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"Richter gegen Rechtspopulismus"

von Trotha (RiLG), Hamburger Abendblatt vom 28.9.01

"Richterprotest gegen Richter und Richterinnen (Skandal!) -
Das hat uns noch gefehlt! Am 21.9.2001, zwei Tage vor der Wahl und noch dazu in einer besonderen Lage, die u.a. dadurch gekennzeichnet war, daß es vorhersehbar auf jede Stimme ankam, haben "HAMBUGER RICHTERINNEN UND RICHTER" in einer Anzeige "GEGEN RECHTSPOPULISMUS" Stellung bezogen und deutlich gemacht, daß sie, "wir Hamburger Richterinnen und Richter", nicht wie der "Berufskollege" Schill denken. Sie, unter ihnen der Jugendrichter Katz, haben parteipolitisch Stellung bezogen und haben sich, was gewollt war, allerdings bemäntelt worden ist, auch in eigener Sache geäußert, nämlich zu ihrer Rechtsprechung.

Diese Anzeige erfordert es, als Bürger und unabdingbar erkennbar auch als Hamburger Richter, im doppelten Sinne des Wortes betroffen, öffentlich Stellung zu nehmen.

Es macht einen grundsätzlichen Unterschied, ob sich beispielsweise eine Gruppe von Künstlern, wie geschehen, oder eine Gruppe von Angehörigen der rechtsprechenden Gewalt (der Sache nach kann Rechtsprechung 'politisch' sein) in einer Anzeige äußert. Wo jene Richterinnen und Richter, die als solche unabhängig sind und bleiben müssen, ihr Kreuz auf dem Wahlzettel machen, ist ihre private Sache. Als Angehörige der rechtsprechenden Gewalt sind sie allerdings zur Zurückhaltung und Neutralität im politischen Tagesgeschäft verpflichtet.

Die Richterinnen und Richter sind gegen Rechtspopulimus eingetreten ...; sie haben sich ihrer Anzeige zufolge als 'Rechts-Populisten' erwiesen. Sie haben auf Verfassungsprinzipien hingewiesen sowie Schadensvermeidung angemahnt, allerdings - mit Bedacht - auch vermieden, der Wählerschaft ausdrücklich zu empfehlen 'Wählt nicht Schill!' ... Mit ihrer Anzeige haben sie ohne Not (das Auftreten des "Berufskollegen", gegen den sie allerlei Vorwürfe erhoben haben, rechtfertigt die Anzeige nicht) das Ansehen Hamburgs beschädigt, Teile der Hamburger Richterschaft vor vollendete Tatsachen gestellt, die Richterschaft in ihrer Gesamtheit in Misskredit gebracht sowie vor allem Grundlagen des demokratischen Gefüges und Rechtsstaates in Frage gestellt.

Das wird Folgen haben. Ich hoffe übrigens, daß die vierte Gewalt das weitere Geschehen verfolgen und darüber berichten wird.

W. von Trotha
Richter am Landgericht
Hamburg"


Brüggemann (Kaufmann) - Hamburger Abendblatt 28.9.01

"Mäßigung -
Richter Schill ist auch die Hoffnung vieler Hamburger Polizeibeamter, früher getreue SPD-Wähler. Für diese Berufsgruppe muss die Anzeige der "Hamburger Richterinnen und Richter gegen Rechtspopulismus" im Hamburger Abendblatt am 21. September wie Hohn gewirkt haben. Haben dort doch auch Richter unterschrieben, die jene Verbrecher umgehend auf freien Fuß zu setzen pflegen, die Polizeibeamte oft unter Einsatz ihres Lebens festgenommen haben. Mit dieser Anzeige haben die Richter auch gegen etwas verstoßen, was sie dem Richter Schill vorwerfen: den Grundsatz der Mäßigung und Zurückhaltung.

Horst Brüggemann, Oststeinbek"


Kränz (RiVG) - Hamburger Abendblatt 29./30.9.01

"Nicht in aller Namen -
Völlig zu Recht missbilligt der Kollege von Trotha die am Freitag vor der Wahl veröffentlichte Anzeige von Jugendrichter Katz und weiteren 75 Richterinnen und Richtern, mit welcher Wahlpropaganda gegen den Vorsitzenden einer bei der Bürgerschaftswahl kandidierenden Partei gemacht wurde. Da im Text der Anzeige von einer Meinung der gesamten Hamburger Richterschaft die Rede ist ("Wir Hamburger Richterinnen und Richter denken nicht wie Ronald Schill"), stelle ich mit Nachdruck klar: Herrn Katz und seinen Gesinnungsgenossen steht nicht das Recht zu, sich im Namen von "uns" hamburgischen Richterinnen und Richtern in irgendeiner Weise öffentlich zu äußern. Dies gilt völlig unabhängig von der Frage, ob ich die Kritik an Herrn Schill inhaltlich vielleicht sogar teile oder nicht. Wenn derartige Anzeigen Schule machen sollten, wird das Ansehen der hamburgischen Justiz, welches durch die schallende Ohrfeige des Bundesgerichtshofs im Strafprozess gegen Herrn Schill ohnehin arg ramponiert ist, noch weiter beschädigt.

Dr. Joachim Kränz (parteilos),
Richter am Verwaltungsgericht,
20097 Hamburg"


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