen. Gleichwohl besteht sowohl unter den Aspekten der Kostensparung, der Beschleunigung und Entlastung von Verfahren wie der Qualitätssteigerung bei der Produkterstellung ein grundsätzlicher Reformbedarf. Die dafür sinnvollen Innovationen lassen sich nur in einem Bündel von Maßnahmen bewirken. Im einzelnen sind aus Sicht der Arbeitsgruppe dazu nachfolgende - nicht abschließend formulierte - Forderungen anzumelden.
  2. Bei den an die Justiz gerichteten Reformerwartungen sind die Effizienz richterlicher Arbeitsweisen wie auch die Qualität der Ergebnisse der Rechtsfindung auf den Prüfstand gestellt. Angesichts der Komplexität und der Ausdifferenzierung des materiellen wie formellen Rechts und der stetig wachsenden Aufgaben, die an die Justiz herangetragen werden, zeigt sich die Notwendigkeit eines Angebots an systematischer, regelmäßiger Fortbildung für Richterinnen und Richter. Der im Anwaltsberuf und anderen juristischen Berufen bereits seit langem entwickelte Grad an Spezialisierung und die Notwendigkeit zur fortlaufenden Weiterqualifizierung muß soweit wie möglich seine Entsprechung auch bei den Gerichten (z.B. durch die Einrichtung spezialisierter Spruchkörper) finden.
  3. Die arbeitstechnischen und organisatorischen Rahmenbedingungen der Rechtsfindung sind durch die Modernisierung der Sachmittel wesentlich zu verbessern. Hierzu zählt die Investition in die EDV-Ausstattung. Auch bei Beachtung des auf dem Justizbereich lastenden Kostendrucks, läßt sich keine Effizienzsteigerung erreichen, wenn nicht zuvor auch Investitionsmittel zur Verfügung gestellt werden. An diesem Punkte kann sich die Politik nicht verweigern.
  4. Zur Optimierung von Organisation und Arbeitsabläufen ist der Ausbau der in einzelnen Bereichen bereits eingerichteten Gruppen- und Tandemgeschäftsstellen unabdingbar. Für die Arbeit in diesen Organisationseinheiten ist der Typus des Einheitssachbearbeiters gefordert. Um eine entsprechende Qualifizierung des Personals sicherzustellen, ist eine Änderung des Berufsbildungsrechts mit der Schaffung einer Justizfachangestelltenausbildung nötig. Dabei besteht keine Notwendigkeit, an dem Status des verbeamteten Geschäftsstellenmitarbeiters festzuhalten. Er sollte - soweit nicht bereits geschehen - mittelfristig durch den/die Mitarbeiter/in im Angestelltenstatus ersetzt werden. Um eine leistungsorientierte Beförderungs- und Besoldungspolitik zu erreichen, müßte für den Beruf des Justizfachangestellten eine eigenständige tarifliche Vergütungsgruppe - mit der Möglichkeit von Leistungszulagen - in Angleichung an die Besoldung der Rechtsanwaltsfachgehilfin vereinbart werden. Die analytische Dienstpostenbewertung, die einer leistungsgerechten und flexiblen Verwendung des Personals entgegensteht, gehört abgeschafft.
  5. Den modernen Anforderungen an eine Personalführung und -verwaltung wird die Gerichtsverwaltung in ihrer überkommenen Form nicht mehr gerecht. Dies gilt gleichermaßen auch, soweit den Gerichten mit der Übertragung verstärkter dezentraler Verantwortlicheiten - wie etwa einem eigenständigen Budgetrecht - neue Aufgaben zuwachsen, für deren Übernahme ein bestimmtes Qualifikationsprofil gefordert ist. Das Gerichtsmanagement, wie es traditionell durch die Präsidenten ausgeübt wird, bedarf deshalb der Erneuerung und Ergänzung. Die dafür zu entwickelnden Formen müssen den jeweiligen Besonderheiten bei den einzelnen Gerichten angepaßt werden. In jedem Fall ist es anzuempfehlen, in das Gerichtsmanagement Personal - geeigneterweise aus dem höheren Dienst der Verwaltung - mit speziellen Qualifikationen in der Personalführung und im Haushalts- und Budgetrecht einzubeziehen.
  6. Zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Justiz erscheint es mittel- und längerfristig notwendig, daß sie in Teilen von Aufgaben entlastet wird. Ein wesentlicher Beitrag könnte insofern - für das Zivilverfahren - in der Einführung außergerichtlicher Schlichtungsverfahren (in Bagatellsachen) liegen. Hierbei wären unterschiedliche Formen solcher Schlichtungen - je nach den Rechtsbereichen - denkbar. Um diese Formen der Streitbeilegung zu fördern, müßte die Vollstreckbarkeit der Schlichterentscheidungen gesichert und durch eine Änderung des Gebührenrechts eine Anreizfunktion zur Mitwirkung in diesen Verfahren für die Anwaltschaft geschaffen werden. Neben der Entlastung der Justiz würde mit der Institutionalisierung außergerichtlicher Streitschlichtung zugleich ein notwendiger Bewußtseinswandel innerhalb der Gesellschaft in Gang gesetzt. Statt immer neue Aufgaben an die Justiz heranzutragen, mit deren rechtsförmiger Befriedung sie in Teilen überfordert wird, träte der Zwang zur Übernahme von Eigenverantwortlichkeiten bei der Lösung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Konflikte.


Arbeitsgruppe 4
Binnenansichten der Justiz - Justiz als Dienstleistungsunternehmen?


 Thesen von Wilhelm Rapp,
PräsHmbVerfG und PräsHansOLG

1.
Die Justiz erfüllt ihre Aufgaben wesentlich besser als dies in der Öffentlichkeit dargestellt und wahrgenommen wird.

2.
Trotz aller Probleme geht es der Justiz besser als sie selbst es wahrhaben will.

3.
Mit intensiver Nabelschau, mit öffentlichem Gejammer und mit dem Ausmalen von Katastrophenszenarien wird die Justiz keines ihrer Probleme lösen.

4.
Die Justiz ist auf sich abzeichnende Veränderungen durch neue gesellschaftliche Rahmenbedingungen nicht hinreichend vorbereitet. Dies gilt insbesondere für
a) die ökonomischen Rahmenbedingungen
b) die Veränderungen durch die Informations- und Kommunikationstechnologie.

5.
Die Justiz muß versuchen, ihre künftige Entwicklung selbst mitzugestalten. Gelingt ihr dies nicht, wird sie durch die stattfindenden Veränderungen überrollt werden.

6.
Das Dienstleistungsunternehmen Justiz braucht Mitarbeiter, die sich auch für den wirtschaftlichen Erfolg ihres Unternehmens verantwortlich fühlen.

7.
Justiz läßt sich nicht ausschließlich unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten betreiben. Das würde sowohl die Qualität der Justizleistungen als auch die richterliche Unabhängigkeit gefährden.

8.
Um derartigen Gefahren zu begegnen, sind objektive Kriterien zur Qualitätsbestimmung und zur Bestimmung der Grenzen der richterlichen Unabhängigkeit zu erarbeiten.

9.
Die Justiz ist noch kein Dienstleistungsunternehmen, aber sie ist auf dem Wege dahin.

10.
Ein Dienstleistungsunternehmen wird die Justiz nur dann werden, wenn alle in ihr tätigen Menschen sich als Dienstleister verstehen; das ist noch nicht der Fall.
 

Arbeitsgruppe 4
Binnenansichten der Justiz
- Justiz als Dienstleistungsunternehmen?
Thesen von Hans-Ernst Böttcher,  PräsLG Lübeck

1.
Wieso das Fragezeichen hinter "Justiz als Dienstleistungsunternehmen"?
Natürlich war und ist die Justiz ein Dienstleistungsunternehmen! Was denn sonst?

2.
Für die Gebiete des Zivilrechts (einschließlich Familienrecht), die Arbeits-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit ist das evident: Dort wird für bestimmte "Konsumenten" gearbeitet, die mit Hilfe der Gerichte ein bestimmtes, für sie günstiges Ergebnis in einem Rechtsstreit erzielen oder eine andere bestimmte Dienstleistung (Eintragung ins Grundbuch, ins Handelsregister usw.) erreichen wollen.

Die Strafgerichte erfüllen (wenn man daran glaubt ...) eine Dienstleistung für die Gesellschaft als Ganzes. Bei näherer Betrachtung gilt das für alle vorher genannten Gerichte neben der individuellen Dienstleistung.

3.
Manche "Kunden" nehmen die Justiz auch für Dienstleistungen besonderer Art in Anspruch. Im Zivilrecht dient ein Prozeß gelegentlich einer Seite zum Hinhalten des Vertragspartners. Im Verwaltungsrecht nutzen einige Verwaltungen gern die Verwaltungsgerichte zum Ausloten der Rechtslage, also eher in einer Art Gutachterfunktion; das Abschieben von politischen Entscheidungen in die Sphäre der Gerichte insbesondere auf der Ebene der Bundespolitik ("Gang nach Karlsruhe") ist bekannt.

4.
Ein erstes großes Hindernis dafür, daß die Justiz wirklich ein Dienstleistungsunternehmen ist und sich als solches begreift, ist die mehr und mehr gewachsene Trennung der "Rechtsprechungsabteilung" und der "Verwaltungsabteilung" innerhalb der Gerichte, dies bei einer Neigung der Verwaltung zur Dominanz.

5.
Weiter steht einer guten Dienstleistung das "Zerhacken" der Arbeitsabläufe bis zur Unkenntlichkeit entgegen.

6.
Weiterhin die mangelnde Flexibilität in der Aufgabenerledigung. Hier ist allerdings Vorsicht bei übereilten "Reformen" angebracht: Vielfach liegt die Kraft und die Besonderheit der Justiz gerade in den schützenden Formen der Prozeßordnungen, die eine gewisse Umständlichkeit nicht vermeiden.

7.
Hinderlich für eine gute Dienstleistung sind vielfach unzeitgemäße Arbeitsmethoden und -techniken.

8.
Die Justizgebäude sind vielfach nicht für die gute Erledigung der Dienstleistung funktional. Sie spiegeln eher die Trennung "Verwaltung/Rechtsprechung" wieder. Weder sind die Verhandlungssäle gut zugänglich und zugleich gesichert noch sind die Büros der "miteinander" Arbeitenden jeweils räumlich benachbart und für das Publikum gut zugänglich.  

9.
Vielleicht der entscheidendste Hinderungsgrund für eine Justiz als Dienstleistungsunternehmen ist das mangelnde Bewußtsein der in ihr Tätigen hierfür. Vermutlich (und leider) wird man wohl sagen müssen: "Je höher, desto mehr". Insbesondere sind sich sicher viele Richter nicht dessen bewußt, daß die Aufgabe der Justiz ist, eine gute Dienstleistung in Sachen Gerechtigkeit zu erbringen.

10.
Woher sollten sie (und auch alle übrigen Bediensteten) es auch können? Weder in der Juristenausbildung noch in den übrigen Ausbildungsgängen wird (zureichend) in diesem Sinne gelehrt und gelernt. Die Fortbildung ist unterbelichtet. Zu einer verbesserten Aus- und Fortbildung gehört unbedingt auch praktisches Verhaltenstraining.

11.
Sicher ist auch das Kostenbewußtsein als Teil des Verständnisses von der Justiz als Dienstleistungsunternehmen unterbelichtet.
Es ist übrigens eine gute Selbstverständlichkeit, daß sich die Justiz zu einem erheblichen Teil selbst über Gebühren (und auch Strafen und andere Einnahmen) selbst finanziert. Es wäre allerdings eine Illusion und auch ein verhängnisvoller Irrtum zu meinen, es sei eine vollständige Deckungsquote je erreichbar.

12.
In enger Beziehung zu den Mängeln, was die Justiz als Dienstleistungsunternehmen und das Bewußtsein hiervon angeht, steht der Umstand, daß sich die Justiz (die Richterinnen und Richter) nur zu einem äußerst geringen Teil selbst verwaltet; nämlich nur (hinsichtlich der Zuordnung der Richter auf die Spruchkörper und der Geschäftsverteilung) durch das Präsidium.

Dies ist im Sinne einer Selbstverwaltung auszubauen ("Die rechtsprechende Gewalt ist den Richterinnen und Richtern anvertraut!"). Selbstverständliches Pendant zu einer richterlichen Selbstverwaltung ist eine ihr zuarbeitende professionelle Verwaltung ("Court Management").

13.
Für ein Dienstleistungsunternehmen fehlt es auch an vielen weiteren Service-Elementen: Presse- und Öffentlichkeitsarbeit; Öffnung der Gerichte für kulturelle Aktivitäten im Stadtteil und in der Stadt insgesamt (Gericht als "Foyer", Kulturhaus).

14.
Die Sprache der Justiz muß verständlicher werden. Warum können nicht Urteile (bei verbleibender rechtlicher Präzision) so geschrieben sein wie gute Presseerklärungen?

15.
Auch und insbesondere eine Justiz, die sich als "Dienstleistungsunternehmen" versteht, kann und darf sich nicht unbesehen an Handel, Gewerbe und Industrie orientieren. Dies wäre die Orientierung an reinen "Markt"-Kriterien. Es geht vielmehr darum, unter Übernahme von kompatiblen Standards ein selbstbewußtes "Dienstleistungsunternehmen" eigener Art zu werden/zu sein: Ein genuiner Träger und Garant des Rechts- und Sozialstaates.
 

Diskussionsergebnisse (in Thesen) der Arbeitsgruppe 4
Binnenansichten der Justiz - Justiz als Dienstleistungsunternehmen?

1. Bestandsaufnahme

2. Herausforderungen

3. Reformen

a) Selbstverständnis der Beteiligten

b) Strukturelle Fragen

c) Der Weg der kleinen Schritte


Arbeitsgruppe 5
Justiz heute - Abwicklung des Rechtsstaates?


Thesen von Prof. Dr. Dr. Jörg Berkemann,
Richter am Bundesverwaltungsgericht

I. Strukturfrage oder Epiphänomen

  1. Haushaltsmäßig begründete Sparmaßnahmen haben die Frage nach inhaltlichen Reformen der Justiz derzeit weitgehend abgelöst. Das trifft als Objekt vor allem den "Justizalltag" und die an diesem Alltag Beteiligten.
  2. Die allgemeine Politik und die Rechtspolitik - im besonderen - nimmt ihre demokratische Aufgabe, die oligarchisch strukturierte Justiz kritisch zu begleiten und für eine quantitativ und qualitativ effektive und engagierte Justiz zu sorgen, nur noch gemindert inhaltlich wahr.
  3. Ein Perspektivenwechsel verfestigt sich: Es wird nicht (mehr) nach der Modernisierung und der qualitativen Steigerung der inneren Leistungsfähigkeit der Justiz - unter ggf. veränderten Rahmenbedingungen - gefragt. Das wäre angesichts gesellschaftlicher Strukturveränderungen die sachadäquate Perspektive.
  4. Das wirft zwei thematische Fragen auf:


    1. Zu welchen Zielen will sich die Gesellschaft - vertreten durch die Politik - eine qualitativ effektive Justiz (überhaupt) noch "leisten"? - Dies ist eine Frage nach dem tatsächlichen Verhalten der Gesellschaft und ihrer Repräsentanten.
    2. Für welche Ziele sollte sich die Gesellschaft eine qualitativ effektive Justiz "leisten"? - Diese Perspektive fragt nach normativen Bewertungskriterien.

5.
Als ein allgemeiner Situationsbefund läßt sich vorab feststellen: Die Gesellschaft lebt gegenüber der Justiz in einem Zustand "kognitiver Dissonanz".
Das bedeutet: Man könnte die vorhandenen instrumentellen, quantitativen, qualitativen Leistungsdefizite - nach welchem Leistungsprofil auch immer definiert - durchaus erkennen; indes ist es bequemer, das material zu definierende Anspruchsniveau zurückzunehmen und den "Justizdurchgang" verfahrensmäßig unter Verzicht auf "Inhalte" zu formalisieren. Die "Dissonanz" wird gegenwärtig durch Überbetonung der rechtsstaatlichen Forderung nach formaler Rechtssicherheit und durch das kaum reflektierende Postulat der "Deregulierung" beseitigt. 

II. Befundfrage: Wird der Rechtsstaat "abgewickelt"?

1. Genereller Befund:

2. Einzelne Befunde

Der "Einfallsreichtum" des Gesetzgebers seit etwa 1990 ist bemerkenswert. Folgende Grundformen sind u.a. festzustellen:

3. Zeitgeist in der Justiz

III. Ursachenfrage: Weshalb wird der Rechtsstaat "abgewickelt"?

1. Einige Ursachen der "bewußten" Minderung

2. Allgemeiner Verlust an Rechtsgewißheit?

3. Politik als Aktionismus

4. Die Müdigkeit am Rechtsstaat

Der Weg - derzeit nur undeutlich erkennbar - geht von der Rationalisierung der Rechtsgewährung ihrer "Rationierung". Phänomene der rechtsstaatlichen "Übersteuerung" - historisch gut erklärlich - scheinen im rechtskulturellen Pendelschlag den derzeitigen Reduktionsvorgang zu begünstigen.

IV. Bewertungsfrage: Wie ist der ermittelte Befund zu bewerten?

V. Veränderungsmöglichkeiten

VI. Zwischen Strategie und Taktik: Die Suche nach Verbündeten

Arbeitsgruppe 5
Justiz heute - Abwicklung des Rechtsstaates?
Thesen von Dr. Thomas Darnstädt, Der Spiegel

  1. Durch vielfältige Verfahrensbeschleunigungen werden Begründungspflichten der Gerichte abgebaut.

  2. Das lockert die Gesetzesbindung und entzieht so der Unabhängigkeit der Richter ihre Legitimation.

  3. Unzureichende Urteile sind nicht nur schlechte Urteile, sondern keine Rechtsprechung i.S.d. Art 92 GG.

  4. Durch Beschleunigung werden gerichtliche Verfahren abgebaut.

  5. Das gefährdet die Grundrechtsverwirklichung der Betroffenen in allen Bereichen, in denen Verfahren an die Stelle hinreichender Gesetzesbindung treten.

  6. Um der Beschleunigung willen werden zugleich die Anforderungen an die Begründungen und die Verfahren der Exekutive herabgesetzt.

  7. Das potenziert nicht nur die Mängel der rechtsstaatlichcn Entscheidung, sondern ist zugleich eine Beschränkung des Rechtsschutzes.

  8. Der Verlust an rechtsstaatlicher Substanz verliert jedoch in dem Maße an Gewicht, in dem die Substanz an politischer Bedeutung verliert.

  9. Beim Abbau rechtsstaatlicher Substanz gibt es ein verhängnisvolles Kartell aus Wirtschaft, Politik und Richtern.

  10. Eine der Hauptleistungen dieses Kartells ist die maßlose Übertreibung der Kosten rechtsstaatlich einwandfreier Verfahren.

  11. Die Erfindung einer "Prozeßflut" dient dazu, Gerichte zu entlasten und Rechtsschutz abzubauen.

  12. Die modische Einordnung der Justiz als "Dienstleistung" verkürzt den Blick auf eine Kosten-Nutzen-Rechnung. Dies wird der Justiz als "rechtsprechender Gewalt" nicht gerecht.

  13. Eine sinnvolle Reorganisation und möglicherweise auch Begrenzung der Justiztätigkeit setzt stattdesssen eine politische Festlegung darüber voraus, was eigentlich die Funktion von Justiz ist. Darüber gibt es offenbar keinen Konsens mehr.

 

Diskussionsergebnisse (in Thesen) der Arbeitsgruppe 5
Justiz heute - Abwicklung des Rechtsstaates?

I. Eine Kräfteverschiebung innerhalb der drei Gewalten zu Lasten der Justiz ist feststellbar.
Der "abgewickelte Rechtsstaat" äußert sich in folgenden Bereichen:

Weitere Befunde:

II. Ursachen

III. Bewertung

Der Rechtschutzabbau erfolgt zwar nur in vielen kleinen Schritten, die jedoch in ihrer Gesamtheit den Eindruck der Abwicklung rechtfertigt.

Das Kostenargument ist periphär und unbegründet (ökonomische Analyse des Rechts).

Eine schnelle Justiz ist eine ökonomisch sparsame Justiz, deshalb gilt im Grundsatz, im rechtsstaatlich vertretbaren Rahmen Verfahrensbeschleunigungen zu fördern (es scheint das falsche Mittel eingesetzt zu werden: die Justiz sollte aus sich heraus leistungsfähiger gemacht werden).

IV. Therapie

Justiz sollte offensiver die Belange der dritten Gewalt vertreten, sie sollte sich zum Hüter des Rechtsstaates machen, was soviel heißt wie sich werbewirksam für den Rechtsstaat als Minderheitenschutz einzusetzen.

Sie muß aber genauso intensiv dafür sorgen, daß die in sie investierten Ressourcen effizient genutzt werden können.

Es gilt, dem Zeitgeist entgegenzutreten!
 

Teilnehmer am AsJ-Seminar

 
Abayan, Ariane  Präsidialrichterin VG Hamburg 
Arndt, Claus Prof. Dr.  Hamburg
Beck, Thorsten  Richter ArbG Hamburg 
Becker, Horst  Richter / ABT.LT.JB, Hamburg 
Behrmann, Katrin  Rechtsanwältin, Hamburg 
Berger, Nikolaus Dr.  Richter LG Hamburg 
Berkemann,  Jörg Prof. Dr. Dr. Richter am BVerwG 
Bertram, Michael  Richter VG Hamburg 
Biel, Christiane  Justizbehörde Hamburg 
Biskup, Rainer Präsident VG Hamburg
Blume, Volkmar  Rechtsanwalt
Böttcher, Hans-Ernst  Präsident LG Lübeck 
Bommelsdorf, Jörn  Student
Büchel, Helmut Dr.  VorsRiLG Hamburg, Abt.leiter 
Justizbehörde Hamburg 
Darnstädt, Thomas Dr. Der Spiegel 
David, Sören  Referendar
Drischler, Matthias  Referendar
Ebert, Elfriede  Rechtsanwaltsgehilfin
Eschen, Klaus  Notar, Brandenburg 
Farzamfra, Hassan   
Fiebig, Thomas Dr.  Prokurist und Justitiar der Hansenet Telekommunikation GmbH 
Först, Christiane  Justizbehörde Hamburg 
Frantzioch, Petra  Doktorandin 
Freitag, Jan   
Funk, Robert   
Grambow, Hans-J. Dr.   Rechtsanwalt, Hamburg
Grube, Christian  Richter OVG Hamburg 
Hack, Martin  Rechtsanwalt, Hamburg 
Hämäelinen-Wolf, Lea  Präsidialrichterin OVG Hamburg 
Hanusch, Marion  Referendarin 
Hecker, Hartmut   
Henningsmeier, Christoph  Rechtsanwalt, Hamburg 
Hensel, Georg  dpa
Herbig, Susanne  
Hohnholz, Barbara  Assessorin
lhlenfeld, Dr.  Vors. Richter VG Hamburg 
Ipsen, Peter  Präsident SG Hamburg
Jabs, Hermann  
Kammer, Matthias  Amtsleiter Finanzbehörde Hamburg 
Katz, Achim  Jugendrichter, Hamburg 
Keil, Manuela  Journalistin, Die Welt
Keyl, Jürgen  Vorsitzender Hans. Anwaltsverein 
Kitzelmann, Reinhard  Präsident ArbG Hamburg 
Klang, Peter  Richter LG Lübeck 
Kleinfeld, Renate   
Klooß, Rolf-Dieter Dr.  Rechtsanwalt 
Kluge, Gabriela  Jura-Studentin
Knütter Dr.   
Köhnke, Bernd  
Kraglund, Kirsten Dr.  Richterin VG Hamburg 
Kramer, Sabine   
Kühling, Jürgen Dr. Richter am BVerfG 
Landry, Klaus Dr.  Präs. Hans. RA-Kammer
Loest, Christine   
Maelicke, Bernd Dr.  MDgt, Min. f. Justiz, Bundes-  u. Europaangel., Kiel 
Magens, Gerd Dr.  Rechtsanwalt, Hamburg 
Marten, Florian  TAZ
Mehmel,  Friedrich-Joachim  Vors. Richter VG Hamburg 
Meyer, Claus   
Meyer-Abich, Mathias Referendar
Meyn, Manuela  Referendarin 
Mittelacher, Bettina  Hamburger Abendblatt 
Mose, Joachim  Präsidialrichter LG Hamburg 
Mückenheim, U. Dr. Präsident OVG Hamburg 
Nicolic, Jelena  Studentin 
Nöhre, Monika  Lt. Reg.Dir'in Justizbehörde 
Nümann, Ekkehard Dr. Notar, Hamburg 
O'Sullivan, Daniel   
Passauer, Michael Dr.  Richter AG Hamburg
Persson, Eric   
Peters, Frank   
Pfaff, Manfred-J. Dr.  KPMG 
Plog, Karsten Dr. Frankfurter Rundschau 
Pörksen, Anke  Assessorin 
Pörksen, Jan  AsJ-Vorstandsmitgl. Hmb.
Pradel, Joachim  Präsidialrichter OVG Hmb 
Raabe, Heiko Dr.  Vorsitzender des Hmb. Richtervereins, VizepräsHansOLG
Ramsauer, Ulrich Prof. Dr.  VRiVG, Vors. der Vereinigung hmb VerwaltungsrichterInnen
Rapp, Wilhelm  Präsident des HansOLG
Reese, Arnd   
Renken  Rechtsanwältin, Hamburg
Rickert, Willi  Ltd. Regierungsdirektor
Rieck, Michaela   
Rigó, Kersten  Richter VG Hamburg 
Römer, Julia  Juso-Kreisvorstand Altona
Rückert, Tilman   
Sack, Fritz  Professor 
Scheide, Claus  
Scherf, Christian  AsJ 
Schmidt, Volker  Richter OLG Hamburg 
Schmidt, Wolfgang  Student
Schönfelder, Diether  Finanzbehörde Hamburg
Schröder-Kamprad,Thomas  VwLeiter der BAGS 
Schulze, Marianne  Richterin SG Hamburg 
Schürmann, Eberhard Dr.  Rechtsanwalt, Hamburg 
Sevecke, Torsten Regierungsrat, Hamburg
Sharma, Raju   
Siebel, Heiko  Student
Silling, Olaf  Referendar 
Stallbaum, Michael  Amtsleiter Justizbehörde 
Stapelfeldt, Dorothee Dr.  stellv. Landesvors. SPD Hamburg, MdHBü
Starke, Bernd Richter SG Kiel
Starke, Jürgen Dr.  Regierungsdirektor
Steininger, Brigitte  Richter AG Hamburg 
Strenge, Hans-Peter  Staatsrat Justizbehörde Hamburg 
Tegtmeyer, Martina  SPD-Bürgerschaftsfraktion 
ter Veen, Heino Dr. Richter LG Hamburg
Thömen, Hans-Helmut  Rechtsanwalt, Hamburg
Thorwarth, Klaus Richter VG Hamburg
Ulferts, Herta Rechtsanwältin, Hamburg 
Ullrich, Christina  
Vender, Claudia  Redakteurin
Vogel, Hanspeter Dr. Leiter Stabsbereich Recht, Handelskammer Hamburg 
Walter, Susanne Richterin VG Hamburg 
Weise, Helga  MdHBü 
Wolters, Klaus Rechnungshof Hamburg 
Wrobel, Bernd  Direktor Amtsgericht Reinbek
Zimmermann, Wolfgang