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Zur
Bürgerschaftswahl 2011
Podiumsdiskussion mit den
rechtspolitischen Sprechern der Parteien
Wie schon vor der letzten Bürgerschaftswahl[1], so hat der Hamburgische Richterverein am 2. Februar auch für die am 20. Februar anstehende Bürgerschaftswahl wieder eine Podiumsdiskussion veranstaltet. Dadurch wurde der ansonsten oft im Hintergrund bleibenden Rechtspolitik Gelegenheit gegeben, eine bescheidene Rolle im politischen Wahlkampf zu spielen. Dieses Angebot stieß auf reges Interesse: die Grundbuchhalle war mit Zuhörern überfüllt. Unter der kompetenten Moderation unseres Ehrenvorsitzenden Gerhard Schaberg kamen die rechtspolitischen Sprecher der Parteien zusammen:
- für die CDU: Viviane Spethmann
- für die SPD: Andreas Dressel
- für die GAL: Till Steffen
- für die Linke: Christiane Schneider
- für die FDP: Petra Wichmann-Reiß
Nach der Begrüßung durch unseren Vorsitzenden Marc Tully stellten die Sprecher zunächst in einer ersten Runde die rechtspolitischen Wahlprogramme ihrer Parteien im Zusammengang vor. Allerdings waren die Wahlprogramme hinsichtlich der Rechtspolitik nicht immer schriftlich fixiert, wie Schaberg bei mehreren Parteien bemängelte, was diese damit zu rechtfertigten versuchten, dass eine Längenbeschränkung des Wahlprogramms einzuhalten gewesen sei.
Nach der Vorstellung der Programme fragte Schaberg in einer zweiten Runde einzelne Themen bei den Sprechern ab. In der dritten Runde war die Diskussion mit dem Publikum freigegeben. Für diesen Bericht sind die Positionen der Parteien aus den drei Runden zusammengefasst in der Reihenfolge obiger Liste jeweils unter den Themen der zweiten Runde:
Selbstverwaltung - Zusammenlegung von Gerichten - Belastung - Besoldung - Strafvollzug
1. Spethmann / CDU
Die CDU stehe einer kompletten Selbstverwaltung der Justiz kritisch gegenüber. In Hamburg sei man auf diesem Gebiet ohnehin besonders weit durch die starke Stellung des Richterwahlausschusses. Das Budgetrecht sei bereits vor 10 Jahren ausgeweitet worden. Wünschenswert seien eine haushaltsrechtliche Anhörung der Gerichtspräsidenten und eine stärkere Flexibilität im Budgetrecht. |
2. Dressel / SPD
Die Selbstverwaltung sei eine Meta-Diskussion. In Hamburg sei der Richterwahlausschuss bereits stark. Mit einer Grundgesetz-Änderung könne man sich auch verheben. Der Justizsenator bleibe als politischer Teil der Verhandlungen des Justizhaushalts sinnvoll. Im Rahmen der bestehenden Strukturen seien Verbesserungen anzustreben. Zu ermöglichen sei jedoch, dass die Gerichtspräsidenten an Haushaltsberatungen teilnehmen. |
3. Steffen / GAL
Selbstverwaltung sei ein wichtiges Ziel. Da Bundesgesetze dafür geändert werden müssen, seien andere Bundesländer einzubinden; diesbezüglich müsse der DRB stärker werbend tätig werden. Sinnvoll sei eine Experimentierklausel. Kern des Problems sei die Verantwortung für Finanzen und Personal. Abzulehnen sei eine Zersplitterung der Verantwortung. Problematisch sei auch die extrem unterschiedliche Größe der Gerichte; kleine Gerichte hätten ihnen bereits überlassene Kompetenzen teilweise wieder an die Justizbehörde zurückgegeben. |
4. Schneider / Linke
Die Linke setze sich für einen Ausbau der Unabhängigkeit und der Selbstverwaltung der Justiz ein. Es sei eine grundlegende Reform erforderlich; die Judikative müsse die Exekutive kontrollieren und nicht umgekehrt. DRB- und NRV-Modell seien grundsätzlich beide geeignet. Darüber hinaus werde die richterliche Unabhängigkeit durch das Beförderungswesen geschwächt; wünschenswert sei eine gleiche Besoldung für alle Richter, abgesehen von einzelnen Zulagen für Alter oder für bestimmte Aufgaben. |
5. Wichmann-Reiß / FDP
Strukturelle Änderungen seien zwar sinnvoll, es gebe bei der FDP aber noch keine konkreten Vorstellungen. |
B. Zusammenlegung von Gerichten
1. Spethmann / CDU
Der Justizbehörde vorliegende Gutachten sprächen gegen eine Zusammenlegung. Die Hamburger Gerichte seien ausreichend groß.
2. Dressel / SPD
Die SPD sei hinsichtlich der länderübergreifenden Zusammenlegung zurückhaltend, weil eine Zusammenlegung bedeute, dass einzelne Gerichte Hamburg verlassen müssten, was der Initiative Rechtsstandort Hamburg und dem Wunsch nach Bürgernähe widerspreche.
3. Steffen / GAL
Berechnungen hätten gezeigt, dass eine Zusammenlegung von Gerichten nicht erforderlich sei. Anders sei dies im Strafvollzug; hier sei eine stärkere Kooperation mit den Nachbarländern sinnvoll. Auch Fachgerichte könnten zusammengelegt werden; Sozialgericht und Verwaltungsgericht könnten sich gegenseitig besser personell unterstützten; auch das Finanzgericht sei in die Überlegung einzubeziehen.
4. Schneider / Linke
Es gebe keinen Grund für eine Zusammenlegung.
5. Wichmann-Reiß / FDP
Sie persönlich sei nicht für eine Zusammenlegung von Gerichten mit Ausnahme von Amtsgerichten. Ein Spareffekt sei nicht ersichtlich. Das Wahlprogramm der FDP sehe eine Zusammenlegung nur als Möglichkeit vor.
1. Spethmann / CDU
Die Justiz sei gut ausgestattet. Mehr Stellen seien nicht zu erwarten. Die Nichtstreichung von Stellen in der Vergangenheit sei schon ein Erfolg. Die derzeitigen Vakanzen seien nicht gravierend. Eine Reduzierung des Richtervorbehalts (Blutproben) sei sinnvoll; bis dahin sei der von den Gerichtspräsidenten eingeschlagene Weg eines dienstfreien Tages nach dem Nachtdienst der richtige Weg.
2. Dressel / SPD
Eine Bewilligung neuer Stellen sei wohl schwierig. Es würde aber schon eine vernünftige Besetzung der vorhandenen Vakanzen sowie eine Beschränkung auf die Kernaufgaben insbesondere in der Justizbehörde (Arbeitsstelle Vielfalt) helfen; Doppelstrukturen seien zu verringern. Die von der SPD angekündigten Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst würden nicht die Justiz treffen. Der Richtervorbehalt bei den Blutprobenentnahmen sei zu prüfen.
3. Steffen / GAL
Es dürfe keinen weiteren Stellenabbau geben. Der von der SPD angekündigte Stellenstreichungsumfang (250 p.a.) sei nur möglich, wenn auch die personalintensiven Bereiche wie die Justiz mitbetroffen seien; ausdrücklich ausgenommen habe die SPD nur die Polizei und die Lehrer. Die Reduzierung von Verfahrensdauern in diversen Bereichen sei Ausdruck besonderen Engagements der Richter. Einschnitte beim Personal seien deshalb nicht ratsam. Die Arbeitsstelle Vielfalt werde zu Unrecht in die Aufgabenkritik einbezogen, weil deren Stellen ausschließlich aus Ressorts außerhalb der Justizbehörde stammen. Demgegenüber sei iRd Aufgabenkritik eine Ausweitung der Privatklagedelikte zu prüfen.
4. Schneider / Linke
Die Linke setze sich für eine bessere Stellenausstattung der Gerichte und der StA ein.
5. Wichmann-Reiß / FDP
Es gehe nicht an, dass die Gerichtsverfahren immer länger dauern. Deshalb seien eigentlich mehr Richter erforderlich. Dies sei aber haushaltsmäßig nicht möglich. Jedenfalls dürfe es aber keine Einsparungen bei der Justiz geben.
1. Spethmann / CDU
Bei der Besoldungsstruktur gebe es Nachbesserungsbedarf. Die neuen Steuerschätzungen ließen neue Spielräume; die Streichung des Weihnachtsgeldes sei für die CDU vom Tisch.
2. Dressel / SPD
Es sei problematisch, wenn Hamburg durch die Streichung des Weihnachtsgeldes auf den bundesweit vorletzten Besoldungsplatz zurückfalle. Dressel werde sich dafür einsetzen, dass die Streichung auch für die Besoldungsgruppen A14 und höher vermieden wird.
3. Steffen / GAL
Den Ausführungen von Frau Spethmann sei zu folgen. Die Streichung des Weihnachtsgeldes wäre ein Fehler. Bei der Anwerbung von Nachwuchs müsse die Justiz konkurrenzfähig bleiben. Bei dem ursprünglichen Streichungsplan sei man davon ausgegangen, dass Hamburg jedenfalls nicht hinter Schleswig-Holstein besoldungsmäßig zurückfalle. Eine stärkere Bundeseinheitlichkeit der Besoldung sei sinnvoll.
4. Schneider / Linke
Auch wenn die Linke andere Prioritäten - wie z.B. eine aktive Arbeitsmarktpolitik - habe, teile sie die Sorge um die Gehaltsabsenkung auf den bundesweit vorletzten Platz. Deshalb habe sie für die Woche nach der Veranstaltung einen Antrag in der Bürgerschaft auf Nichtstreichung des Weihnachtsgeldes gestellt. Es sei spannend, wie die übrigen Parteien hierüber abstimmen werden. (Frau Spethmann avisierte eine Ablehnung dieses Antrags durch die CDU schon deshalb, weil über den Haushalt insgesamt und nicht nur über einen Teilaspekt abgestimmt werden solle)
5. Wichmann-Reiß / FDP
Eine leistungsgerechte Bezahlung sei gefährdet. Zwar müsse der Haushalt saniert werden. Jedoch sei die Justiz zu schonen.
1. Spethmann / CDU
Im Strafvollzug seien Verbesserungen erforderlich. Sicherheit sei oberstes Gebot. Deshalb werde die Sicherungsverwahrung auch weiterhin erforderlich bleiben. Jedoch habe die CDU daneben schon immer auch Resozialisierung betrieben.
2. Dressel / SPD
Die Strafvollzugsbeamten müssten besser motiviert werden – z.B. über das Laufbahnrecht. Über den offenen Vollzug müsse diskutiert werden. Hinsichtlich der Sicherungsverwahrung solle im Nordverbund kooperiert werden.
3. Steffen / GAL
Der offene Vollzug müsse ausgebaut werden. Der „Abschlussbericht Resozialisierung“ müsse umgesetzt werden. Die JVA Fuhlsbüttel habe gerade erst größere Summen investiert, und der dort von der FDP angedachte Wohnungsbau sei nicht machbar (Denkmalschutz). Die Ursachen für den hohen Krankenstand bei den Vollstreckungsbeamten werden in der Justizbehörde gerade geprüft. Auf dem Gebiet des ThUG sei eine Kooperation im Nordverbund sinnvoll.
4. Schneider / Linke
Schwerpunkte der Pläne in der Justizpolitik seien eine Stärkung der Gefangenenrechte und eine Reform des Strafvollzugs. Die Sicherungsverwahrung müsse abgeschafft werden und die dadurch frei werdenden Mittel müssten in die Therapie fließen.
5. Wichmann-Reiß / FDP
Die JVA Fuhlsbüttel müsse mangels Tauglichkeit geschlossen werden. Stattdessen müsse in dem Gebäude Wohnungsbau ausgeführt werden.
Wolfgang Hirth
Vergleiche auch die Wahlprüfsteine der Deutschen Justizgewerkschaft - Hamburg