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Presseerklärung des Deutschen Richterbundes vom 24. April 1998

Zur Belastungssituation der Gerichte und Staatsanwaltschaften

- DRB warnt vor weiterem Personalabbau in der Justiz

"Unverändert ist die Situation der Justiz in Deutschland durch eine hohe, in wichtigen Bereichen - so insbesondere bei den Strafgerichten und Staatsanwaltschaften, aber auch bei den Arbeits-, Sozial- und Finanzgerichten - tendenziell weiter zunehmende Arbeitsbelastung geprägt. Der deutsche Richterbund appelliert angesichts dessen an die Bundesländer, die Gerichte und Staatsanwaltschaften nicht durch weiteren Personalabbau zu schwächen."

Mit diesem Appell wandte sich der heute für weitere drei Jahre in seinem Amt bestätigte Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Rainer Voss, in Magdeburg an die Parlamente und Justizverwaltungen der Bundesländer und an die Öffentlichkeit.

Angesichts der skizzierten Entwicklung der Geschäftsbelastung bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften, so erklärte Voss, sei der Abbau von Stellen, wie er in den zurückliegenden Jahren zu verzeichnen gewesen sei, nicht zu rechtfertigen. So sei die Gesamtzahl der Richterinnen und Richter vom 1. 1. 1995 bis zum 1. 1. 1997 von 22.134 auf 20.847, also um 5,8 % gesunken; dies sei mehr als die Gesamtrichterzahl des Bundeslandes Rheinland-Pfalz. Bei den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten sei im Vergleichszeitraum ein Rückgang um 3 % (von 5.375 auf 5.211) zu verzeichnen gewesen.

Voss wörtlich: "Angesichts der akuten wie auch der künftig - insbesondere durch die neue Insolvenzordnung - auf die Justiz zukommenden zusätzlichen Aufgaben ist diese Entwicklung ohne Schaden für den Rechtsfrieden in Deutschland nicht hinnehmbar. Die Justiz ist keine haushaltpolitisch beliebige disponible Verfügungsmasse. Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes beinhaltet die Garantie umfassenden und effektiven Rechtsschutzes durch die unabhängigen Gerichte. Der Staat ist also von Verfassungs wegen gehalten, die Gerichte in die Lage zu versetzen, diese Garantie des Grundgesetzes jederzeit einlösen zu können. Dem rein haushaltsrechtlich motivierten Abbau von Stellen bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften sind damit enge Grenzen gesetzt. Diese Grenzen sind erreicht."

Anlage zur Presseerklärung des DRB vom 24. 4. 1998

Die Geschäftsbelastung der Justiz stellt sich im einzelnen wie folgt dar:

Zivilgerichte

Die Zahl der Neuzugänge bei den erstinstanzlichen Zivilgerichten (Amtsgerichte und Landgerichte) weist seit 1994 eine leicht rückläufige Tendenz auf: Gelangten noch 1994 insgesamt 2.240.000 streitige Zivilverfahren (geschätzt, da Angaben zu Mecklenburg-Vorpommern nicht vorliegen) vor die Amts- und Landgerichte, waren es 1995 2.170.255 (= minus 3,1 %) und 1996 2.109.955 (= minus 5,8 % gegenüber 1994 und minus 2,9 % gegenüber 1995).

Strafgerichte

Bei den Strafgerichten zeigt sich ein uneinheitlicher Verlauf: Lag die Zahl der Neuzugänge in erster Instanz (Amtsgerichte und Landgerichte) 1994 noch bei 811.000 (geschätzt, da Angaben zu Mecklenburg-Vorpommern nicht vorliegen), ging sie 1995 um 0,74 % auf 804.999 zurück, um 1996 wieder auf 816.379 (= plus 1,4 % gegenüber 1995) anzusteigen.

Staatsanwaltschaften

Bundesweit leiteten die Staats- und Amtsanwaltschaften 1995 4.217.962 neue Ermittlungsverfahren ein. 1996 stieg diese Zahl um 1,7 % auf 4.290.708 an. Erledigt wurden 1995 insgesamt 4.204.153 Ermittlungsverfahren, 1996 sogar 4.327.190 (einschl. Rückstände aus Vorjahren).

Arbeitsgerichte

Bei den Arbeitsgerichten lag die Zahl der Neuzugänge 1995 bundesweit bei 627.935; 1996 waren demgegenüber 675.637 Neuzugänge zu verzeichnen, das sind 7,6 % mehr als im Vorjahr.

Schon von 1990 bis 1994 war in den alten Bundesländern die Zahl der Neuzugänge bei den Arbeitsgerichten um 42,4 % von 325.969 auf 464.167 gestiegen (Angaben über die Zahl der Neuzugänge für Deutschland insgesamt liegen erst seit 1995 vor).

Finanzgerichte

Auch die Finanzgerichte haben eine deutliche Zunahme der Zahl neuer Verfahren zu verzeichnen: Bundesweit betrug die Zuwachsrate 5,4 % (von 61.939 im Jahr 1995 auf 65.311 im Jahr 1996).

Im einzelnen: Die Anzahl neuer Klageverfahren bei den Finanzgerichten stieg von 54.962 im Jahr 1995 auf 56.780 im Jahr 1996; das entspricht einem Zuwachs um 3,3 %. Bei den Verfahren zur Gewährleistung von vorläufigem Rechtsschutz, die die Finanzgerichte ebenfalls erheblich in Anspruch nehmen, verzeichnet die Statistik eine Zunahme um 22,3 % von 1996 (8.531 neue Verfahren) gegenüber 1995 (6.977 neue Verfahren).

Sozialgerichte

Schließlich gab es auch bei den Sozialgerichten bundesweit eine deutliche Zunahme der Neuzugänge im Jahr 1996 gegenüber dem Vorjahr. Die Zuwachsrate lag bei 5,1 % oder - in absoluten Zahlen - bei 237.558 gegenüber 226.048 neuen Verfahren.